XLIV. Brief

[81] Hast Du Wort gehalten, Liebchen? – Hast Du Dich nun so gut, als möglich beruhigt, über eine Sache, die nicht länger verdient, daß Du Deine und meine Gesundheit daran wagest? – – Sey immer empfindlich für Ehre, aber gegen ehrliche Leute und nicht gegen Schufte, die Dich nicht beleidigen können. – Gott! Was Du gestern so krank warst, was Du mich dauertest, und was mir bange wurde bei Deiner schröklichen Verstimmung! –

Gewiß, lieber Friz, es braucht blos meine Liebe, meine Empfindsamkeit, meine Herzensgüte, um nicht vor mehrern dergleichen Launen zu zittern, die Dich und mich peinigen könnten, wenn sie zur Gewohnheit würden. – Doch keine Vorwürfe, Dein Herz war nicht dabei, und Nina will mit Dir alles tragen. – Sey ruhig, ich beschwöre Dich; sey ruhig! – Du bist von meiner Liebe versichert, troz allen teuflischen Kunstgriffen, die sie zu stören[81] suchen. Was willst Du denn mehr? – Das übrige sind Nebendinge, denen Du nicht nachhängen mußt, wenn Du eine Gattinn schonen willst, die es nicht zu tragen vermag. Sey ruhig, bei dem biedern Namen Deines liebenden Weibes, sey ruhig! – Faße Dich bei jedem Anlaß, wo der elende Spötter Dir wieder aufstößt. – Doch Du versprachst es mir ja, o Du wirst gewiß Wort halten, Du kannst eine gute Seele nicht quälen.

Nicht wahr Friz, Du willst wieder sanft werden? – Du willst nie wieder so beharrlich einer übeln Laune nachhängen? – O die Männer sind doch viel wilder als wir! – Man muß sich auch ein Bischen Gewalt anthun, wenn es Liebe und Gesundheit gilt. – Du kennst Dich ja selbst hinlänglich, um solche Launen nicht zu stark einwurzeln zu laßen. Doch wozu Moral für einen Friz, der mich und andere darinnen übertrift. –

Liebe! – Liebe, will ich Dir aus der Fülle meines Herzens zurufen, und Du wirst ihre Stimme nicht zurükstoßen. – Wenn Du willst, so komm heute noch einmal zu mir, ich will schon sehen, daß wir uns allein sprechen können. – Nimm hin diesen Kuß der feurigsten Liebe! – –

Nina.

Quelle:
Marianne Ehrmann: Nina’s Briefe an ihren Geliebten, [o. O. ] 1788, S. 81-82.
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