1. Szene

[233] DER FREMDE. Den Speer dort in die Ecke. Hier das Schwert bleibt näher meiner Hand. Das andre nimm zu dir. Wo ist dein Lager?

DER WAFFENMEISTER indem er den Speer in die Ecke lehnt, das Schwert neben das Lager stellt und die Türe links aufstößt. Wohl da drinnen, weil ich's bei dir nicht seh'.

DER FREMDE. Zum erstenmal schliefst du nicht neben mir?

DER WAFFENMEISTER. Ich will mich hier zu deinen Füßen betten, Herr. Dies Schloß hat keinen guten Geist.

DER FREMDE. Warum nicht gar?

DER WAFFENMEISTER. Sprach einer dir ein Wort den ganzen Tag? Der Wächter, der vom Turme schrie, er blieb der erste und der letzte, überall nur stummes Grinsen. Türen fliegen auf und wieder zu, wie Eulenflügel still. Kein Laut. Und doch: Es schläft nicht, nein, es horcht und späht aus allen Ecken, alles ist bereit und wach. Das Bad, der Tisch, das Bett, wie es die Sitte will, ist da ... und mehr an reicher Pracht ...

DER FREMDE. Ist es so reich?

DER WAFFENMEISTER. Ich sah auf allen unsern Fahrten, Jahr und Tag nicht solchen Glanz. Sieh um dich, Herr, es blinkt von Gold.

DER FREMDE deutet zum Fenster hinaus. Der Sonne Widerschein. Dort geht sie hinter blaue Berge. Ruft es dir in solcher Stunde treibend nicht im Blut: »Du weilst ... du weilst zu lange ...!« Alles Land in breite Schatten hingedehnt, ist Weg, der Tag, der sinkt, ist Flucht vor einem Tag, der kommt, du selbst bist Flucht vor Millionen, die drängend sich an deine Fersen heften. Mit keinen Sinnen magst du es ermessen, ob du im Anfang oder Ende bist, ob diese Stunde, kaum erschaut, vergessen, dir erste oder letzte ist. Wie möchte sich aus den Unendlichkeiten Gestalt und Ende selber dir bereiten, wärst du nicht deiner Welt Beginn und Ziel? Was um dich lebt, ist Weg ... Und ist so viel ...! Vom Morgenrot zum Abendglühen grüßt es mit tausend Stimmen: »Ja!« Und zwischen Werden und Verblühen stehst du durchströmt und glücklich da, vom Atem Gottes segnend übertaut, dir selber fest und allem tief vertraut.[233]

DER WAFFENMEISTER. Die Stunde führt dich weit und läßt mich wieder erkennen, was mich dir so eng vereint. Wie vieles wurde meinen wachen Augen zu hartem Wissen um die Eitelkeit. Ich sah der Tollheit wilde Schwärmergeste in nichts zerfallen vor dem Schritt der Zeit, das Rohe fressend selber sich verderben und müder Weisheit Schein in Unkraft sterben. So viel Erfahren lahmte wohl die Hand, die oft zu Drachenkämpfen schnell sich hob, fand nicht mein Weg, auf neue stets verwandt, die ewig junge Kraft aus reinem Blut. Nicht für dich wirken kann ich, nur dir dienen, nicht für dich fechten, nur die Waffen schärfen, die du zum Siege trägst, des Alters Stärke ist: Glauben an der Jugend helle Tat. Und wer des Segens viel erfuhr im Leben, blieb offen, das Errungene zu geben.

DER FREMDE am Fenster. Nun ist sie unten. Und es glüht ihr nach wie deiner Worte Abendlicht.

DER WAFFENMEISTER. Es schleicht und huscht aus Tälern, Fluß und Wald. Gestalten, verrucht und schattenstumm. Dies ist die Stunde verderblicher Dämonen, die das Kreuz noch nicht erlöste. Laß' uns wachsam sein!

DER FREMDE. Es ist ein Abend, so befreit wie alles, was je Erfüllung fand.

DER WAFFENMEISTER. Bedenke, wo wir sind ...!

DER FREMDE lächelt. Kannst du das sagen?

DER WAFFENMEISTER. Heidenland, des Heidenkönigs Macht ist um uns her! Ein Widersacher katzenstill geduckt dir ins Genick zu zu springen, lauert auf den Augenblick ...

DER FREMDE. Mir war, ich hört' ein Lied ... dann hört' ich lachen ...

DER WAFFENMEISTER. Nicht wie Freude lacht! Es gellte höhnend, und wie Antwort drang ein Klagen fern herauf.

DER FREMDE. Der Kreis ist voll! Ein Lied, ein grelles Lachen, eine Klage. Hast du auf allen Wegen mehr erfahren? Ob wir mit Riesen stritten, wilde Drachen erschlugen, falschen Königen die Krone erlog'ner Herrlichkeit vom Kopfe rissen, der Inbrunst reine Flamme schützten ... wo war mehr als dies: Das Lied der Freude, stolzer, erweckter Sinne Lachen und die Klage? Umfassen diese Mauern nicht, gedrängt in Spruchgewalt, das Leben?

DER WAFFENMEISTER. Die Gefahr verbirgt sich hier!

DER FREMDE. Auch sie ist Leben, Freund!

DER WAFFENMEISTER. Ich hörte sagen, Herr, von einem Kampf verworf'ner Art, den jeder fechten muß in diesem Schloß ...

DER FREMDE. Ich suche keinen Streit.

DER WAFFENMEISTER. Just wer im Frieden kommt, wird Feinde treffen.

DER FREMDE. Wer seine Waffe spart, erhält sie blank.[234]

DER WAFFENMEISTER. Für Zagheit nimmt sich leicht das Maß des Starken.

DER FREMDE. Wer kämpfen kann, weiß immer, wann er muß. Laß deine treue Liebe sich nicht mühen. Wer stünde sicher, der im Wandern ist? Doch mehr, als stumpfes Weilen je ermißt, schenkt uns des Augenblicks bewegtes Glühen. Die off'ne Hand, dem Starken hingestreckt, zieht Gleiches zauberhaft aus allem Leben. Stets wurden Kräfte nur mit Kraft geweckt und was du ehrlich willst, muß sich dir geben. Was sich in hoher Wege Einfalt bindet, zerreißt mit bösen Listen keine Hand, und aller finstern Mächte Trotz verschwindet vor dem, was sich im Herzen Gottes fand. Sein Wollen aber ist nicht träges Ruh'n, ihn zu verkünden, ist kein Ding zu klein: Es bleibt uns allen seine Tat zu tun und seiner Einheit reger Teil zu sein. – Geh' jetzt. Der Tag ist voll. Und war so reich ...

DER WAFFENMEISTER. Ich möchte bleiben ...

DER FREMDE freundlich. Geh' ...


Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 233-235.
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