XLII. Brief

[79] Was ich doch für extreme Launen besizze! – Heute bin ich wieder so ziemlich munter, ob mich gleichwohl Scharks tolle Aufführung in der Gesellschaft rasend ärgerte. Hast Du es gehört, wie er bei Seite zu seinem Vertrauten sagte, er bekömmt die Nina gewiß, so viel ich merke!

– Ich habe diese heimliche Wahrheit recht gut gefühlt, gewiß beßer, als der Eitle, aus deßen Munde sie kam. – Auch Du hast darüber gelacht, aber es war wohl eine Art bitteres Lachen; um Gotteswillen, seine Eifersucht wird Dir doch nicht ausfallen? –

Mein Glük war die Dämmerung, sonst würde ich mich bei seinen Spöttereien über und über verrathen haben, ich bin gar ein einfältiges Ding, wenn mein Herz eine Wunde hat. – Sonst habe ich wohl für die große Welt getaugt, aber izt, o du lieber Gott, izt bin ich wie das albernste Landmädchen, und blos das, was meine zur Liebe weichgestimmte Gefühle aus mir machen, ein schüchternes Weibchen. – –

Wie war es Dir denn wieder ums Herz, während unsern heutigen Vorlesungen? – Du schienst mir hingerissen zu seyn zu den Gefühlen der Liebe. – War es nicht so? Wenigstens sagten es Deine halbgeschloßnen matten Augen. – O Du Guter aller Guten, warum durfte ich Dir denn nicht vor der Welt um den Hals fallen, und laut sagen: seht ihr, dies herrliche Geschöpf ist mein! – O pfui! – Was dies für ein abscheulicher Zwang ist, den man sich anthun muß, und was es Dich Mühe kostet, um mich zu erhaschen aus einem Labyrinth, worinn mich mein Schiksal stürzte. Aber wie es Dir denn auch einstens,[79] so wohl als mir, göttlich schmekken wird das errungene Pfand Deiner teutschen Biedermannsliebe, Deiner Vernunft und Deiner männlichen Festigkeit. – Diese Hinderniße versüssen den Werth unserer Liebe bis zum unauslöschlichen Eindruk! – Friz! – Säße ich nur mit Dir im Luftballon, o dann wollten wir schäkkern, mehr als heute, eh wir in die Gesellschaft giengen, wo ich mit Dir so kindisch tändelte. – –

Der blonde Puder, den ich Dir mit Gewalt aufdrang, stund Dir doch allerliebst, nur ein Bischen philosophischer Eigensinn glänzte daran, weil Du ihn wieder mit Gewalt wegwischtest, ist aber auch kein Wunder, Du weißt, daß Dein Köpfchen ohnehin genug Eroberungen macht. – Du brauchst seine Schale nicht zu zieren, der Kern ist reizend genug für denkende Mädchen. – – Freilich giebt es nicht viele denkende Mädchen, aber ich dächte Du solltest es unserem Geschlecht verzeihen, denn das Deinige hält uns ja nicht zum Denken an. Lebe wohl beßter, edelster Jüngling, lebe für Deine zärtliche

Nina.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 79-80.
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