Viertes Kapitel

[12] »Es kann nicht fehlen!« – sagte ich – und eilte im Fluge auf die Wiese. Aber wo blieb mein Muth und meine Selbstgenügsamkeit als mir die Graziengestalt entgegen kam! – ich zitterte so heftig, daß ich genöthigt war, mich an einen Baum zu lehnen; und so, mit dem Huthe in der Hand, in der Stellung eines demüthig Bittenden, erwartete ich sie.

Was ich sagte? was man mir antwortete? in der That, ich weiß es nicht mehr. Ich fand mich mit einem Mahle unter der Linde, Marien gegenüber. Freilich ward mein Antrag verworfen, freilich ahnete ich den Schmerz, der meiner wartete: aber voll[12] seeliger Trunkenheit in Mariens Nähe, wie hätte eine unangenehme Empfindung die herrschende bey mir werden können! –

Aber jetzt stand Marie auf. »Du siehst sie nicht wieder« – dachte ich, und mein Rausch war verschwunden. – Mit dem äußersten Ungestüm, die Augen unverwandt auf Marien – als wollte ich sie damit festhalten – gerichtet, ergriff ich die Hand ihrer Begleiterinn.

»Wäre es möglich Madam« – sagte ich mit einem Tone der das Mittel zwischen Befehl und Bitte war – »wäre es möglich daß Sie mir Ihren künftigen Aufenthalt verbergen, daß sie mir die Erlaubniß, Sie wieder zu sehen, versagen könnten?«

»Sie vergessen mein Herr« – erwiederte sie mit Kälte, – »daß man Gründe haben kann, gewisse Dinge zu verschweigen.« –[13]

Jetzt hatte ich alle Fassung verloren. »Madam« – sagte ich; und trat ihr gerade in den Weg – »wenn sie einen Augenblick bedenken wollten.« –

»Was wäre hierbey weiter zu bedenken?« – antwortete sie empfindlich.

»Ach Madam!« – fuhr ich fort – »wenn Sie wüßten wie sehr.« –

»Ich weiß! ich weiß mein Herr!« – unterbrach sie mich mit einem Lächeln, das mir durch die Seele ging.

»Mein ganzes Schicksal!« – rief ich aus.

»Es wird spät mein Herr.« – sagte sie mit einer Verbeugung, nahm Marien bey der Hand, und da stand ich. – –[14]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 12-15.
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