Anmerkung

[325] Dieses Spiel wurde auf Schloß Pischätz vom 4. bis 20. August 1922 geschrieben. Es lagen dabei vier alte »Faust«-Spiele unmittelbar vor, und zwar die drei Puppenspiele der Engelschen Sammlung (Nr. I, IX und X) und das Puppenspiel von Dr. Faust der Insel-Bücherei (Nr. 125). Selbstverständlich wirkten Goethes Gestalten auch auf die Fassung der Charaktere ein, was mir jederzeit voll bewußt blieb.

Ich habe mich bei der Arbeit sehr frei gehalten und keine Vorlage mehr als die andere, sondern alle nur ganz äußerlich benützt. Einzig drei Nachtwächterlied-Texte und eine Stelle bei Faustens erster Reue-Anwandlung (III/3.) entsprechen mehr oder minder genau dem Text des Insel-Puppenspieles. Sonst habe ich hauptsächlich die Szenenfolge beiläufig eingehalten, jedoch, wo es mir gut schien, auch umgestoßen.

Was den zweiten Akt (am Königshofe) betrifft, so ist seine Handlung ganz frei erfunden, da in den Puppenspielen stets nur von Faustens Zauberei die Rede ist und er auch deshalb als Hexenmeister vom Hofe verbannt wird. Das Eifersuchtsmotiv fand ich ein einziges Mal ganz nebenbei (als ein »Beiseite-Sprechen« des Königs) angedeutet, aber nirgends ausgeführt. Ebenso blieb die Gestalt Orest's stets nur Staffage[325] und ich gab ihm absichtliche etwas vom Valentin Goethes mit, wie denn auch die Königin ganz unwillkürlich dem Gretchen nahe rückt.

Auch Faustens Vater tritt nur in einer Fassung auf und dort ist dann auch im letzten Akt eine Szene, wo Faust den toten Vater aus dem Grabe scharren will, um durch dessen reines Herz Gott zu versöhnen, worauf ihn der Geist des Vaters verflucht. Das schien mir zu gruselig und der zweimalige Vaterfluch obendrein überflüssig. Deshalb stellte ich die Mutter-Szene frei hin, die natürlich in keiner Vorlage erscheint.

Dem Famulus Wagner, der in den Puppenspielen nur ein Schatten Faustens ist, gab ich Züge eines gutherzigen, einfältigen Menschen, in bewußtem, teilweisem Gegensatz zu Goethes haltherzigem »trockenen Schleicher«. So ist das Motiv der treugehegten Pflanze ganz frei erfunden, um Wagner plastisch zu machen.

Die unterirdischen Geister teilte ich in zwei Hälften, deren eine der dämonische Mephistopheles hält, während auf der anderen Seite die mehr komisch-grotesken Figuren: Krumschal, Bulla, Krustl, Bluto, Charon stehen, die mehr oder minder dem Hanswurst entsprechen, so daß die Grundlinie des Spieles: der Gegensatz von Faust und Mephisto zu Hanswurst und seinen Teufeln in der Form der Parallele auf verschiedenem Niveau durchgeführt erscheint. Daraus ergibt sich schließlich (da der Ausgang für Faust tragisch, für Hanswurst versöhnlich zu sein hat) ein Faust-Drama, das von Goethes Höhenwerk stark abweicht. Denn wenn es dort heißt:


»Wer immer strebend sich bemüht,

den können wir erlösen«,


so faßte ich den Sinn des Spieles in die Worte des Hanswurst (III/15:)


»Wer alles schwer nimmt, sich ärgert und müht,

den holt ganz g'wiß der Teufel!

Doch wer die Welt als Theater sieht,

den kriegt er nicht beim Schweifel!«


Ich betone, daß ich hier nicht etwa »Goethe widerlegen« wollte, sondern nur den Sinn des alten Puppenspieles, wo stets der Kasperl über Faust triumphiert, herausarbeitete – deutlicher und bewußter freilich, als irgend eine der mir bekannten Vorlagen, die ja Goethes Werk nicht ahnen konnten.

Die Figur des Pfarrers und die Luther-Reminiszenz ergaben sich mir unmittelbar aus der Situation und der Örtlichkeit, sind natürlich in keiner Vorlage zu suchen.

Zum Sprachlichen sei noch bemerkt, daß alle mir vorgelegenen Spiele in Prosa abgefaßt waren und nur ganz wenige Stellen Verse zeigten, die ich fast nirgends übernehmen konnte. In dieser Hinsicht also kann das vorliegende Spiel als völlige Neuschöpfung angesehen werden.

Dr. Bruno Ertler.[326]

Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 325-327.
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