Erstes Kapitel

[53] »Lassen Sie uns reisen! – sagte Heinrich, als wir eines Abends sterbens müde und abermahls vergeblich von unsern Streifereyen zurückkehrten – »lassen Sie uns reisen! hier finden wir sie doch nicht!«

»Du hast Recht!« – rief ich – reisen wollen wir! gleich über Hamburg nach England; da müssen wir sie finden!

Heinrich. Da gewiß am wenigsten.

[53] Ich. Warum?

Er. Weil sie England mehr vermeiden als suchen werden. Mehrere Aeußerungen der Mutter verriethen das.

Ich. Aber Engländerinnen waren sie; das ist gewiß.

Er. Nach ihrer Aussprache kam es mir selbst so vor. Das widerspricht aber meiner Vermuthung ganz und gar nicht. Glauben Sie mir, lassen Sie uns nach Berlin gehn.

Ich. Sollten sie da seyn? –

Er. Wer weiß! – überdem war es ja auch unser Plan über Berlin und Wien nach Italien zu reisen.

Ich. Ach Berlin, Wien, Italien, die ganze Welt ist mir zuwider, finde ich sie nicht; so ist mir das Leben eine Last.

Er. Fassen Sie Muth! es müßte ...

Ich. Muth! zu einem Leben ohne Liebe? –

[54] Er. Wer sagt das?

Ich. Ihr, Ihr Alle! mein steifer Herr Hofmeister dazu. – Gottlob daß ich ihn endlich einmal los bin! – ginge es nach Eurem Willen, so säße ich den ganzen Tag und schwitzte über großen Quartanten. Ach das ekelhafte Gewäsch von Pflicht! wie ist es mir doch in den Tod zuwider! Pflicht! Pflicht und nichts als Pflicht! – der Henker hole Eure Pflicht! – meine erste Pflicht ist mich glücklich zu machen! –

Er. Mögten Sie nur den rechten Weg dazu nicht verfehlen; wenn Sie doch einmal nicht mehr als glücklich seyn wollen.

»Nein bey Gott!« rief ich, mit einem bittern Lächeln – »mehr will ich nicht seyn! Und mein hochweiser Herr Professor, womit könnten Sie denn sonst noch[55] dienen? – was kann man denn mehr seyn als glücklich?« –

Er. Gut.

»Höre!« – sagte ich ärgerlich – »nur nicht wieder mit deinen Rasereyen! – mach Anstalt zur Reise! morgen will ich mit der Tante sprechen.«[56]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 53-57.
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