Siebentes Capitel.

Mädchengedanken.

[143] »Ach Gott!« – rief ich aus – »so ist alles verloren!« – Ich vergaß, wen ich vorstellte, und dachte blos an mein Geschlecht. Meine Eifersucht machte mich wüthend, und ich hätte die Fräulein umbringen können.

Allmählig wurde ich wehmüthiger. Ich fing an, mich selbst zu beklagen, und meine Thränen erleichterten mich. – »Du bist ungerecht!« – sagte ich zu mir selbst. – »Was[143] kannst du fordern? Was kannst du erwarten? Bald machte ich den chimärischen Plan, mich zu entdecken.« – »Ich könnte meine Verkleidung behalten« – fuhr ich fort – »und dennoch seine Geliebte seyn!« – Eine Menge schwärmerischer Hoffnungen dämmerte nunmehr in meiner Seele auf. – »Er würde mich um so inniger lieben« – setzte ich hinzu. – »Seine Freundschaft bedürfte nur diese Entdeckung! Meine Reize würden ihn für alles entschädigen – Ich wollte mich ihm völlig hingeben – ich wäre gewiß, über die Fräulein zu triumphiren.« –

Aber kaum hatte ich diese süßen Träume bis ans Ende verfolgt, als mich die Furcht wieder zurückrief. – »Wie aber? wenn ihn dieses Geständniß erzürnte? Wenn dein Name, dein Schicksal auf einmal bekannt würde? Wenn du deine Ehre, deinen Ruf auf immer verlörest, oder dein Vater dich zurückforderte?[144] Wenn du dich auf ewig von deinem Geliebten trennen müßtest?« –

»Nein!« – fuhr ich fort – »lieber leiden, und nur bey ihm seyn. – Ich will meine Stelle behaupten, ich will ihn noch inniger an mich fesseln. – Ich werde sein beständiger Vertrauter seyn, ich werde seine Leidenschaften lenken können, wie es mir gut dünket – vielleicht – vielleicht.« –

Hier verlor ich mich in entfernte, ungewisse, unbestimmte Hoffnungen, die ein unerfahrnes Herz nur zu sehr täuschen. Ich fühlte mich ruhiger und standhafter; denn ich hatte mich im voraus überzeugt, daß die Fräulein wenigstens nicht schöner seyn könnte; und an diese Gewißheit knüpften sich alle meine Ideen an.

Die Grundlage aller weiblichen Empfindungen ist doch immer die Eitelkeit, und der Schmerz über eine Nebenbuhlerin wird minder[145] durch den Verlust des Geliebten, als durch das Gefühl erregt, sie vorgezogen zu sehen.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 143-146.
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