Erster Auftritt.

[36] Von Brink. Madame Welldorf.


VON BRINK. Wie, Madame? Welche fruchtlose Hoffnung! – Sie kennen den Mann nicht, mit dem Sie's zu thun haben; sonst würden Sie anders denken.

MADAME WELLDORF. Aber wenn er noch Mensch ist; wenn er nicht durchaus alles Gefühl verläugnet – –

VON BRINK. Er? darf er verläugnen, was er nicht hat? – Ich hab' ihn nur eben itzt, und in was für einer Stimmung! verlassen. In der frohsten, heitersten von der Welt. – Ich frage Sie:[36] würd' ein Mann, der nur einen Funken Gefühls besässe, einen solchen Befehl in der Hand, und nicht den bittersten Verdruss in der Seele haben?

MADAME WELLDORF. Also doch? Er hat ihn wirklich, diesen Befehl?

VON BRINK. Er sagt es. Auch würd' er, wenn er ohne Befehl handelte, sich verantwortlich machen; und das zu wagen, sieht ihm nicht ähnlich. Er ist kein Freund von Gefahr.

MADAME WELLDORF. Aber auch so noch – Sieht er denn nicht, was ein Kind sehen könnte: dass er auch so noch Freiheit hat, zu handeln und nicht zu handeln? dass, in Rücksicht auf einen Sterbenden, die eigene Absicht dieses Befehls ihn aufhebt, und dass man ihm nicht ärger zuwiderhandelt, als wenn man ihn ausführt?

VON BRINK. Will er das sehen?[37]

MADAME WELLDORF. Sie tödten mich. – So wäre Absicht dabei? böser Wille? –

VON BRINK. Dass Sie noch fragen! – Hat man denn mir irgend etwas gethan, diesen, edlen, grossmüthigen Obersten zu verpflichten? ihm nur irgend einen Anlass verschafft, sich durch Proben seiner Uneigennützigkeit, seiner Unbestechlichkeit Ehre zu machen? – Die Folgen dieser Nachlässigkeit liegen am Tage, Madam. Denn natürlich werden nach den Gesinnungen die Berichte, und nach den Berichten die Befehle gegeben.

MADAME WELLDORF starr ihn ansehend. Dieses Licht – –

VON BRINK bitter. Ist doch hell genug, hoff' ich?

MADAME WELLDORF. So hell, als schrecklich!

VON BRINK. Nun dann! – Und dass Sie also nur ja nicht weiter auf Mitleiden,[38] Menschlichkeit, Grossmuth rechnen! Das sind Tugenden, die er viel zu werth hält, um sie so für nichts zu verschleudern. – Das Einzige, was ich hier übrig sehe, ist Unterwerfung unter das Schicksal.

MADAME WELLDORF aufblickend. O Gott! –

VON BRINK nach einigen finstern Augenblicken. Es werden Betten nöthig seyn – Arzeneien – Ich bitte Sie: machen Sie Anstalt dazu, und schnelle Anstalt! Indem er zur Seite geht. Ich bin ungeduldig fertig zu werden, wo ich lieber nicht anfinge. Mein ganzes Herz ist voll Abscheus.


Quelle:
J[ohann] J[akob] Engel: Eid und Pflicht. Berlin 1803, S. 36-39.
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