XXXII. Brief

[64] Lieber theurer Friz, es ist doch gut, daß die Drangsalen in der Welt auch wieder mit Ruhe abwechseln, wenn sie zu sehr an Schmerz gränzen. – Ich schlief heute Nacht herrlich, und meine Gesundheit ist nun auch wieder völlig hergestellt. –

Hat Dir Dein Freund K... nichts gesagt? – Er und Röschen haben mir gestern die Langeweile vertrieben, ich quälte ihn ziemlich, er mußte mir immer von Dir erzählen, und sagte mir doch nie genug.

Morgen kommst Du erst um halb drei Uhr, ich sage Dir dann mündlich die Ursache, aber ja nicht später. Wie war es Dir denn gestern? – – Ich hätte Dich bald durch Deinen Freund holen laßen, wenn ich nicht neue Verdrießlichkeiten besorgt hätte, auch gieng Schark lange nicht vom Zimmer, Herr Jesus! – Was er mich mit seiner augenbliklichen Schwärmerei in Verlegenheit sezte! – Sie kam mir so unvermuthet. – – Gott was ist dies für ein widersprechendes Geschöpf! –

Mich dünkt, er ahndet den Verlust meiner Liebe und weis sich dabei nicht zu helfen. Das heißt wohl ein elendes wankendes Gefühl, wenn man etwas eben so leicht vergöttert, als es leichtsinnig beleidigt. – Doch genug hievon; so etwas ist nicht für Deine Ohren. Ich will Dir lieber sagen, daß ich Dich mit der wärmsten Zärtlichkeit liebe, daß unsere kleine Trennung beim ersten Wiedersehen soll eingebracht werden, so viel für heute von Deiner besten

Nina.[64]

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 64-65.
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