XXV. Brief

[52] Friz, laß mich auf der Stelle wißen, wo Du heute mit Deinem Freund hingegangen bist? – Ich sah euch beide nicht über die Brükke gehen, und es war mir nicht wohl bei der Sache. Augenbliklich fuhr mir allerlei durch den Kopf, bis mich Röschen versicherte, sie hätte Dich in dein Haus sehen gehen. – Dann wurde ich wieder etwas ruhiger. –

Bei allem dem bin ich heute so guter Laune; sieh Liebchen, wenn ich Dich da hätte, ich erdrükte Dich mit lauter Küßen! – Du bist doch ein allerliebster Junge! – Ein Engel, ein Liebling, ein vortreffliches Wesen, das mich lebendig zur Seligkeit hinreißt! – – Nimm hin diesen Kuß auf die Rechnung der reinsten feurigsten Liebe. –

Du glaubst also, ich soll gegen Holbaur nicht zu rasch handeln? – Ist das nicht eine elende Welt, in der man dem Laster noch gute Worte geben muß, damit es uns nicht ganz zu Grunde richtet! – – Bei Gott, Friz, ohne Deine Schadloshaltung möchte ich in dieser elenden Welt nicht mehr länger leben! – In einer Welt, wo der Schurke einen Freiheitsbrief trägt zur Bosheit! – Mache, daß wir bald vereinigt werden, damit ich nicht mehr Ursach habe, mir vor dergleichen Leuten Zwang anzuthun. So viel von Deiner guten

Nina.[52]

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 52-53.
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