XI. Brief

[24] Abends um zehn Uhr.


Lieber, trauter Friz! – Schlafen sollte ich gehen, ohne Dir eine gute Nacht zu wünschen? – Das wäre mir gerade zu unmöglich! Als Du mich heute so heiter, wie die Morgensonne verließest, dann sezte ich mich munter an die Arbeit, und freute mich Deiner Liebe. Um acht Uhr kam Schark so ziemlich heiter. Ich kündete ihm den übermorgenden Spaziergang an, und er war es zufrieden. Nimm also Deine Maasregeln, Eine halbe Stunde darnach kam N.... Er ist noch immer der alte Dummkopf, und mag es meinetwegen noch lange bleiben, dann kam R.... und klagte, daß er mich gar nie zu Hause trafe. Mögen diese Herren immer murren; denn außer Dir mag ich ohnehin keinen sehen, was machst Du izt, Beßter? – Ein Pfeifchen rauchen, und dabei nachdenkend schwärmen. Denk Du immer fort, wenn man liebt, geht einem der Stoff nicht aus. – Du warst heute wieder recht munter. Gott erhalte Dich lange so fort zu meinem Trost; Du kannst aber auch munter seyn, bist ja meiner Liebe so sicher als ob uns schon das engste Band geknüpft hätte. – Wie freut mich diese Liebe, da sie so rein, so feierlich ist! – Kein nagender Kummer trübt meine Seele, und so bin ich selig mit wonnevollen Hofnungen für die Zukunft angefüllt. – Manchmal fährt mir freilich ein trauriger Gedanke durch den Kopf! Aber nicht aus Mistrauen gegen Dich, wohl aber gegen das Schiksal, daß mir meine ganze Lebens-Zeit nie günstig war! Doch Deine Sorgfalt sey mein Trost, und so will ich immer fort mit den feurigsten Küßen bleiben Deine

Nina.


Um zwei Uhr! Hörst Du? –[24]

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 24-25.
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