Das Fůnffzehend Capitel.
Von des Gargantoa geschnetzelten Pferden, und ihren ungeberden.

[190] Als nun dem lieben Gargantomänlein das Schießstülchen anfieng zu klein zuwerden, also daß man ihm eim weitern und höhern Stul mußt erhöhen, da mußt man sehen, wie man ihm das Seil glimpflich umb die Hörner würff: derhalben damit er zeitlich zur Reuterey angezogen würde, so macht man ihm schöne grosse Pferd von Holtz: darhinder man Repphüner hett fangen können. Dann sie gedachten, können die Westwind im Linsebonerland Gurren Schwengern, daß sie füllen, und haben doch kein handhab, warumb sind dann uns die Händ gewachssen, daß wir sie ins Geseß schieben? Neyn, wir wöllen von EichenBäumen wol andere Troianische Pferd zimmern, dann dise Windfüllen, die nur trey Jar leben. Daß sollen rechte Lignipedische vituli equi sein, die man nicht striegeln darff: Als sie nun von Meister Gißrecht Seidenschwantz, der von dem Geschlecht des jenigen war, der daß Montis instar Pferd zu Troia gemachte hatte, gentzlich waren gefertiget, da mußt sie der jung Reuttersknab anführen und üben mit sprengen, dummelen, umbwerffen, springen, dentzlen, hupffelen, stutzen, Lufftspringen, alles zugleich: Item den Paß gahn, den mittelpaß, den Troß, den tritt, den schritt, den Trab, den trott, hoflin, den zelter, den klop, den treckenart, den Camolin, den Eselstritt, den Treischlag, den Stapff: Endert sie auch fein von haaren, wie die Mönch von Curtibal, nach den Festen von Beilbrunn, als von Apffelgro, Rappen, Hirtzhaar, Rattenfarb, Schimmel, Fuchs, Liechtgro, falb, Falck, kästenbraun, fahl, rauchfarb, Wolffsfarb,[190] farb, Maußfall, blaß, rotgemalte von Mim und Eyerklar etc.

Er schnitzelt ihm auch von eim grossen Balcken unnd Schlaiffen ein Rabicanisch Pferd zum jagen, darnach eins auß dem Trottbaum zum täglichen brauch. Auch von einer Schwartzwäldischen Tannen, unnd Goliatischen Weberbaum, zwey Maulthier sampt dem Sattel, für die lange weil damit umbzuspacieren inn der Stuben und Kammer: folgends noch zehen oder zwölff zu dem prangen, unnd siben zur Post: unnd legt solche Berckgenosse Cabellen alle zu sich schlaffen: daß war sein Stall für solche Ogiers Broifort, Rolands Bridelor, Renalds Baiard: Keysers Adrian Borysthenes, Keysers Veri Volucris, Phöbi Phlegon, Neptuni Scyphius (mag wol Noe Schiff sein, unnd hindersich, gelesen ein Fisch) deß Plutons Alastor (mag wol hindersich ein Roßstall sein) deß Achillis Balias, den Kyllarhengst deß Castor (mag wol hindersich heissen, der daß Roß stach) Dunckt euch aber daß wunderlich, ha, so dencket wie Ehrlich die Pferd etwann mit fürstmäsigen Ehrenseulen seind von den Agrigentinern begraben worden, wie der groß Alexander seinem Kuköpflin ein leichtend Liecht gehalten, auch Keyser Octavius unnd Hadrian ihren Gäulen gethan, unnd Keyser Commodus sein Pferd Prasin inn dem Vatican bestattet: wie solt sie einer dann nit inn sein Gemach stellen, wann sie wie dise Pferd kein Sträu bedörffen und keinen Mist machen. Ließ doch Keiser Caius Ligula Caligas, sein pferd Incitatum neben sich an der Tafel sein Futer auß eim Guldinen Beckin essen, unnd wie den Apuleischen Venusesel Wein drauß trincken: ja sein höchster schwur war, bei seins Leibhengst gesundheit. Ja er machts doch zu seim Mitpriester: unnd wolts letzlich gar zum Burgenmeyster machen, wie jener Rollfinck sein Pferd, seins trabs halben zu eim Paduanischen Doctor: Jedoch meinet Mögeintzer im Antimachiavell, es wer besser Incitatissimi Gaul weren Burgermeyster, Vögt, Pfleger unnd Amptleut, dann die Scheleratissimi. Ich nem des Goßlarischen Jungherrn Gaul Ramel darfür, der kont am Berg angebunden, also rammeln und stampffen, daß er mit den wolgescherfften Hufeisennegeln ein Goldader entblöset. Haha mit disem Pegaso halt ichs, der scharet uns kein Wasser herfür, sonder gelt zum Wein, das möcht den Poeten gut sein. Mir nit Königs[191] Henrichs Ronsardischen Gaul Haber, dan ich könt ihn nicht lang habern reychen, wann er mir Gomhoberisch das Aug außthurniert. Nur her Sant Märtens pferd, dz hielt König klug und weiß werd.

Der Herr Brotinsack von Bovincasiis unnd Vilmusis besucht ihn ein mal mit einer stattlichen Reuterei unnd grossem anhang von Hofgesind: Auff welchen tag eben der Hertzog von Franckrepas der Fürst zu Erquicklingen, sampt dem Graven von der Windmülen starck beleytet ankamen, Da war warlich das Losament zu eng für so viel Volcks, fürnemlich die Roßställ. Allda wolt der HofmeysterOngezogen, sampt dem Einfurirer Stampffort, des Herrn Brotinsack, seinem Ampt genug thun, lieffen herumb zusehen ob lehre Ställ vorhanden weren, da war niemand daheim: Letzlich fügten sie sich zu dem jungen Gargantomänlin, fragten ihn heimlich, wa die Stall für die grosse Pferd weren, gedachten an das Sprüchwort, Kinder, Weiber, trunckene und Narren, pflegen gern alle ding zuoffenbaren.

Da führt sie unser Gurgelmänlin gleich hinauf den grossen Schnecken, wie der Thurn zu Bononien unnd des Diodori Siculi Babilonischer bau, daran sich alle Nationen haben zu Narren verbubelt und gebauet, daran sie noch haben zukauen: da giengen sie durch den ersten und andern Saal auff einen langen Gang, von dannen in eine grosse Rundel, und als er sie noch andere Stegen hinauff führen wolt, sprach der Furirer Fortstampff zu dem Hofmeister Übelgezogen, Das Kind närret uns, dann allweil die Welt gestanden, hat man die Ställ nie zu oberst ins Hauß gebauet. Wie so? antwort der Hofmeister, Ich weiß doch wol ort, als zu Lyon, zu Bamette und Schenon, auch in Ungarn und Sibenbürgen, da nicht allein die Ställ am höchsten des Hauses sind, sonder auch die Keller: und diß haben sie die fromme Landsknecht gelehret, die nur gleich auff der Gart unten inn die Keller nach dem Wein stürmen: also haben ihnen die Bauren darnach die müh gemacht, daß sie Leytern suchen mußten, oder auff den Spiessen einander hinauff heben, dieweil die Stegen abgebrochen waren, auff daß sie den Wein auff dem Speicher suchten. Ich hab wol erfahren, daß man bei grossen anlauffenden gewässern, mußt den Wein auff der höchste Bünen[192] haspeln. Was sag ich vom Wein. Ja ich bin im Hundsfuttkrieg darbei gewesen, da ein Esel zu dem Fensterladen herauß sprunge, und also die Pferd, die ihn geschlagen hetten, verrhiet. Hat er sich aber nit wol gerochen? Was? stehn nit heilige Palmesel gemeynlich auff der Borkirchen, oder auff dem höchsten gewelb. Ich weiß daß ich ihn an etlichen orten hab gar ehrenwürdig zu dem obersten Kirchenthurn sehen herauß gucken. Ja stelt man nit die Kürispferd auf die Binen in die Rüstkammer? Deßgleichen wer weiß, was hie für Schlupffwinckel sind: ein jeder Vogel bauet sein Nest, wie es ihn dunckt auffs best: Man macht doch heut wol Ställ auß den Kirchen, unnd Kirchen auß den Ställen und Ballenspielen. Gleichwol mehrer sicherheit halben muß ich ihn fragen: Fragt demnach dz Gargantole, Mein jungs Mänlin, mein liebs Hodensecklin, wo führt man uns hin? zum Stall, sprach es, da meine grosse Gäul stehen: Nit zu den blinden Meusen. Wir sind gleich darbei, laßt uns nur die Staffeln hinauffsteigen.

Folgends führet er sie wider durch einen weiten Saal, und von dannen erst zu seiner Kammer, da that er das Thor auff und rufft, hie secht ihr die Ställ die ihr begert: Hie heißt es, schöne Meydlin und schöne Gäul find man zu Hauß, euch Esel laßt man wol drauß. Seh da meinen Plassen, meinen Rundtraber, mein Lerchle, mein Gromel, Blum, Essich, hotta Schimmele Schelmele, Breunlin, Scheck, meinen Trotter, mein Kutschenroß, mein Englischen Zelter, mein Irrländischen Hobner und Rennbock, so den König Henrich blind rennet, Sehe da meinen Küheschwantz, mein Muckenwadel, meinen Mutzen, Aha der kan stutzen. Nam demnach einen grossen Balcken, Ludedenselben den beiden Stallbeschaueren auff, unnd sprach, Secht da, ich schenck euch diesen Frisischen Hengst, Ich hab ihn erst neulich zu Franckfort lassen kauffen, aber er soll euer sein, es ist ein guts Rößlin, als klein es ist, so hart unnd arbeytsam ist es: Nempt dises Fläcklin auch mit untern Arm, es ist ein Ungarisch Roß, fornen dür unnd hinden mager, unnd ein halb Tutzend diser Spanischen und Neapolitanischen Pferd, deßgleichen dieser Türckischen Walachen zwen: Secht da ihr Rephüner König, nun seit ihr wol begabt, ich setz euch zu König der Rebenhünlein disen gantzen Winter.[193] bei Sant Johans übel, sagten sie, wir möge es sein oder nicht, jetz haben wir den Mönch im Sack, ja trei Wachteln im löcherigen Sack. Nicht ein meit, sprach Gargantole, dz gesteh ich nicht, er war drey tag hierinnen: O Bechfisel, Foß im häfelin, freß Treck im Schüsselin. Wie? schmackts euch ohn Schmaltz nicht, so schmatzt auch nicht? Nun rahten ihr zu, welchs disen zwen Hofstubenstänckern under den beyden stucken nötiger war, sich zuverkriechen, oder für die lang weil zulachen, daß sie sich beschissen. Nicht deß minder zogen inn disem Trab, meine schöne Stallstäuber ab, und schemeten sich, wie ein Pfeifer der den Dantz verterbt hat: da ruffet Gargantule ihnen nach, Trara, Trara, freßt die Feyg: secht, wie trägt der seinen Schelmen, wie ein Metziger die Kälber: Hei botz Lorentz Rost, nem den Caballen recht, trag ihn wie man die Juden henckt, den kopf undersich wie den Säuen, dann es ist ein geschlecht mit den under der Bütten. Nun nun ihr Mistschröter hört eins, daß euch der Plickarß reut, wolt ihr ein Albenschleyer? wz ist das? fragten sie. Das sind, antwort er, fünff Treck, euch zu eim Maulkorb. Das wer ein wüst Caschenes unnd ein selsamer Mundschleyer, sprach der Hoffmeyster, sechs treck im reiß, freß du die Fisch: Warlich man hat uns bezalt, wann man uns disen tag solt braten, würden wir bei dem Feuer nicht bald brennen, also hat man uns nach allem vortheyl, wie mich bedunckt, gespickt: Wir werden wol heut schön sein, also schön hat uns diß lustig Hertzenzümpelin außgezwagen: O Mänlin, Mänlin, du hast uns recht das Häu zwischen das Horn gelegt, du hast uns trocken außgeriben, Hey ich will noch erleben, das du Bapst würst. Ich mein auch also, sprach er, so solt ihr alsdann mein Rorpfäffelin und Capellelin werden, und diser Edel Papagei, soll also gar mit haut und haar werden ein Papelard, das ist auff Frantzösisch ein Heyligtumesel. Ey, ey, Botz leydiger leiden willen, sprach der Furirer, Sech zu, sech zu, der führt uns recht gehn Penckheim auff die Leffelschleiff. Aber sprach Gargantua, rahtet, wie viel hat mein Muter nadelspitzen an ihrem Hemd zerprochen eh sie es hat können außmachen? oder wie viel hat sie Guffen im Schleier stecken? Sechtzehen, sagt der Furirer, Nein, sprach Gargantua, du sagst kein Evangelium Johannis, dan sie empfinds hinden[194] und fornen. Wann dann? Fragt der Furirer. Als dann, antwort Gargantua, wann man auß deiner Nasen ein Leiter macht, daß man ein Faß vol Treck darauff inn Keller zihe, und dein Hals zum schlauch, zum Ablaß, da würden sich die Hüfen recht regen, als wann die Wirt mit der Ketten im Faß rumpeln, unnd die Drusen Judaßiagen. Ists nicht also du Kropffiger Bassist? Bei dem fligen Gott, sprach der Hoffmeister, wir haben unseren Flederwisch gefunden, der kan uns abkehren, seh: seh: Gesell: bist auch noch stäubig? Seh du Stall inspector, laß dir die hand beschauen, ist dir nicht inn die Hand geschissen? Ey wie zersperret sich das jung Hänlin wie ein Krott auff einer Hechel. Wolan Herr Schnackenscheisserle, er geb euch ein guten morgen, ihr seid warlich frisch munds, laßt ihn nur nicht vertrocknen. Ich will euch auff hinnacht eins drauff pringen. Nun wir scheiden mit wissen: Ja ihr habt euch wol beschissen, kompt Morgen, henckt mir die Thür an, vergesset der Nägel nit.

Giengen damit geschwind zu dem bogen des grossen Schneckens, und lisen den grossen Frisischen Hengst sampt den jungen Füllen, die er ihnn auffgeseilt, hinab rumpeln. Da ruffet Gargantua: Hei der Arswolfreuter, wie sind das Reutterkerles, wie ein Igel ein Arswisch? dieser schellig Schellhengst hett euch noch wol in nöten chenen mögen, und ihr stürtzt ihm seinen unschuldigen Speckhals also ab? Wann je gen Gemint solten zihen, wolten ihr lieber ein Gans reuten, oder ein Sau am Strick zum äcker führen? Ich wolt lieber sauffen, sprach der Furirer. Und mit disen worten kamen sie in den understen Sal, da die gantze Gesellschaft bei einander war, erzehleten da die Hofmännisch abfertigung, und lachten darmit, als ob sie ein Roßeisen gefunden hetten, daß sie einen solchen Hofleutwecker an diesem Höltzinen Reutter hetten angetroffen: so man sonst dem unstäten Mon, kein Kleid anmachen kan. Aber lieber Hofwetschger, mein, mach mir ein Hirtzengesäß von SchafFellen.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 190-195.
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