Das Viertzehend Capitel.
Von des Gargantua Adelicher Jugend, und Jugendgemäser Thugend.

[184] Von dreien Jaren biß zu fünffen ward Gargantua durch befelch seines Vatters inn aller gebürlicher lehr erzogen und unterricht. Pracht daneben die darzwischen einstehende zeit zu wie die kleine Knaben des Lands pflegen, das ist mit trincken, essen und schlaffen, mit essen, schlaffen, und trincken, mit schlaffen, trincken und essen.

Täglich waltzet er sich im kaht, allzeit gieng er maßgen mit der Nasen, ja butzen inn der Nasen, er dorfft kein schonbart, wann er sich unter den Augen mit Rotz beschmiret, berusiget, besudlet, unnd beknudelet. Auch verguldet er gern die schuh, wie die alten Francken, von denen Lazius schreibt, doch macht er darmit keinen Goldschlager reich, er bließ ein Katzengeschrey durch die verstopfft naß: spiegelt sich im ermel, versilbert die Backen, buckt sich offt nach den Mucken, griff gern nach dem Messer, lieff gern nach den Schrötern, Meikäfern, und fürnemlich den Farfallischen Baumfaltern[184] unnd Papilonischen Butterfligen unnd Pfeiffholdern, und den Mariposischen Botterschützen, deren König sein Vatter kurtz zuvor inn Volaterra, an Nullenburg stossend, worden war. Beseycht viel die Schuh, das macht er war gern im nassen, schiß ins Hembd, das macht er saß gern warm, schiß die bein ab vor dem Tisch, und sah es darnach an, aß es doch nicht mit löffeln wie Eulenspiegel, gunts aber seim Engellendischen Hündlin: treiffet und geiffert inn die Supp, tappet ins Muß, tappet an allen orten an. tastet, zopffet, kratzet, jauchtzet und Ketzerschrey tranck auß seinen Pantoffeln, unnd täglich rib und kratzt er ihm den Bauch mit eim Nonnenkörblin, und alter Weiber Cartetschfleck.

Sein Zän steifft, wetzt und spitzt er mit negeln, Holtzsolen, Pantoffelholtz, dem topff, mit eim Niderländischen Nonne: mit schletterlen, mit Puppen, diß waren sein eingefaßte unnd angehenckte Wolffszän zum zanen und zännen, und sein Tattelkern für fallen: waschet sein händ inn der Suppen, malt die Wend mit dem Muß, streit sich mit dem Glaß, saß zwischen zwen Stülen nider, neben den schemel mit seim zarten ärßlin auff den harten boden, deckt sich mit eim beschissenen Sack, wischt sich mit treck, tranck weil er die suppen aß, wie ein anderer närrischer Schwab, steckt alles ins Maul, reicht vil eher die linck dann die recht: Dann solchs ist, wie Meister Barthel Erbsenschütz, Superintendens zu Superbingen, im Buch, Von eins sanft donnerenden Predigers lincken fuß auff der Cantzel, und seim rechten Aug in der Rahtstuben schreibet, ein anzeigung der Erbsündlichen art, eher krums dann schlechts zuthun: er dautzt jederman, wolt nit A. sagen, auff daß er nicht müß B. sagen, stammelt im betten, aber sehr fertig fluchet, unnd schalt es ungestammelt, neigt daß Amen im mitteln Vatterunser, trehet daß Hütlein herumb, wurf daß Hütlein in die lufft nach dem Weihen, aß daß Fleisch ohn Brot, griff inn heissen Brei, verbrent die Finger im Liecht, biß und lachet, lachet und biß: hett zwen böse Zän, der ein aß gern Weißbrot, der ander Lebkuchen: war fromm, biß nieman im schlaff, küßt die Rhut, doch nit gern, spie offt ins Becken, forcht den Kemmetfeger, den Hudelump, und den Mann mit dem Sack, forcht man steck ihn wie der Mönch den Käß darein, schiß vor feißte, thet ins[185] Bett, und bestrich sich damit im Antlitz, seicht gegen der Sonnen, wind unnd wand daß Zümpelin, sauget am Leilachzipffel, verbarg sich im Wasser vor dem Regen, zucket den Kopff und stieß ihn ans brett, schlug nach der hand unnd traff die Wand, schlug und bauet im kalten, bließ in die kalt Milch, traumet krauß im holen, stieß ihm Wurtz und Zucker auß Steinen, bettet daß Affenpaternoster, kehrt zu seinen Hämmeln: Munter dich auff Kinds treck: trieb die Säu wider umb zum Häu, schlug den Hund vor dem Wild, spannt daß Roß hinder den Wagen, aß die Lebkuchenleut, haßt den Schulsack wie schön er gemalt war, gleich wie die Meidlin ungern spinnen, wie hüpsch man auch die Kunckeln mal, geiget auff den Nußschalen, pfiff auff eim Stecken, kriegt hinder dem Ofen, hett die windeln am gesäß kleben, war naß hinder den Oren, daß Hembd lag im neher als der Rock, kratzt sich wa ihn nicht biß, zog die Würm spannenlang auß der Nasen, umbfaßt viel und hielt wenig, aß daß weiß Brot am ersten, setzt den Bauren auff den Edelman, vom Pferd zum Esel: war sauber, schiß kein Leimen: hett dann ein Bachofen gessen: schiß ins bruch unnd aß zu nacht, weint kein Gold, liß Nacht und Tag werden, beschlug die Häuschrecken, macht der Lauß Steltzen, macht Schiff auß Papir, bauet Muckenhäußlin, unnd bließ sie selbst umb, brach den Mucken die Köpff ab, riß ihnen die füß auß, steckt sie an einen höltzin spiß, wie die Weiber die Flöh an die Nadeln, stach den Vögeln, wie der Spartanisch König, die Augen auß, nit auß greulicheit, sonder wie die Kinder nach den Kindlin inn den augen stupffen, trehet die kögel umb: saß daß Hänlin im Korb, so wolts herauß, war es draussen, so wolts hinein: was er sah begert er, was er begert daß erweint er: war gar sauber, was er schiß ließ er ligen, und sah es alsdann an, wie ein Gaul, der den Karren hat umbgeworffen: war aber darneben unsicher, schiß im schlaff, wie die Bäurin, die mit dem hindern in die Milch bliß: ließ die Lerch in der hand fliegen und griff nach eim fligenden Storcken, schlug daß hund Wölflein für ein Wolff, sauget am hemd, kützelt sich selbs zu lachen, dient wol in die Kuchen, macht den Göttern Garben von Stro: acht sich keins glantzes, wischt den hindern ans hůtlin: und aß küchlein auß dem Hafen: was ein Krautschütz, wann[186] er ins kraut schiß: biß auff ein federkengel, damit ihm die rat nit weh thet, und weint doch, daß ihm die rotzkengel auß beiden Naßlöchern ins gefreß hiengen, und vor ängsten die stinckenden Kegel entgiengen? wann er ins Bett seicht, sagt er es hett ihm geträumt, wie er an der wand stünd, und wässerlet, oder es sey ihm der bruntzscherben ins Bett gefallen: ließ daß Magnificat zur Metten singen, unnd befand es mächtig gut, fraß Köl und schiß Mangolt, wie die Geisen spotten, fressen Kraut und scheissen Bonen, er kant die Mucken in der Milch, schabt daß Papir, mördelet daß Pergamen, gewan es zu fuß, schoß nach der Geisen oder den Geissennesteln, macht die zech ohn seinen Wirt, schlug in den posch, und fieng kein Vogel, meynt der Himmel hang voll Geigen, glaubet gefartzt sey geschworen, geschissen sey gemalt, gebrent sey gebissen, treck sey Rötelstein, daß Messer beiß, die Wolcken weren Woll oder blumentolter, daß Gewülck Spinnwepp oder Schinhüt, der Schnee Mäl, die Schlosen Zuckererbsen, die Wasserblasen Laternen, neben dem stecken gegangen sey geritten, man schöpff die Kinder auß dem Bronnen, wann es fall, es fall noch eins vom Himmel, Rotz auff dem Brot schmack wie Honig, die Katz eß dz Messer, daß Holtz schneid Eisen, wie der Römer Scharsach den Wetzstein, und die Mauß die Feihel nagt: stelt sich als ein Esel, auff daß er Kleien hett, aß gebrants für gebraten, Stockfisch für kraut, meint ein Beltz dient für ein schuß, ein Harnisch für die kalt, ließ Bonen Erbsen sein, macht auß seiner faust ein hamer, fing die Kränch im ersten sprung, schalt den Weihen ein Hünerdieb und stal ihm keins: rufft unnd lobt den storcken, daß er ihm übers jar rote schu bringe, aß die biren ungeschelt, die Fisch unergränt, erwischt daß schwerest für daß best, wie Keysers Sigmunds Hofman die Bleigefüllt Büchs für gülden, that auch wie deß Keisers Roß, welchs im wasser stallet, gab wo vor war, schiß zum grösten hauffen, seichet inn den Badzuber, meynt was glitzet daß sey Gold, unnd beschiß offt die Finger dran, wie der Pfaff an deß Eulenspigels Erb: ließ daß Vögelin sorgen, holt sein Brot beim Becken, nam ein schnellfetzlin für ein Nuß, gab ein Nuß umb ein Pfeiff, ja gab ein Esel umb ein Peif, gieng auff vier füssen, macht sich zu eim Roß daß er Habern eß, trug[187] sein Hand am Arm, schob es alles unter der Nasen ein, fand daß Maul finsterling, warff ein Ey nach eim Spatzen, meynt wann ihn hungert die Frösch murreten im Bauch: sein Bauch hett kein Oren, liß nit mit ihm tädingen, wann ers hat so aß er, hat ers nit, so tranck er dafür, wan er den Kessel an sah so durst ihn, ließ die Würm spießlang von sich kriechen, ohn verzuckerten Wurmsamen, er danckt fürs Weysel und durst ihn noch: er wolt daß man von rincken zu rincken unnd glidsweiß den Pantzer flick, sah dem geschenckten Gaul allzeit ins Maul, sprang vom Hanen zum Esel, setzt unter zwey grüne ein zeitigen, unter zwey dörre ein grünen, unter zwey zeitige ein unzeitigen: nach deß Bodini Geometrischer proportz: daß macht sein Red hieng an einander wie ein kett von Kühtreck, maß, wie König Cyrus, dem langen ein langen, dem kurtzen ein kurtzen Mantel an, macht von Erden ein Grub, besah den Wölffen die Zän, besah sie im Mon, bließ kein Muß, verbrant daß Maul, sah den Wolff deß Mons, sah im Mon ein Männlin daß Holtz gestolen hett: macht ein tugend auß der Noht, Macht ein Supp von solchem Brot: wann die Wolcken fallen, hofft er alle Lerchen auff zufahen: Noht brach bei ihm eisen, daß kont er mit scheissen beweisen, er verzett es eh ers zum Stülchen bracht, daß wann der weg gen Rom also wer gepflestert gewesen, ein Hund ihn wol het finden können: brüntzelt nit, man schlug ihm dann ans Zümplin, und pfiff ihm wie den Pferden darzu: sagt alles was er wußt, that als was ihn gelust, glaubet alles was er hört, hört alles was man böses lehret, gab als was er hat, nam alls was er begert, was man ihm zeigt wolt es haben, bekömmert sich eben so klein umb die geschabene als die beschorene, sagt vom fernigen Schnee, wie ers vom Großvatter Hackeleback gehört hat, meynt wann man ihn neu anthat es wer Sontag, meynt Sant Claus reut auff eim Esel herumb und scheiß ihm sein Schu voll Lebkuchen: biß den Leusen die köpff ab, gleich wie der im Flöhatz den Weibern mit den Flöhen rhatet, fieng Mucken mit dem Maul, und die Flöh in den Ohren.

Alle Morgen sang er die truncken Metten, streiffet den Fuchs, seins Vatters kleine Hund und Katzen asen auß seiner Schüssel, er auch selbs mit ihnen, zopfft sie beim schwantz, biß und bließ ihnen in die Ohren, bleckten sie die Zän, meynt[188] er sie lachten, murrten sie dann, so lacht er, die Hund bissen ihm inn die finger, die Katzen zerkratzten ihm die Naß, alsbald lecktens ihm wider, schleckten ihm den Trüssel, so bließ er ihnen ins Loch: diß waren seine Hofschmeichler, seine Auffwarter wie die Mäuß des Diogenis Schmorotzer, die ihm auffwarteten weil er etwas hat: Da wolt er auff ihnen reuten, so wolten sie essen, keiner dorfft sich inn ihren streit legen: Dann die Tellerschlecker soll man umb den Atz üben. Nun nun, daß man den Bock nit zu weit inn Garten laß gehn.

Wolt ihr etwas weiters wissen, ihr Hodenkröpffige Kullensäck, ihr Schüttenast, ihr Hillot, daß euch das übel zur Pfeiffen schlag, Ey daß euch der kalt das Loch verbrenn, unnd euch das Maul an die Pfeiff müß wachssen, daß klein Hurenjägerlin griff allzeit seinen Seugamen zum Aug, weiß nicht wie hoch, hinden und fornen. Harri hotta Schelme: und fieng schon an sein gelätz zuexerciren, darumb schmuckten ihn alle Tag seine Priapische abgebrüete Ammen unnd Warterin mit Blumen, zierten ihn mit Krentzlin, und hatten ihre lust unnd freud damit, nur daß er ihnen unter die Hend wie ein Magdalonisch Zepfflin gerhiet: alsdann lachten sie, kütterten und schnatterten wie die Storeken auff dem Schornstein zusamen, wann er die Oren auffrichtet, als ob ihm das Spiel gefallen hette: eine nannt ihn mein kleiner Dille, mein Deitelkölblin, die ander mein Guldenglüflin, mein Guffenspitzlin, die dritt mein Guldenästlin von Cural, mein Korallenzincklin, mein Wolffszänlin, mein Billersteifferlin, mein Zuckerdeichelin, mein Vibrewin, mein Wurstzipflin, mein MörselStößlin, mein Capellenglöcklin, Glockenschwengelin, Ofenstenglin, Kogbenglein, Ziechzipflin, Ei mein Henckelosche, mein Thorschellelein, mein Beutelstecklein, mein lebendiges Weckerlein, mein rohe freud, ach rauch und breit, mein klein frisch Andowillewürstlin, mein lispelend Klappersecklin, mein Kitzeltrutlin, es ist mein, sagt die ein, ist mein eygen, sagt die ander, und was soll ich haben, sagt die dritt, solt ich lehr außgehn? Hey bei meiner treu, so will ichs ihm abschneiden: was schneiden? sagt die ander, ihr würden ihm weh thun, liebe Frau, hauet ihr den Kindern also die dinglin ab, so wird er Junckher von Degenbloß unnd Waddelloß werden, der Monsier sans queue. Herr Batt mit dem glatten[189] Schaden, der die Zwillingbrüderlein irn Bauch verbirgt, unnd seycht hinden auß wie des Meyers Stut. Auch damit dem Kind nichts an kurtzweil abgieng, macht man ihm ein Flinderlestecken, und fornen dran ein Windspiel von den flügeln einer Windmül auß Francken: damit lieff er auff unnd ab die Gaß, unnd Thurnieret den Leuten die fenster auß.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 184-190.
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