2. Szene

[238] Belian, Marpalye.


MARPALYE kommt von links.

BELIAN wie ertappt. Ah ...! Fängt sich. Marpalye ... Kindchen ... Was bringst du ...

MARPALYE. Du ließest mich rufen ... Der Narr ...

BELIAN schnell. Was sagt dir der Narr, wenn er tagelang dir zu Füßen kauert? Was singt er?

MARPALYE. Er spricht von vielem, was andre nicht sagen können.

BELIAN. Er ist dir lieb, weil er alles weiß ...?

MARPALYE. Er ist mir Qual, denn er weiß kein Ende.

BELIAN. Ende? Was sollte es wohl für ein Ende geben, wenn uns die Fülle lacht? Du suchst nach Wolken, mein Kind ...

MARPALYE gerade. Wer war meine Mutter?

BELIAN bedrängt. Die Königin.

MARPALYE. Ja. Das war sie durch dich. Doch aus welchem Blut? Aus welchem Lande? Von welcher Art?

BELIAN. Ein Krieg brachte sie aus der Ferne ...

MARPALYE schnell. Von jenseits der Berge ...!?

BELIAN abgewendet. Ich weiß es nicht ... Wendet sich ihr zu, beinahe bittend. Marpalye, ich ließ dich rufen, dir einen Wunsch zu gewähren ...

MARPALYE. Ich habe alles, was du mir geben konntest.

BELIAN. Hab' ich nicht mehr? Ist Belian nicht der Herr aller flammenden Wünsche? Flackert die Gier nicht immer aufs neue nach allem, was mein ist, was ich errang? Nach Macht und Gold und nach dir, Marpalye, nach dir, nach deiner Lust?! Wieder ist einer herangeritten, die Sucht in unersättlichen Augen. Er soll mir nicht ohne Kampf von der Schwelle. Und diese Nacht ist, wie für jeden, eh' er das Messer warf, seine letzte im Licht. Du weißt, Marpalye, Kind, was dein Teil ist am Werk: Der schwüle Trank, den du zur Nacht ihm bietest. Drum wünsche den Lohn, sag' dein Begehren!

MARPALYE schüttelt den Kopf. Ich will nichts.[238]

BELIAN zornig. Willst du mir trotzen?! Den Schuldner beschämen? Ich zahle, was ich verlange! Doch ich verlange!

MARPALYE. Ich weigerte nicht den Dienst.

BELIAN wieder ruhig, gleichsam sich entschuldigend. Ich seh' dich unruhvoll mit irren Blicken suchen und nach erträumten Gestalten tasten, die nirgends Wirklichkeit sind. Des Narren Lied, das Lied ohne Ende singt dir im Ohr. Doch Narren erdichten mehr, als die Erde zu geben hat. Hatte er Ziel und Kraft, was nahm er den Kampf nicht an, wie alle? Laß' dir, du Kind, doch nicht eines Narren Gedicht den Glanz der Erde verschatten. Sieh: Was mein ist, ist stark. Und alles ist dein zugleich. Die gaukelnden Narrenkönigreiche liegen in keinem Land und aller Lieder Ende ist, was du hier sehen und greifen kannst. Stark. Tod und Blindheit jedem, der daran rührt! Näher. Sei ihm der Rausch, Marpalye ...

MARPALYE. Ich tu', was du sagst, weil ich andres nicht weiß ...

BELIAN. Ein anderes ist nicht. Spare täubende Kräfte nicht, daß die Sinne ihm fließen, Blut seine Augen bedrängt, und die Pulse stoßen, hebt seine Rechte morgen den Dolch.

DER SEHENDE WÄCHTER kommt von rechts, fällt auf die Knie. Der Fremde!

BELIAN. Alle herbei! Er ist mir willkommen. Haha ... Lange schon, dünkt es mich, seit der letzte kam.


Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 238-239.
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