Erstes Capitel.

Ankunft.

[123] Wir kamen an, alles war neu für mich. Die Größe der Stadt, die hohen Häuser, das Getümmel der Straßen, das Gedränge der Menschen, das bunte Gemisch der mannichfaltigsten Gegenstände, alles versetzte mich in eine andere Welt. Wir stiegen bey einem Hauptmann ab, der über den Junker gewissermaßen die Aufsicht führen sollte. Unser Logis war in einer der lebhaftesten Straßen.

»Nun, Gustel!« – sagte der Junker nach einigen Tagen, als er zum ersten Male seine Uniform anhatte, die ihm zum Entzücken[123] stand – »Nicht wahr, das sieht anders aus? Nun sollen die Mädchen schon hinter dem Fenster lauschen!« –

»Ach!« – dachte ich – »wenn Sie nur wüßten, wie sie hier vor Ihnen stehn.« –

»Aber du mußt dir auch was Hübsches zulegen! So ein Kammerkätzchen, wie die Lorchen – Nicht wahr?« –

Ich schlug die Augen nieder, und sagte nichts. Mein armes Herz wurde von tausend Empfindungen zerrissen. Wie viel Besorgnisse! Wie viel Nebenbuhlerinnen! Er war zu schön, um unbemerkt zu bleiben, und wie hätte ich ihn fesseln können?

Er bemerkte meine Niedergeschlagenheit. – »Sey nur unbesorgt!« – sagte er – »Wenn der Schneider mit mir fertig ist, soll er auch bey dir anfangen.« – Und was dir sonst noch fehlt, das sage nur. – »Du weißt ja, daß ich dir gut bin!« –

[124] Daß ich dir gut bin! O mit welchem Entzücken faßte mein Herz die Worte auf! Ich vergaß alles um mich her; ich wiederholte mir's tausendmal heimlich für mich. Wie viel Ideen, Wünsche und Hoffnungen, in der buntesten Verwirrung! Wie viel weichmüthige, zärtliche und feurige Empfindungen in unaufhörlichem Wechsel! Ach, die Liebe öffnet das Herz für tausend Gefühle, aber nur Weiber sind ganz empfänglich dafür!

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 123-125.
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