Kloster Chorin

Den Leib des Fürsten hüllt der Rauch

Von Ampeln und von Weihrauchschwelen

Und ringsum steigt ein Trauerchor

Und ein Tedeum steigt empor

Aus hundert und aus tausend Kehlen.


Unter den Töchtern Lehnins war Chorin die bedeutendste, ja, eine Zeitlang schien es, als ob das Tochterkloster den Vorrang über die mater gewinnen würde. Das war unter den letzten Askaniern. Diese machten Chorin zum Gegenstand ihrer besonderen Gunst und Gnade und beschenkten es nicht nur reich, sondern wählten es auch zu ihrer Begräbnisstätte. Unter den sieben Markgrafen, die hier zuletzt beigesetzt wurden, ist der letzte zugleich der hervorragendste: Markgraf Waldemar, gestorben 1319. Nach dem Erlöschen der Askanier trat Chorin wieder hinter Lehnin zurück.

Chorin erreicht man am bequemsten von der benachbarten Eisenbahnstation Chorin aus, die ziemlich halben Weges zwischen Eberswalde und Angermünde gelegen ist. Ein kurzer Spaziergang führt von der Station aus zum Kloster. Empfehlenswert aber ist es, in Eberswalde bereits die Eisenbahn zu verlassen und in einem offenen Wagen an Kapellen, Seen und Laubholz vorbei, über ein leicht gewelltes Terrain hin, den Rest des Weges zu machen. Dies Wellenterrain wird auch Ursache, daß Chorin, wenn es endlich vor unseren Blicken auftaucht, völlig wie eine Überraschung wirkt. Erst in dem Augenblicke, wo wir den letzten Höhenzug passiert haben, steigt der prächtige Bau, den die Hügelwand bis dahin deckte, aus der Erde auf und steht nun so frei, so bis zur Sohle sichtbar vor uns, wie eine korkgeschnitzte Kirche auf einer Tischplatte. Es kommt dies der architektonischen Wirkung, wie gleich hier hervorgehoben werden mag, sehr zustatten, weniger der malerischen, die für eine Ruine meist wichtiger ist als jene. Wir kommen am Schlusse unseres Aufsatzes auf diesen Punkt zurück.[85]

Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 11, München 1959–1975, S. 83-86.
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