Vierzigster Brief
Olivier an Reinhold

[134] Ganz richtig! ich soll wieder Tausende zur Schlachtbank führen; weil es dem Herrn, weil es seiner allmächtigen Dame so beliebt. Meine braven Kerle lassen sich in Stücken hauen, ich stürze ihnen nach, wie ein Verrückter, und das alles wird, gegen eine Nation[134] die für Eigenthum und Freiheit kämpft, zu nichts dienen, als ein paar Lücken in den Zeitungen auszufüllen.

Sollte nicht eine Zeit kommen, wo die armen hungrigen 4 Groschen Helden, ihren an der Verdauung laborirenden Gebiethern die Waffen zu Füßen legen, und in Demuth anhalten würden: Höchstdieselben mögten, wenn irgend etwas zwischen Ihnen und Dero Herren Vettern auszumachen seyn sollte, die Gnade haben, solches mit eignen hohen Händen zu bestreiten. Besagte Helden wären indessen gesonnen das Feld zu bauen und auf diese Weise zu den Thronverzierungen das Ihrige beizutragen; wofern nur die Hasen[135] und Hirsche der Herren Gebiether nichts dawider einzuwenden hätten. – – Ja ich glaube, sie wird kommen diese Zeit. Die Herren Gebiether werden sie selbst herbeiführen und auf diese Weise für die Unverdaulichkeiten am besten Sorge tragen.

Welche Antwort ich aber gegeben habe? – Daß ich bereit sey den Augenblick zu gehen; sobald Fräulein S... mir ihre Hand zur Belohnung reichen wolle.

»Sonderbarer Einfall!« – riefen Ihro Majestät und beliebten dabey mit entsetzlichen Schritten das Zimmer zu messen. – »Ich glaube wahrhaftig, Sie haben mich zum Brautwerber ausersehen.«[136]

»Ich gestehe, daß unter allen Belohnungen«

»Mit welchen Sie mich bis jetzt immer zurückwiesen.«

»Ich wünschte Ew. Majestät von meiner uneigennützigen Anhänglichkeit zu überzeugen« –

»Und jetzt?« –

»Hat das Leben durch Julie von S... einen Werth für mich bekommen.«

»So! so! nun ich habe nichts dawider.«

»Was könnten Ew. Majestät dawider haben?«

»Wahrhaftig, Herr Obrister! Sie spielen heute eine sehr komische Rolle.«

»Ew. Majestät sind heute vielleicht sehr komisch gestimmt; und daher mag ich Ihnen[137] wohl so erscheinen. Sonst war das Komische eben nicht meine Sache.«

»Nun! so haben Sie Sich erst seit Kurzem darauf gelegt. Denn, gestehen Sie! es war doch sehr komisch, schon bey unsrer ersten Zusammenkunft Fräulein S... Ihre Braut zu nennen; und jetzt noch einer Vorsprache zu bedürfen.«

»Dieser Vorsprache würde ich nie bedurft haben, wenn Fräulein S... ihrem Herzen hätte folgen können.«

»Ach mein lieber Obrister! es ist eine gar eigene Sache um ein Frauenzimmerherz. – In unsern Jahren thut man sehr wohl, keine zu großen Ansprüche daran zu machen.« –[138]

Ich hatte etwas sehr Bitteres auf der Zunge; aber glücklicher oder unglücklicher Weise trat der Günstling herein.

»Adieu, lieber Olivier! – rief der König – In vier Wochen hoffe ich den Herrn General zu empfangen.«

Was ich nun thun will? – Zu Julie will ich gehen, und sie soll entscheiden.[139]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Die Honigmonathe, Band 1, Posen und Leipzig 1802, S. 134-140.
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