Das Drey und dreissigst Capitel.
Wie Ulrich Gallet zum König Bittergroll ward gesand, und unterwegen erwog der Regiment Stand.

[310] Sobald die Brieff angeben und geschriben gewesen, verschafft Grandbuchier daß Ulrich Gallet sein Secretari, ein weiser und bescheidener Mann, dessen tugend unnd rhat er inn mancherley und zweiffeligen sachen erfahren, zu dem Picrocholo ward abgefertiget, bei ihm, was im engen rhat beschlossen worden, einzubringen.

Er als ein verschmitzter Welt unnd Eißvogel, flick auff stück unnd tück, der etwann auff dem Eiß, wann der Rein übergefrorn, gemacht war worden, halb wüllen und halb härin wie des Juden Grama, und etwas beredter als die zur Hochzeit laden, bedacht sich auff Janisch hinden unnd fornen, auff daß ihn kein Storck am Kopff noch Schopff nirgend weißget, wie sich die Meidlin spiegelen: Er wag es auff und ab, gieng hin in gedancken wie ein Hund inn Flöhen, spintisirt wie die Muck die wand aufflauff, und redet wie ein Comedischer gesanter vom Himmel mit ihm selber. O wie gehts so übel zu, wa frevel die Trommen schlegt unnd hoffart das Fänlin tregt. Wie wer manchem so wol, wann ers wißt: aber wann der Fuchß einen schlaffenden Löwen an backen schmeißt, billich er ihm den Balck zerreißt: wann ein Schaf den Wolff will wecken, muß es auch das Fell darstrecken: Da heißt es, wer den Kopff bekompt, der schär den Bart: Unnd will man da Wecken einschlagen: so muß man warlich darauff schlagen. Aber wie gar ist kein freud ohn leid, es verlirt eh einer etwas beim dantz, Reyen und freuen pringt reuen, freuen am Morgen, pringt zu abend sorgen, die helle Morgenröt, pringt offt ein wüßt Abendröt: Und je höher je gäher, je höher je mehr dem fall näher, je höher, dest schwindelt eim eher: also sorg ich gar, des Picrocholi lust werd ihm noch zum unlust, sein steigen zum neigen, sein Obohe zum owe, sein jauchtzen zum ächtzen. Dann Risende Bören fallen gern inn die pfitz: Aber er thut erst seim namen Bittergall und Gallbitter genug wie Nabal: Es solt einer noch nicht wöllen Peter heissen, weil ihn die Sachssen Bitter nennen: gleich wie[311] jene Witfrau kein Andres mehr wolt, weil sie mit ihrn Endersköpffen offt über Petersköpff sein. Aber dise des Pickerocholts greulichkeit belangend hat er dieselb nur damit gelehrnet, daß er von jugend auff die arme Käßmaden also lebendig gefressen hat, meint also, er müß allzeit dahinden anfangen, weil am Krebs der schwantz dem kopff gleich ist: Gleich wie Keyser Caligula auch allein auß schlechtem anfang so greulich ward: nemlich, weil er von Säugammen saugt, welche die Wartzen von den Dütten pflegten zureissen, unnd weil er so gern Menschenblut von Tolchen lecket. Nun wolan, so fahr er an, der Ambos erschrickt nit vor dem Hammer: wer gern zuthun hat, dem gibt Gott zuschaffen, und, wie man sagt, dieweil die Weiber allzeit müssen klagen, darumb schickt ihnen Gott allzeit plagen, auf daß sie haben zusagen: Wer dir dz hauß abpricht, dem biet zutrincken, dann er hat müh. Es ist dannoch wunderlich, daß der ältst Philosophus Pythagoras, dessen Seel (wie er sagt) in mancherley Menschen unnd Thieren umbgewandert ist, pflegt zusagen, es sey ihm viel besser gewesen, da er ein Frosch, als da er ein König war: Gewißlich nur darumb, dieweil die Frösch nit im Mör, da es stets ungestüme gibt, wonen, sondern inn Seen, Pfützen, kleinen Bächlin und darzu nur am gestad, und nur gern inn dem Land, da fromme Leut sind, darumb sind sie nicht inn Engelland, darumb sind auch die Häuser glückhafft, darauff die Storcken nisten, dann sie tragen Frösch hinauff: und darumb ist der Storck fromm, dieweil er Frösch ißt: gleich wie der Rapp diebisch, weil er Diebsfleysch frißt: Und die Cartheuser dumme und stumme unfläter, weil sie eitel flegmatische Fisch fressen: Unnd die Pintzgäuer kröpffig, weil sie faul Wasser trincken: Und die Sachssenkerles Falbbärtig, weil sie Bier sauffen: Unnd die Frantzosen schwartzbärtig, weil sie gern starcken Wein leppern. Aber an Spanniern fehlets, die essen gern weiß Brot unnd küssen gern weisse Meidlein, und sind sie stiffelbraun und Pechschwartz wie König Balthasar mit seim Affen. Aber wider zu unserm Thoren unnd Morenkönig inn Moria, ein König ist wie die unrhu inn der ur, ja wie das Schiff auff dem Mör, das die Wind und Wellen jetz dahin, jetz dort hinauß stossen, darumb nannten die Alten Cimbrer unnd Triballer das Schiff ein schweiffend[312] Wetterhauß: Und darumb reimt ein Poet Ifgem in der Audientz des Keysers sehr wol. Daß man vil rauherer Wind, auff hohen Bergen als im Thal find, im hohen Mör gebs grösser Gewitter, als im Rein unnd stürtzt umb grösser Güter, wer viel versicht, denselben vil sorg anficht, wer grosses verricht, auch grosses pricht, wer viel besitzt, auch vil beschützt, wer höher unnd näher der Sonnen sitzt, auch meher schwitzt: was deiten viel Trabanten, als vil gefehrlichkeit vorhanden? was deiten vil Knecht, als vil gefecht? besoldete Freund, besorgte Feind, vil Volcks vil wachen, vil Rhät vil sachen? müssen andere beschützen, unnd selbs inn sorgen sitzen: Sorgen auff borgen, und borgen auff sorgen: sorgen wie die Hund, die bellen den Mon an, meinen er wöll ins Hauß steigen: Wie die Hasen mit sorgen schlaffen. Und die Esel mit sorgen sauffen, dann sie dörffen die Gosch nicht recht inns Wasser stossen, förchten sie netzen die Ohren, so lieb haben sie ihre schöne Ragörlin, wie die Katz ihr Jungfrautäplin: da hingegen ein Gaul das Gefräß hinein biß über die naßlöcher stoßt, das er das wasser wie ein Walfisch von sich blost. Ey ja Ohrentrager, versteckst wie der Strauß den Kopff, und entdeckst das loch. Ja wol, geraht wol pfeiffenholtz, ich pfeiff dir ja wol darzu, oder du wirst zum boltz. Warumb legst nicht auch, wie das Zaunschlupfferin, die klölin auff das häuptlin, das nicht der Himmel auff dich fall? Unnd stehst auff eim Fuß wie ein Kranch, das nicht die Erd beschwerst: und sauffst Wasser, dz nicht der Wein theur werd? Unnd fressest Erd, wie ein Krott, die sorgt die Erd werd ihr entgehn, unnd meint, sie hab die Erd im Sündflut in ihrem Bauch erhalten, unnd wölls noch thun. Ja wisch das Gesäß an die Hecken, daß nicht das Häu vertheurst? Und heb die füß wol an dich wie der Han, das kein Pferd im Stall trettest? Was frag ich nach den Vögeln, die mir über den kopff fliegen. Will das holtz nit zun Pfeiffen gerhaten, ich Pfeiff ihm dann wol, so will ich singen, so gerhats zum boltz. Es heißt, Sitz auff den arß, so tregt dir kein Mauß kein Stro drein. Aber Herrn sind Katzenart, streicht man sie glatt rucken ab, so recken sie den Schwantz, streicht man sie widerporstig hinauff, so Funckelen sie, Darumb schreibt gedachter Reimist recht, gute Rhät haben der Prophetin Cassandre[313] glück, deren der Apollo die gab verlih warzusagen, aber bey dem Volck nicht warzuglauben: darum wer (wie Euripides sagt) gut das Phoebus selber rhatet und warsaget, weil er nach niemand fraget: Grosen Herrn unnd schönen Frauen, soll man wol dienen und übel trauen, dann ihr beyder lieb hat Sonnenart, fällt so bald auff ein Kütreck als auff ein Rosenblatt. Ach ist diß nicht ein ehrlichs erbieten, werfft mich nicht zum Fenster auß, sondern die steg hinab. Ja lieber Hoffman, der einen heißt die steg hinauff tretten, der kan einen wider heissen hinab schmettern, ziecht man dich mit Haaren hinauff, so ziecht man dich mit den Beynen herab: Bist zur stubenthür hinein gangen, so fal zum fenster Laden wider hinauß: Sey nur frölich unnd lach nicht, fall die steg ein und rumpel nicht: Jedoch, empfangens auch die Herrn als dann, wie sie es außgeben: ruffen sie Hotta, so gehts Wust: da gibts dann beydes Et Cæsar & Nolo: doch bleibt er stäts das Haupt seiner Läuß etc.

Dises und noch meher bedacht unnd handelt unser abgesandter Höralt Herr Gallet mit ihm selber biß er für den Furt zu Vede kam, da erkündigt er bey dem Müller, was es für ein gestalt mit König Picrochol habe: der zeigt ihm an dz ihm desselbigen Volck weder Han noch Henn gelassen, und sich in Clermaltburg geschlagen hette: Unnd daß er ihm nicht rhaten wolt ferner fortzuziehen, vonwegen der Wacht, dann sie weren Teuflisch wild, fressen die Nuß unauffgeklopfft, und schissen die Kirsenstein gantz von ihnen. Welchem er leichtlich glauben gab, dann er kant den Han auff seiner Mist, unnd plieb derwegen übernacht bey dem Müller. Morgens frü fügt er sich zu dem Schloß, pließ unnd schwung die Trommet dreymal umb den kopff, ritt zu der halt: und begert mit dem König zuparlamentieren, Welchs als es dem König angesagt ward, ließ er ihn nicht in die Statt, sondern hieß ihn vor der Statt auff dem Bollwerck seinen warten. Da kam er unnd rüfft ihm, Was neues da sey? Was ist dein anligen? Wo scheißst her? Hierauff trug seine Sach der Legat für wie folget.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 310-314.
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»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

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