8. Kapitel
Des Prinzen Friedrich Karl Orientreise im Winter 1882 auf 1883

[354] Anfang Dezember 1882 war wieder Gesellschaft in Dreilinden. Bei Tisch nahm der Prinz das Wort und sagte, sich an Brugsch wendend: »Wir werden reisen. Ich habe von Sr. Majestät den erforderlichen Urlaub erhalten. Ich rechne daher auf Ihre persönliche Teilnahme bei der Orientfahrt, die ich vorhabe.«

Allgemeine Überraschung.

Dann fuhr der Prinz fort: »Wir werden zunächst nach Ägypten gehen, um mit jenem alten Sergeanten aus der ersten Kaiserzeit sagen zu dürfen: ›Il faut avoir été en Egypte pour avoir vu quelque chose. J'ai vu de mes propres yeux des crocodiles et des serpents à sonettes, qui mangeaient des tambour-majors comme des cornichons.‹ Gehen wir also nach Ägypten. Ihnen aber, grimmer Basse (Brugsch), werde ich an Ort und Stelle gehörig auf den Zahn fühlen.«

Nach diesem Tage lebte der Prinz nur noch in Vorbereitungen zur Reise, die sich nicht nur auf Ägypten beschränken, sondern sich auch auf die Sinai-Halbinsel und ganz Syrien ausdehnen sollte. Reisegefährten waren: Brugsch-Pascha,50 Oberst Gneomar von Natzmer, Kommandeur des 28. Infanterieregiments zu Koblenz, Franz Xaver von Garnier, Major im Leib-Grenadierregiment in Frankfurt a. O. und Hauptmann Georg von Kalckstein, persönlicher Adjutant des Prinzen. Am 27. Dezember abends begann die Reise von der Friedrichstraße, Zentralbahnhof, aus.


1. Von Berlin bis Kairo

27. Dezember 1882. Abfahrt. Berlin, Friedrichstraße.

28. Dezember. Gegen Abend Ankunft in Wien.

28. zum 29. Dezember. Von Wien nach Triest.[354]

29. Dezember. Ankunft in Triest. Besuch von Schloß Miramare. Der Prinz war tief bewegt, als er vor das Bild Kaiser Maximilians von Mexiko trat und sagte: »Ich habe dich an Bazaine gerächt.«51 Am Nachmittag an Bord des österreichischen Lloyddampfers »Ettore«, Kapitän Kolombo.

30. Dezember. An Bord des »Ettore«. Plauderabend. Der Prinz erzählt kleine Geschichten aus dem Jahre 1870 und 1871. Einmal erhielt er von seiner jüngsten Tochter, der späteren Herzogin von Connaught (damals zehn Jahre alt), einen kurzen Brief. Derselbe lautete: »Lieber Papa. Ich habe so lange nichts von Dir gehört. Siege doch mal wieder.«

31. Dezember. Ankunft in Korfu. Der Prinz besucht den Platz der Esplanade samt der dem venezianischen Feldmarschall, Grafen von Schulenburg, um seiner siegreichen Verteidigung Korfus willen errichteten Statue. Weiterfahrt. Am Abend zwischen Ithaka und Kephalonia.

1. Januar 1883. An der Küste von Elis und Messenien. Der mit Schnee bedeckte Taygetos wird sichtbar. Der Prinz, nach einem in seinem Besitze befindlichen Gemälde, erkennt ihn zuerst.

2. Januar. Auf hoher See.

3. Januar. Alexandrien. »Wie aus Tragant gebaut« lag es da. Brugsch suchte nach der Nadel der Kleopatra. Sie fehlte. »Vergebens spähte mein Auge nach dem alten Wahrzeichen von Alexandrien. Die weltberühmte ›Nadel der Kleopatra‹ hatte ihre zweitausend Jahre behauptete Stelle verlassen, um in der neuen Welt, inmitten der Stadt New-York, als einsame Größe von dem Glanze längst entschwundener Zeiten zu träumen, nachdem ihrer im Schutt der alexandrinischen Erde begrabenen Schwester an den Ufern der Themse dasselbe Schicksal nicht erspart geblieben war.« Gegen Mittag ging man vor Anker. Am Nachmittage Besuch von Alexandrien. Rückkehr an Bord des »Ettore«.[355]


II. In Kairo

4. Januar. Der Prinz verläßt den »Ettore«. Acht pommersche Matrosen vom Kanonenboot »Cyklop«, Kapitän Kelch, rudern ihn an Land. In fünfstündiger Eisenbahnfahrt von Alexandrien nach Kairo. Der Generalkonsul des Deutschen Reiches Baron Saurma und der deutsche Konsul in Kairo von Treskow empfangen den Prinzen am Bahnhof. General Alison, Kommandierender der englischen Okkupationstruppen, ist gleichfalls zugegen. Quartier in Shepeards Hotel. (Besitzer deutsch.) Besuch der Basare. Rückkehr ins Hotel. Baron Saurma, ein leidenschaftlicher und erfahrener Jäger, erzählt von seinen Jagden im Niltale. Der Prinz beschließt, während seines dreitägigen Aufenthalts in Kairo, begleitet von Baron Saurma, Major von Garnier und Hauptmann von Kalckstein, Jagdausflüge in die Umgegend zu machen. (Geschah. Solche Jagdausflüge wiederholten sich auf der ganzen dreiwöchentlichen Nilfahrt und sei dabei gleich hier das Resultat derselben gegeben. Bis zum 30. Januar belief sich die gesamte Beute der ägyptischen Jagden des Prinzen auf 2 Wölfe, 8 Füchse, 32 Schakale, 4 Ichneumons und 4 Wildkatzen. Daß solch gutes Gesamtresultat zustande kam, verdankte der Prinz dem Umstande, daß fünf Teckel von der von Saurmaschen Teckelmeute die Reise nach Oberägypten mitmachten.)

5. Januar. Basare. Spaziergang in der Stadt.52 Am Nachmittag Empfang beim Khedive; der Prinz in der Uniform des ersten Leibhusarenregiments; seine Begleitung in der Uniform ihrer Regimenter. Eine halbe Stunde später erwiderte der Khedive den Besuch des Prinzen im Hotel.

6. Januar. Frühstück im Hotel. Professor Schweinfurth und Leutnant Wißmann (welcher letztere sich in Kairo, nach seiner Durchquerung Afrikas, für den Norden erst wieder akklimatisierte) nehmen als Gäste des Prinzen an diesem Frühstück teil. Wißmann erzählte dem Prinzen von seiner Reise »quer durch«. Besuch der Pyramiden von Gizeh und der Sphinx.[356] »Aus dem lebendigen Felsen gemeißelt, streckt sich der Löwenleib 180 Fuß lang über den Wüstensand dahin und das menschenähnliche Haupt erhebt sich 60 Fuß über dem Boden. Eine Nase von 5 Fuß und eine Mundspalte von 6 1/2 Fuß Länge können für die Verhältnisse der übrigen Körperteile dienen. Leider ist die Nase verstümmelt und im Sturm der Zeiten zu einer Negerplattnase geworden.«

7. Januar. Besuch des Museums von Bulak. »Wie das A auf B, so folgt regelrecht das Museum von Bulak auf die Pyramiden und die ›Häuser der Ewigkeit‹53 in der Wüste. Was den Wohnungen der Toten fehlt und nur die Phantasie zu ergänzen vermag, das enthüllen die Schätze des Museums in ungeahnter Auswahl und Verständlichkeit. Bulak, eine halbe Fahrstunde vom Hotel, ist eine ebenso schmutzige wie unansehnliche Vorstadt Kairos. Aus einem alten Kohlenschuppen erwuchs unter der Regierung Said-Paschas fast stückweise der heutige Bau des Museums. Der französische Archäolog, August Mariette, der bekannte Entdecker des Serapeums und der Apisgräber in der Wüste von Sakkarah, deren reiche Schätze sämtlich nach dem Louvre gewandert sind, ist der Begründer dieser weltberühmt gewordenen Sammlung ägyptischer Altertümer. 1881 starb Mariette; Maspero, ebenfalls ausgezeichneter Ägyptolog, folgte. (Seit Jahren gehört auch Emil Brugsch, jüngerer Bruder von Brugsch-Pascha, als Konservator dem Museum in Bulak an.) Maspero bereicherte das Museum durch die Königsmumien und Königssärge von Dêr-el-bahari (Theben, Oberägypten), Bereicherungen, die das Resultat aller bisherigen Ausgrabungen in den Schatten stellten. Diese Funde von Dêr-el-bahari bildeten, bei dem Besuche des Prinzen, den Schluß. Da standen vor unseren Füßen an vierzig Särge königlicher Personen. Auf den einbalsamierten Leichen lagen verwelkte Kränze, die während drei Jahrtausenden ihre Gestalt und ihre Farbe kaum verändert hatten. Der Begriff der Zeit verschwindet, und die Worte des alten ägyptischen Totenbuches gewinnen Macht über uns: ›Die endlose Zeit ist ein Tag und die Ewigkeit eine Nacht.‹ Der Sturm der Weltgeschichte hat in den zwischenliegenden Jahrtausenden die gewaltigsten Reiche zerstört, aber die Kränze auf diesen Königen haben den Sturm der Vernichtung überdauert. Schweigend[357] war der Prinz vor der Mumie seines Lieblingshelden in der Geschichte der Ägypter, des Königs Sesostris, stehengeblieben, den die Denkmäler unter dem Namen Ramses II. kennen und preisen. Er ist der Zeitgenosse Moses, denn seine Tochter war es, die das Moseskind aus dem Schilfdickicht aufnahm. Einst durchhallte sein Ruhm die ganze Welt. Seine Taten verherrlichen die Wände der Tempel an den Ufern des Nils. Und nun ruht hier sein sterblicher Leib vor unsern Augen und wir lesen seinen wohlbekannten Namen in hieroglyphischen Schriftzügen auf dem Deckel seines Sargkastens. Neben ihm liegt sein großer Vorfahre Thutmes III. Mumie reiht sich an Mumie, bis die des Königs Pinotems II. aufs neue unsere Aufmerksamkeit fesselt.«

Pinotem II. war der Schwiegervater des weisen Salomo. »Nur die Erinnerung ist das wahre Leben.«


III. Nilfahrt von Kairo bis zum 1. Katarakt und wieder zurück

8. Januar. Am 8. mittags bestieg der Prinz seine »Dahabieh«, ein großes Nilboot, das von einem vizeköniglichen Schleppdampfschiff stroman geführt wurde. Man ging im Flußhafen von Memphis vor Anker.

9. Januar. Bis zum Orte Eschment.

10. Januar. Bis zum Dorfe El Fent.

11. Januar. Bis Minieh. (Schon Oberägypten.)

12. Januar. Bis Beni Hassan.

13. Januar. In neunzehnstündiger Fahrt (von fünf Uhr früh bis zwölf Uhr nachts) nach Siût.

14. Januar. Bis Mittag in Siût. Dann von Siût bis Nechêla.

15. Januar. In langer Fahrt (bis elf Uhr abends) bis Sohag. »An diesem Orte mühte sich der junge Kopte Bedir, ein Sohn des unsichtbar bleibenden greisen Konsularagenten, dem Prinzen die Huldigungen einer der ärmlichsten und erbärmlichsten Städte Oberägyptens in angemessener Weise darzubringen. Es gab warmen Champagner und drei Tänzerinnen, in Begleitung ihrer musikalischen Helfershelfer, erschienen und setzten ihre Füße auf den Teppich. Kaum aber hatte der Tanz begonnen, als plötzlich eine unglaublich vornehme Erscheinung den Vorhang lüftete und langsamen Schrittes in den Saal eintrat. Eine hohe geisterhafte Frauengestalt mit den edlen Zügen einer Tochter Ramses II., in eng anliegendem schwarzen Samtkleide, dessen Ränder mit schmalen goldenen Borden[358] besetzt waren, die Brust mit breitem Halsbande aus goldenen Münzen bedeckt, auf dem Kopf eine Haube mit dicht aneinander gereihten Goldstücken, so trat das olivenblasse Weib mit ihrem würdevollen Gange und den sittig niedergeschlagenen Augen, wie ein zum Leben erwecktes Bild aus dem Rahmen einer bunten Grabeswand. Der Eindruck des unerwarteten Anblicks war so groß, daß die Zuschauer in das höchste Erstaunen ausbrachen, denn das leibhaftige Gespenst einer altägyptischen Königstochter wankte in langsamen Schritten ihnen immer näher. Der Sohn des Konsuls kannte sie genauer und erzählte, daß ihr Vater ein Türke, ihre Mutter eine Araberin gewesen sei und daß die Leute sie ›Aelfieh‹ nannten, weil man bei ihrem Anblick in das Wort ›Aelf marschallah‹ ausbrach, das heißt ›Ei, der Tausend‹. Die Aufforderung, anderen Tages dem Major von Garnier zu einem Bilde zu sitzen, wies sie zurück, weil ihr einziges Kind schwer erkrankt sei.«

16. Januar. Bis Farshut.

17. Januar. Bis Kenneh und Denderah. »Denderah (griechisch Tentyra) ist berühmt durch seinen Tempel, in welchem, von den Tagen des Königs Chufu-Cheops an, die Tentyriten der ägyptischen Aphrodite, unter ihrem Namen Hathor, göttliche Verehrung bezeugten und sie anriefen als ›die Große im Himmel, die Mächtige auf Erden und die Gefürchtete in der Tiefe‹. Von dem ihr geheiligten Tiere, der Hathorkuh, wissen noch heute die Anwohner zu erzählen, denn der Tempel von Denderah sei auf dem Rücken einer Kuh gebaut und in nächtiger Stunde zeige sich bisweilen die langgehörnte Tiergestalt vor dem Tempel. Der Prinz durchwanderte die Säle, Hallen, Krypten und Gänge des Tempels bis zum Dache hinauf und gewann zum ersten Mal, durch Anschauung, die richtige Vorstellung über die Anlage eines altägyptischen Tempels.«

18. Januar. Früher Aufbruch von Kenneh. Um vier Uhr nachmittags vor Anker in Theben. »Theben und seine Glanzzeit ist wie vom Boden der Erde weggefegt, und nur die riesigen Tempelbauten, welche zerstreut über einen Umfang von etwa drei deutschen Meilen liegen, bezeichnen gegenwärtig die Mittelpunkte der einzelnen Quartiere. Man unterscheidet jetzt, als Hauptsache, Karnak und Luxor, letzteres etwas südlich von Karnak. Luxor hat zwei Hotels und etwas vom Ansehen eines europäischen Badeortes. Sein Glanzpunkt ist ein weltberühmter Ammontempel. Wie die Schwalben haben[359] die modernen Thebaner den schwarzen Nilschlamm an die festen steinernen Wände des Heiligtums geklebt und sich Wohnräume geschaffen, denen die Bildwerke und hieroglyphischen Inschriften der Vorzeit den sonderbarsten dekorativen Schmuck verleihen.«

Überhaupt: »Nilschlamm und Schmutz sind das Glück des Fellachen, der diese Hütten in den Tempeln und Nekropolen von Theben bewohnt.«

Und nach diesen einleitenden Worten fährt Brugsch fort:

»Für die Nachkommen der alten Ägypter, wie immer auch Sprache und Glaube sie schließlich geschieden haben mag, ist in unserer vorgeschrittenen Epoche (in der die Seife eine so bedeutungsvolle Rolle spielt) nur der Schmutz als die allgemeine Signatur kleben geblieben. Neben ihren Fellachengenossen im oberen und unteren Niltal erscheinen die Thebaner zur Freude der fahrenden Künstler als die wandelnden Träger jener gepriesenen Patina, die der Antike einen so hohen Wert verschafft und hier in Theben – diesem verkörperten Begriff des Altertums – den Bewohnern einen ganz eigentümlichen, beinahe erblichen Reiz verleiht. ›Wenn Ihr feinen Franken (so denken sie) diese nie gewaschenen und nie gereinigten Denkmäler unserer Vorfahren mit so viel Wohlgefallen betrachtet, warum sollen wir, die Kinder der Erbauer jener Werke, anders aussehen, warum uns mit aller Gewalt in eine falsche Richtung hineindrängen?‹ In Dorf und Stadt, wo immer sich die Wege öffnen und Kamele, Pferde, Esel die Straße durchziehen, ist es die vornehmste Aufgabe der Töchter des Landes, mit geschäftiger Emsigkeit die ›Gilleh‹ (Mistfladen) zu sammeln und in gefüllten Körben auf dem Kopfe nach Hause zu tragen, wo nun, nach der Analogie von Torf, das Formen und Trocknen in der Sonne beginnt. Die Gillehscheiben wandern dann schließlich in die Wohnung, um hier als schwelende Feuerung und zugleich als Heizung für den Backofen zu dienen. Auch das Brot schmeckt deshalb danach. Die Gilleh ist und wird für alle Zeiten hin das spezifische Räucherwerk des Ägypters bleiben und sein Wohlgeruch unzertrennlich vom Dasein des letzten Fellachen sein, der noch heute Lampenöl als eine Delikatesse betrachtet und neben seinem Esel das grüne Gras auf dem Felde mit gierig schlingendem Munde abweidet.«

Dem Besuche des Ammontempels in Luxor folgte der Besuch von Karnak. Ein Eselsritt von zwanzig Minuten. Ganz in der[360] Nähe von Karnak läßt eine Reihe liegender Steinwidder die Spuren der langen Sphinxallee erkennen, welche einst Luxor mit Karnak verband und in nördlicher Richtung nach dem Heiligtum des Ammonsohnes: Chonsu, führte. Der Weg zum Tempel ist nicht zu fehlen. Der Prinz ritt von der Westseite her in den großen Vorhof ein, begrüßt von dem marmornen Standbilde König Sesostris, der wie eine Rolandssäule Wache hält. Die heutige Länge des Tempels von Westen nach Osten beträgt 365 Meter, 113 seine Breite. Das ist die vierfache Länge des Königlichen Schlosses in Berlin. Der weltberühmte Saal hinter der Eingangspforte ist groß genug, die Gesamtanlage von Notre Dame in Paris bequem in sich aufzunehmen. Dies Wunder von Karnak hat eine Länge von 102 Metern und eine Breite von 51 Metern. Einhundertundfünfzig Säulen trugen einst die Decke, die sich, im Mittelgange, 23 Meter über den Fußboden erhob. Zwölf Säulen, zu beiden Seiten des Mitteleinganges, haben einen Umfang von 10 Metern (Durchmesser ungefähr 11 Fuß). Mit einer einzigen Ausnahme stehen alle Säulen wie vor dreiunddreißig Jahrhunderten kerzengerade da.

19. Januar. An diesem Tage besuchte der Prinz die Westseite von Theben (an der linken Seite des Nil), die »Nekropolis« und die beiden Steinriesen, sitzende Königsbilder, eines davon das Bildnis Amenhoteps oder Amenophis III., desselben, der den Ammontempel in Luxor errichtete. Dieses Bildnis, von dem sich während eines Erdbebens im Jahre 27 vor Christo Kopf und Oberteile loslösten, ist die berühmte Memnonssäule.

Am Abend des 19. Januars (der Abschied von Theben, um weiter flußaufwärts zu gehen, stand für den nächsten Tag bevor) wurde durch Konsul Tudrus und seinen Sohn ein Feuerwerk abgebrannt. Aber dabei blieb es nicht. Noch eine andere Aufmerksamkeit stand bevor. Brugsch schreibt: »Eben war alles dunkel geworden, als ich bemerkte, daß vom Dorf her Männer herankamen und auf unser Boot zuschritten. Auf meinen Anruf ›wer da‹ erhielt ich Antwort ›still‹. Es waren Tudrus und sein Sohn, samt einem Knecht, die, so schien es, eine tief in Leinen gehüllte vierte Person führten und mühsam mit aufs Schiff schleppten. Dann legten sie, nach vorgängiger Verständigung, diese vierte Person auf einen zur Seite stehenden Divan nieder. Als Tudrus, samt Sohn und Knecht wieder fort waren, trat ich an die vierte Person heran und entfernte[361] beim matten Schein der Schiffslaterne die Nadeln, die die kleineren Hüllen um Kopf und Hals zusammenhielten. Ein kleines, rundes, liebliches Mädchengesicht von weißestem Teint und mit schwarzem Augenpaar, den Hals mit einem weißen Kollier geschmückt, lächelte mich spukhaft an. Ihr Alter zu bestimmen, war mir unmöglich. Annähernd schätzte ich es mit Kennerblick auf 2400–2700 Jahre. Es war eine thebanische Priesterin des Ammon aus vornehmem Geschlecht. Der wohl einbalsamierte Leib lag in einem buntbemalten Karton. Tudrus hatte das Mädchen von irgendeinem fellachischen Schatzgräber in der Nähe der Memnonien erstanden und sich die Freude vorbehalten, dem Prinzen in nächtlicher Stunde die junge Thebanerin als Geschenk zu übergeben. Von ihrem späteren Schicksal in Dreilinden berichte ich am Schluß.«

20. Januar. Von Theben nach Bellessieh.

21. Januar. Besonders stiller Tag. Als man an einsamster Stelle war, wurde man durch eine Bootsbegegnung überrascht. Flußabwärts schwamm eine Dahabieh heran, auf der sich zwei junge württembergische Offiziere befanden. Ein Zufall wollte es, daß der Prinz vier Wochen später, auf dem Wege von Jaffa nach Jerusalem, abermals eine Begegnung mit Württembergern hatte, und zwar mit »württembergischen Templern«. Wir kamen nachmittags bis Ombos, das schon im Altertum wegen seiner vieler Krokodile berühmt war. Aber kein Krokodil war auf den Sandbänken zu sehen. »Wo sind sie?« fragte der Prinz. »Sie sind nur im Sommer da«, erwiderte ein Alter, »jetzt würden sie sich erkälten«.

22. Januar. Von Ombos nach dem Dorfe Edfu und von diesem aus, an der Insel Elephantine vorüber bis zur Stadt Assuan, im Altertum Syene (daher Syenit). Hier beginnt die Granitregion Ägyptens; der Nil bildet Fälle. Dicht hinter Assuan ist der erste Katarakt.

22. zum 23. Januar. In der Nacht vom 22. zum 23. Januar traf von Kairo telegraphisch die Meldung von dem am 21. Januar erfolgten Tode des alten Prinzen Karl ein. Prinz Friedrich Karl war sofort zur Rückkehr nach Berlin entschlossen, bis ein zweites Telegramm ihn bestimmte, davon Abstand zu nehmen und die Reise nach dem ursprünglichen Programm fortzusetzen. Dies zweite Telegramm rührte von Kaiser Wilhelm her und sprach aus, »daß er zur Beisetzung doch zu spät kommen würde.«

23. Januar. Der Prinz bleibt am 23. Januar noch in Assuan[362] und Umgebung. Ein Ausflug nach der Katarakteninsel Philä wird unternommen. Besichtigung des Tempels. Nach der Rückkehr von diesem Ausflug erfolgt die Rückreise nach Kairo.

23 bis 30. Januar. Rückreise von Assuan und dem ersten Katarakt bis nach Bedresheïn, eine halbe Tagereise von Kairo. »Am 30. Januar abends wurde Bedresheïn erreicht; die Schiffe legten vor Kleinmemphis an. Im Hintergrunde, nach Westen zu, leuchteten die Pyramiden von Sakkarah im Schein der untergehenden Sonne.«

31. Januar. Am 31. Januar früh brach der Prinz auf, um von Bedresheïn aus die Pyramiden von Sakkarah zu besuchen. Emil Brugsch hatte sich, von Bulak her, eingefunden, um auf diesem Terrain, das er vorzüglich kannte, die Führung zu übernehmen. Nach Norden hin, während man den Marsch antrat, wurden die Pyramiden von Gizeh (bei Kairo) sichtbar. Das Dorf Sakkarah liegt dicht am Fuße des langgestreckten Wüstenplateaus, auf welchem die Grabpyramiden der längst verschollenen Könige von Memphis, in gruppenweiser Anordnung, ihre Posten als Marksteine der Weltgeschichte einnehmen. Der Aufstieg führt an dem aus Nilziegeln aufgeführten Hause Mariettes vorüber, das derselbe während seines langjährigen Wüstenlebens bewohnte und von dem aus er seine Ausgrabungen leitete.

Der Besuch der unterirdischen Apisgrüfte mit ihren ausgedehnten Bogengängen und Nischen erfüllt mit großem Staunen für das, was die Ägypter auch als Bergleute zu leisten imstande waren. In den vierundsechzig Gewölben zu beiden Seiten der Gänge ruhten einst die einbalsamierten und mit reichem Schmuck versehenen Leiber der Apisstiere in roten (und dunklen) Granitsärgen, deren Größe jeder Beschreibung spottet. Vierundzwanzig derselben stehen noch an der alten Stelle, und eine Holztreppe gewährt den Zugang in die Höhlung jedes einzelnen Steinsarges. Im Durchschnitt 12 Fuß lang, 7 Fuß breit und 10 Fuß hoch, beziffert sich das Gewicht jedes einzelnen auf 13000 Zentner. In welcher Weise und mit welchen Mitteln die Ägypter jene ungeheuersten aller Sarkophage vom Nil an bis zu den Grüften transportiert haben mögen, bleibt ein ungelöstes Rätsel.

Die Besichtigung einer der neugeöffneten Pyramiden bildete den Abschluß der Wanderung auf der einsamen Nekrepolis von Sakkarah. »Mein Bruder (so schreibt Brugsch) hatte[363] dazu die Pyramide des Königs Unas-Onnos, des letzten Herrschers der fünften Dynastie, gewählt und die Gänge und Räume in dem hohlen Kerne des mächtigen Baues auf das Säuberlichste von Schutt und Steingeröll reinigen lassen. Das Einsteigen in den schrägen Gang, der nach der eigentlichen Totenkammer mit dem leeren Sarkophage des Königs führt, bot nicht die geringste Schwierigkeit, und der Anblick der mit endlosen Hieroglyphenstreifen bedeckten Wände hielt reichlich schadlos für die kleine Mühe der Einfahrt in die pyramidale Unterwelt.«

Bald danach war man in Bedrehseïn zurück und erreichte Kairo zu guter Stunde.

Mit einem »Gott sei Dank« verließen die Orientfahrer das Nilboot, auf dem sie dreiundzwanzig Tage zugebracht hatten. »Namentlich der Prinz atmete auf, als sein Fuß die Ufererde wieder berührte, denn der oft über ganze Tage hin ausgedehnte Mangel an Tätigkeit und Beschäftigung hatte ihm schließlich die gute Laune von Grund aus verdorben. Niemand weiß den Wert der Zeit besser zu schätzen als er, und die lange Trödelei auf dem heiligen Strome war alles andere eher gewesen, als eine angemessene Verwertung der Zeit. Ein Glück, daß gelegentliche Jagdpartien am Ufer die Langweil der Fahrt unterbrachen.«


IV. Über den Sinai

1. und 2. Februar. Aufenthalt im Hotel Shepeard in Kairo. Der Herzog von Sutherland war Mitbewohner des Hotels. Lord Napier of Magdala wurde erwartet.

3. Februar. Aufbruch nach der Sinai-Halbinsel. Achtstündige Eisenbahnfahrt von Kairo über Ismaila nach Suez. Ankunft acht Uhr abends. Hier wartete schon das mittlerweile von Alexandrien nach Suez dirigierte, dem Prinzen für seinen Aufenthalt im Orient zur Verfügung gestellte Kanonenboot »Cyklop«, Kapitänleutnant Kelch, und nahm den Prinzen und seine Begleitung an Bord.

4. Februar. Aufbruch nach dem Hafenort Tôr am Fuße des freilich erst in drei Tagereisen zu erreichenden Sinaiklosters.

5. Februar. Hier, in Tôr, fand man auch die von Suez her auf dem Landwege vorausgeschickten Kamele, die bestimmt waren, den Prinzen und seine Begleitung erst auf den Sinai hinauf und dann, von seiner Höhe herab, nach Suez (nicht[364] nach Tôr) zurückzutragen. Ausflug nach dem »Mosesbade«. Schlechte Nacht; durch Ratten und Glockengebimmel gestört.

6. Februar. Aufbruch auf vierzig Kamelen und in Begleitung befreundeter Beduinen. Beschwerden des Kamelritts. Um fünf Uhr beginnt die Steigung und das Wadi Hebrân öffnet sein Felsentor.

7. Februar. Fortsetzung des Aufstiegs.

8. Februar. Desgleichen. Nach Passierung eines Felsentors Eintritt in eine von mächtigen Gebirgszügen eingefaßte Hochebene. Im Hintergrunde der Sinai. Gegen Abend wird das Sinaikloster erreicht. Erst in die Kapelle, dann Bewirtung im Zimmer des Archimandriten.

9. Februar. Der Prinz bleibt einen Tag im Kloster, um in der Umgegend desselben nach dem sinaitischen Steinbock zu jagen. Leider erfolglos. Bei der Rückkehr von der Jagd wird ihm das Sinai-Fremdenbuch vorgelegt, in das er seinen Namen einschreibt. Der Name vor ihm war: Edward Henry Palmer.

Edward Henry Palmer, geb. 1840 zu Cambridge, ausgezeichneter Orientalist, nahm 1868 und 1869 teil an der zur Erforschung des Sinaigebietes entsendeten englischen Expedition Bald nach seiner Rückkehr nach England wurde er an der Cambridger Universität zum Professor des Arabischen ernannt. 1882 übernahm er im Auftrage der englischen Regierung eine geheime Mission in die Wüste östlich vom Suezkanal, mit dem Zwecke, die dort hausenden Beduinenstämme bei dem bevorstehenden Kriege in Ägypten (gegen Arabi-Bey) für England zu gewinnen. Seine Bemühungen wurden auch anfangs von Erfolg gekrönt, bis er einer Anzahl Beduinen, die zu den Anhängern Arabi-Bey's gehörten, in die Hände fiel. Diese schleppten ihn und seine zwei Begleiter in die Felsschlucht am Gebel Bischr und forderten hier alle Drei auf, sich von der Höhe des Felsens in die Schlucht zu stürzen. Palmer und einer seiner englischen Gefährten gehorchten, der andere zog es vor, sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Dies Ereignis lag erst um drei Monate zurück und die Sinaireise des Prinzen war deshalb als gefahrvoll angesehen und von verschiedenen Seiten her abgeraten worden.

10. Februar. Abstieg vom Sinai.

11. Februar. Desgleichen. Um 5 Uhr wird das Lager angesichts des »Serbâl« aufgeschlagen, in dem einige Forscher den biblischen Sinai vermuten. Beim Lagerfeuer beginnt man aus[365] der Bibel vorzulesen und zwar die Stelle, wo der diesen Teil des Sinai berührende Zug der Juden beschrieben wird.

12. Februar. Der Abstieg wird fortgesetzt. Man passiert das Wadi Maghârah. An den Felswänden Bilder und Inschriften;54 die ältesten aus der Zeit der dritten Dynastie.

»Diese Inschriften sind von großer geschichtlicher Bedeutung; sie zeigen uns die ältesten Könige der ägyptischen Geschichte: Senofru (3. Dynastie), Cheops, Erbauer der großen Pyramide von Gizeh (4. Dynastie) und nach ihnen die Pharaonen der 5. und 6. Dynastie bis auf den langlebigen König Pepi I. als Überwinder der ältesten Bewohner der Sinai-Halbinsel«.

13. Februar. Weiterer Abstieg. Der »Paß der Schwertspitze« wird passiert. Zuletzt ein Felsentor und das Meer liegt zu Füßen. Am 13. abends wird das Meer erreicht.

14. Februar. Erst Marsch am Meer. Dann, landeinwärts biegend, durch Wüsteneien auf Suez zu.

15. und 16. Februar. Weitermarsch im Flachland. Am 16. wird Suez erreicht. Hier schließt sich der inzwischen von Berlin aus mit Briefen und Meldungen eingetroffene Rittmeister Baron Maltzahn, erster Adjutant des Prinzen, dem Reisezuge an. Der Prinz geht an Bord des »Cyklop«.

17. Februar. Fahrt auf dem Suezkanal von Suez nach Ismaila und Port Saïd.

18. Februar. Fahrt von Port Saïd nach Jaffa.

19. Februar. Fortsetzung der Fahrt. Um vier Uhr Ankunft auf der Reede von Jaffa. Zwei höhere türkische Offiziere, Adjutanten des Großherrn von Stambul, Oberst Achmed Bey und Major Ismael Bey, stellen sich dem Prinzen vor und sprechen ihm in geläufigstem Französisch die Bitte des Großherrn aus, »daß er (der Prinz) geruhen wolle, die Gastfreundschaft Sr. Majestät, während seines Aufenthaltes auf dem Gebiete des türkischen Reiches, huldvollst anzunehmen. Alles[366] stände zum sofortigen Aufbruch nach Jerusalem bereit und S. K. H. habe nur die Befehle zu geben.«55

Die Weiterreise von Jaffa nach Jerusalem erfolgt zu Wagen, in Begleitung türkischer Leibgendarmerie. Unterwegs sieht sich der Prinz von einer Gruppe Reiter überholt, die sich ihm als württembergische Templer, ansässig in Palästina, vorstellen und um die Ehre bitten, ihm auch ihrerseits bis Jerusalem das Geleit geben zu dürfen. Der Prinz lehnt es aber dankend ab, unter Hinweis auf seine türkische Begleitung.

20. Februar. Der Prinz trifft vor Jerusalem ein.


V. Im heiligen Lande

20. Februar. Der Prinz hält durch das Tor von Jaffa seinen Einzug in Jerusalem. Über seiner Uniform trägt er den Johannitermantel. Bald aber steigt er vom Pferde, um den[367] Weg zur Grabkirche zu Fuß zu machen. Die Geistlichkeit empfängt ihn am Portal. »Das Gotteshaus war durch Hunderte von Glaslampen erleuchtet, deren höchster Glanz sich auf die reichgeschmückte Stätte des Heiligen Grabes ergoß.« Rückkehr in das mittlerweile vor dem Tor von Damaskus aufgeschlagene Zeltenlager.

21. Februar. Der Prinz und seine Begleiter empfangen das heilige Abendmahl in der Kapelle des »Muristän«, dem alten Wohngebäude der »Ritter vom Spital« (Johanniter).

22. Februar. Aufbruch von Jerusalem. Um neun Uhr früh saß der Prinz im Sattel. Zu guter Stunde wird Bethlehem erreicht, dessen Häuser »steinernen Burgen und Kastellen« gleichen. Besuch der »Marienkirche«; darauf, unter Führung des griechischen Bischofs Antimos, Besuch der Felsgrotte, der Geburtskapelle und der Krippe des Heilands. Nachtquartier draußen im Lager.

23. Februar. Aufbruch. Frühstück am Toten Meer. Das Menü lag in Golddruck auf der Tafel des Prinzen und hatte die Aufschrift: »A la Mer Morte, le 23 Fevrier 1883. Campement de S. A. R. le Prinz Frédéric-Charles de Prusse«. Vom Toten Meer nach Jericho. Auf den Trümmern des alten Jericho wird das Lager aufgeschlagen.

24. Februar. Fortsetzung der Reise bis zum Dorf Abd-el-Kader. Lager.

25 Februar. Aufbruch zu früher Stunde. Erste Rast am »Jakobsbrunnen«. Dann bis zur Stadt Nabulus, dem alten Sichem der Bibel. »Nabulus ist bekannt durch seine Seifenfabrikation; trotz dieser herrscht in dem alt-biblischen Ort ein unglaublicher Schmutz.«

26. Februar. Weitermarsch gen Norden. Samaria wird passiert. Lager bei Djenin. Vom Regen aufgeweichter Boden; eine entsetzliche Schmutzlache. Nur der Prinz bleibt heiter und guter Dinge.

27. Februar. Mittagsrast in Sulem. Passierung der großen Ebene von Esdrelon. Dann bergauf. Als der Zug wieder niederstieg, wurde Nazareth sichtbar. Bald danach ging ein Wolkenbruch nieder. »Gott sei Dank, das Pilgerhaus des lateinischen Klosters, die sogenannte Casa nuova foresteria ist in Sicht und die Torhalle empfängt die triefenden Reisenden. Dienstfertige Klosterbrüder in brauner Mönchskutte tummeln sich in geschäftiger Hast, um den Prinzen und seine Begleiter in die kleinen, aber wohnlichen und sauberen Gemächer zu[368] führen. Ein orientalisches Mangal, ein mächtiges blankes Kupferbecken voll glimmender Holzkohlen, verbreitet eine wohltuende Wärme im Zimmer des Prinzen, der seine Getreuen zu sich beruft, um die verklammten Glieder zu durchwärmen. Schwieriger war es die durchweichten Kleider und Mäntel wieder auszutrocknen, aber der freundliche Grobschmied in der Nähe der Casa belud sich mit dieser Sorge und die Esse sprühte Feuer und Funken, um die eingesogene Feuchtigkeit aus den dampfenden Stoffen und Kleidern herauszutreiben. Das böse Wetter setzte sein Wüten fort, aber die Nacht in Nazareth im warmen trockenen Himmelbett, wird unvergeßlich bleiben.«

28. Februar. Wieder Regen. Der Prinz bleibt als Gast im Kloster und faßt den Entschluß, über Beirut und Damaskus nach Palmyra zu gehen.


VI. In Phönizien und Syrien

1. März. Aufbruch von Nazareth. »Auf der Höhe zeigte sich ein liebliches Bild. Am ›Marienbrunnen‹ standen Frauen und Mädchen, um ihre roten Tonkrüge mit dem klaren Wasser der einzigen Quelle des Ortes zu füllen. Die Legende, daß einst hier Jesus und seine Mutter gesessen, ist deshalb mehr als wahrscheinlich.« Im Konvent der Soeurs religieuses wird Abschied vom gelobten Lande genommen. Phönizien beginnt. Nachtquartier im Gouvernementshaus zu Akka. Mücken- und Moskitoplage.

2. März. Aufbruch. Nach neunstündigem Ritt an der phönizischen Küste hin wurde Tyrus erreicht. Hier erfuhr man, daß der in Folge der Schneeschmelze ungewöhnlich hohe Wasserstand des Flusses Litâni (früher Leontes) die Weiterreise unmöglich machen werde. Zugleich indes hieß es: »Der Postbote sei durchgekommen«. Der Prinz lachte: »Ist ein Postbote durchgekommen, werden wir's auch«. So wurde die Weiterreise beschlossen.

3. März. Aufbruch von Tyrus nach Sidon. Die Schwierigkeiten, die der Litâni bot, waren in der Tat groß. Der Prinz, einen überschwemmten schmalen Steinweg benutzend, kam hinüber; sein Kammerdiener Goerz aber wurde von der Flut weggerissen und nur wie durch ein Wunder gerettet. Das gleiche Schicksal hatten mehrere Personen aus dem Gefolge. Den 3., abends, traf man in Sidon (Saïda) ein.[369]

4. März. Von Sidon nach Beirut. Ankunft am Spätnachmittag. Man sah sofort, daß Beirut (nah an 100000 Einwohner) nicht nur Sidon und Tyrus überflügelt, sondern sich überhaupt zum ersten Handelsort dieser Gegenden erhoben hat. Beirut ist in ähnlicher Weise französisch, wie Kairo und ganz Unterägypten englisch ist. Die Franzosen sind gewillt, sich hier, an der syrisch-phönizischen Küste, für den Verlust von Ägypten schadlos zu halten.

5. März. Ruhetag in Beirut, im Hotel d'Orient. Der Prinz tritt in Beziehungen zu dem türkischen Gouverneur: Rustem Pascha. »Nur einzelne Zedern«, sagte Rustem Pascha, »stehen auf dem Libanon. Ich habe eine jede mit einer Mauer umgeben lassen, da die Reisenden sich nicht scheuten, ihr Lagerfeuer am Fuß ihrer Stämme anzuzünden und mehrere infolgedessen abstarben. Meine Versuche, die jungen Sprossen hierher nach dem großen Garten von Beirut zu verpflanzen, scheiterten mehrere Male. Erst die Beobachtung, daß sie genau nach derselben Himmelsrichtung, der sie früher zugekehrt waren, stehen müssen, führte zu einem günstigen Resultate. Sie kommen jetzt fort, daß es eine Freude ist. Ja, man muß eben die schwachen Seiten der Bäume wie der Menschen kennen, um seine Hoffnungen auf ihre gute Zukunft nicht fallen zu lassen«. Dann sprach Rustem Pascha über die Drusen und Maroniten und schloß: »Für die öffentliche Sicherheit habe ich in den langen Jahren meiner Verwaltung das Menschenmögliche geleistet. Maroniten und Drusen leben gegenwärtig in Frieden und Ruhe nebeneinander, und eine Frau oder ein Kind kann des Nachts sicherer durch den Libanon gehen, als durch die Straßen von Paris! Wenn man gegenwärtig von Unruhen in meinem Distrikte spricht, so ist das Verleumdung. In Summa, ich habe meine Schuldigkeit getan, ich gehöre nicht zur Klasse jener Orientalen, denen alles gleichgültig ist«.

6. März. Desgleichen Ruhetag in Beirut. Oberst von Natzmer, seit Wochen von einem heftigen Anfall von Ischias geplagt, trennt sich vom Prinzen und der Reisegesellschaft desselben und kehrt auf dem von Konstantinopel eintreffenden Lloyddampfer nach Triest und Deutschland zurück.

7. März. Aufbruch fünfeinhalb Uhr früh von Beirut nach Damaskus, fünfzehn deutsche Meilen. Man benutzt die französische Diligence, die die Libanon-Ausläufer zu passieren hat, und trifft beim Dunkelwerden in Damaskus ein.

8. März. Besuch des Prinzen bei Abd-el-Kader. »Abd-el-Kaders[370] Augen leuchteten, als ihm der Prinz entgegenging und seine beiden Hände, wie die eines alten Freundes ergriff. Abd-el-Kader machte den Eindruck eines vollständigen Greises und wirkte wie ein betagtes Mitglied der gelehrten Klasse der Ulemas. Das kleine, faltige, rötliche Gesicht, von einem kurzgeschnittenen weißen Bart umrahmt, zeigte einen feingeformten Mund mit vollzähliger Zahnreihe und eine aquiline Nase. Die bläulich-grauen Augen leuchteten mit einem schillernden Matt, hafteten aber mit eigentümlicher Schärfe an den Blicken des mit ihm Redenden. Sein Gang war der eines ermüdeten Greises, langsam nur schlich er umher und seine Hände waren beständig in einer leise zitternden Bewegung. Die Unterhaltung des Emirs begann mit höflichen Begrüßungen, voll jener feinen Wendungen, wie sie dem gebildeten Orientalen eigen sind. Der Prinz seinerseits bemerkte, daß er vor langen Jahren, bei einer Reise durch Frankreich, das Schloß von Amboise besucht habe, um die Gemächer zu sehen, in welchen der Emir einst seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte. Abd-el-Kader lächelte verlegen, als sei ihm die Erinnerung daran eine schmerzliche. Statt aller Antwort darauf ergriff er die Hand des Prinzen und legte sie wie die eines lieben Freundes in die seinige. Trotz seines hohen Alters bewies der Emir ein ausgezeichnetes Gedächtnis und erinnerte sich z.B. mit allen nur möglichen Einzelheiten der erlauchten Person des Kronprinzen, mit dem er bei Gelegenheit der Eröffnung des Suezkanals in Ägypten reden zu dürfen die Ehre gehabt habe. Jedes Gespräch, welches auf die Ereignisse des letzten großen Krieges Frankreichs gegen Deutschland ein Streiflicht hätte werfen können, vermied er mit peinlicher Ängstlichkeit. Anderthalb Stunden später machte der Emir dem Prinzen seinen Gegenbesuch, bewegte sich hierbei freier und die bis dahin gezeigte Schüchternheit war gewichen; er sprach von seinen Studien und namentlich auch davon, wie schwer es ihm werde, den Unterhalt für seine ihm in die Verbannung gefolgten Freunde (5 000) aufzubringen. Der Abschied war der denkbar herzlichste. Der Prinz küßte den Emir zweimal und wünschte ihm ein langes und glückliches Alter. ›Vielleicht ein Wiedersehen in Deutschland.‹ Abd-el-Kader dankte gerührt. ›Mein nächstes Reiseziel wird ein anderes sein, denn ich fühle, daß meine Tage gezählt sind. Möge der Segen Gottes alle Zeit auf Ew. königlichen Hoheit ruhen‹.«[371]


VII. Von Damaskus nach Palmyra. Zurück nach Beirut

9. März. Während des Aufenthalts in Damaskus hatte sich der Prinz schlüssig gemacht, trotz aller Unbill des Wetters, die nach Palmyra geplante Reise wirklich anzutreten. Vizekonsul Kaufmann Lütticke zu Damaskus, der Palmyra von einem früheren Besuche her schon kannte, stellte sich dem Prinzen zur Verfügung und übernahm die Führung. Am neunten früh brach man auf. »Wir waren 150 Menschen (darunter 60 Tscherkessen und kurdische Reiter) und 200 Tiere. Den ersten Gruß brachten uns 16 in rasendem Galopp über die Ebene daherjagende Beduinen, ihren Scheich an der Spitze. Ein braun und weiß gestreifter Burnus umhüllt den Körper, aus der Vermummung des Kopfes schaut ein dunkelbraunes Gesicht mit martialischem Schnurrbart; die nackten Beine stecken in unbehilflichen Stiefeln, und eine 13 bis 14 Fuß lange Lanze wird in den Händen geschwungen. Ihre Rosse, durchweg Stuten, sind von kleinem Bau«. Man kam bis zu dem Lehmdorfe Qutaife, wo man lagerte.

10. März. Fortsetzung der Reise. »Wir kampierten in der Wüste hart neben einer Ruine, die den Namen Chan-el-ahmar führte. Als die Nacht über die Wüste hereingebrochen war, veranstaltete M. Alexandre eine Soirée dansante. Unter der Beleuchtung von zwei mit brennenden Holzscheiten angefüllten Fackelständern, deren Flammen die Ruine mit einem roten Schimmer überzogen, traten alle nicht-europäischen Mitglieder der Expedition, von den Tscherkessen bis zu den Libanesen, zum Tanze an, um ihre Nationaltänze und Gesänge zum besten zu geben. So tanzten und sangen die Urahnen der heutigen Völker auf der Westseite des großen asiatischen Erdteils bereits vor tausenden von Jahren, und wenn nun jetzt die flammenden Hölzer zu erlöschen drohten und die Sänger und Tänzer nach Licht riefen, gossen ihre Kameraden ganze Flaschen voll Petroleum in die glimmenden Kohlen hinein. Zuletzt erschien ein syrischer Diener M. Alexandre's, ein wahrer Virtuose, und entlockte der syrischen Doppelflöte die wundervollsten Weisen.«

11. März. Weitermarsch. Nachtquartier in dem Jagd- und Wüstendorfe Qariatên. Der Scheich von Qariatên erscheint, um den Prinzen im Lager zu begrüßen.

12. März. Weitermarsch. Der Wüstenwind nimmt den Charakter eines Orkans an, und als man sich im »großen Zelt«[372] zur Mittagstafel setzen will, bricht alles unter dem Sturm zusammen. Das Nachtquartier an der Quelle der »Steinböcke« war von gleichem Charakter. Schreckliche Stunden.

13. März. Weitermarsch. Unerträgliche Staubwolken. Kein Zeltaufschlagen möglich, ebenso wenig Herrichtung einer ordentlichen Mahlzeit. Spätnachmittag kam Palmyra in Sicht. Der Prinz versammelte seine Begleiter um sich und sagte, während er nach dem Trümmerfelde hinüber wies: »Es ist ein Jugendtraum, der mir im Alter in Erfüllung geht. Als ich noch ein kleiner Knabe war, empfing ich einmal ein Bilderbuch zum Geschenk, das unter anderen Darstellungen auch die der Ruinen von Palmyra enthielt. Die Abbildung und der poetische Name fesselten meine Aufmerksamkeit dermaßen, daß mich eine wahre Sehnsucht plagte, dereinst mit eigenen Augen die Wunder von Palmyra zu sehen. Mein ganzes Leben hindurch habe ich das Bild nicht aus dem Gedächtnis verloren und stets den Wunsch gehegt, den Jugendtraum wahr zu machen. So nahe dem Ziel, bin ich hocherfreut, die Wirklichkeit mit dem Ideale meiner Kindheit vergleichen zu können«.

Gegen sieben Uhr war man da und die Reiter stiegen von ihren Pferden, um bei der »Quelle an der Mühle« zu rasten. Leider war es eine stinkende Schwefelquelle und der Aufenthalt in ihrer Nähe nicht bloß unerfreulich, sondern auch ängstlich, weil man nicht wußte, woher Trinkwasser genommen werden solle. Zum Glück zeigte sich es bald, daß Vizekonsul Lütticke mit seiner Versicherung »das Wasser verliere durch Kaltwerden und Stehen sehr bald seinen Schwefelgeruch und sei dann vortrefflich« recht behielt, und ehe die Nacht einbrach, bot der »Platz um die Mühle« das Bild eines bunten und heiteren Lagerlebens. Gegen zehn Uhr hatten wir ein treffliches Souper und um elf suchten wir unsere Zelte und unsere Betten auf, um von Palmyra, Salomo, seiner Tochter Belkis und der tapferen Königin Zenobia zu träumen.

14. März. In Palmyra. Die Lage hart an der östlichsten Grenze der syrischen Wüste, an der Straße von Damaskus nach den Euphratländern, dazu die hier vorhandenen Wasser und Brunnen, machten Palmyra früh zu einer Karawanen- und Handelsstadt. Der rasch anwachsende Reichtum der Kaufherren ließ ebenso rasch Denkmäler und großartige Anlagen entstehen, die freilich den Charakter schneller Gründungen trugen. Palmyra ist eine Gründerstadt im besten Sinne des Wortes. Ihre Bauherren, schnell emporgekommene Kaufleute[373] mit allen guten und schlechten Eigenschaften derselben (den Hochmut nicht ausgeschlossen) ruhten von ihren Werken in stolzen Familiengräbern aus, die sich in etagenhohen Türmen oder in den Felsenkammern zu beiden Seiten der westlichen Gebirgseinfassungen befinden. – Wieder eine Sturmnacht.

15. März. Wie schon am Tage zuvor, wird alles besucht, gezeichnet, photographiert; namentlich werden Inschriften abgeschrieben. In der Nacht wieder Sturm.

16. März. Dieser Tag (16. März) bezeichnet das Datum der nun wieder eingeleiteten Heimkehr des Prinzen nach Berlin. Gegen Mittag Begegnung mit dem Beduinenscheich Satam, der sich dem Prinzen schon in Palmyra vorgestellt hatte. Der Prinz ist Satams Gast. Dann scheidet man. Nachtquartier in der Nähe der »Steinbocks-Quelle« schrecklichen Angedenkens.

17. März. Bis zum Dorfe Qariatên, wo der Prinz schon am 11. gelagert hatte. Von hier aus wird jetzt abgezweigt, um den weiteren Rückweg über den Anti-Libanon zu machen.

18. März. Bis zum Dorfe Bridj am Fuße des Anti-Libanon.

19. März. Über den Anti-Libanon, bis (hinabsteigend) zum Dorfe Ras-Baalbek.

20. März. Geburtstag des Prinzen. Gratulation um sieben Uhr früh. Die Reisegesellschaft überreichte dem Prinzen eine kleine Zahl auserlesener Münzen (»Antikas«), die man schon in Damaskus als ein passendes Geschenk erstanden hatte und die nun dem Geburtstagskinde die größte Freude machten. Dann Aufbruch vom Dorfe Ras-Baalbek, um, nach zehnstündigen Ritt, die Tempel-Ruinen von Baalbek (Heliopolis) zu erreichen. Nachtquartier im »Hotel Palmyra«, wo man es nach acht im Zeltlager zugebrachten Sturmnächten himmlisch fand. Herrliche Mahlzeit. Die Geburtstagsfeier des Prinzen, am Morgen in Ras-Baalbek begonnen, wird am Abend in Baalbek fortgesetzt. Vorher, in den Spätnachmittagstunden, hatte man noch Zeit gefunden, die wichtigsten Ruinen zu besuchen, namentlich den größeren und kleineren Sonnentempel.

21. März. Aufbruch von Baalbek nach Poststation Schtora und zwar unter Benutzung der türkischen Post. In Schtora – nach Entlassung der aus Damaskus mitgenommenen türkischen Begleitung – Mittagsmahl und Postwechsel. Dann mit der französischen Post über die Libanon-Straße nach Beirut (nicht nach Damaskus) zurück. Ankunft noch zu guter Stunde. Hôtel d'Orient. Begrüßung. Briefe, Nachrichten aus der Heimat.[374] Wieder eine Sturmnacht. Aber man ist unter Dach und Fach. Auf der Reede liegt die »Nymphe«; schon von den Bergen aus (zur Mittagsstunde) hatte der Prinz das Schiff in aller Deutlichkeit erkannt.

22. März. Kaisers Geburtstag. Parade an Bord der Glattdeckskorvette »Nymphe« (Kapitän Dietert), die bestimmt ist, den Prinzen über Rhodus, Athen und Neapel nach Livorno zu führen. »Nach der Parade nahm der Prinz Abschied von Allen, die ihn bis an Bord der ›Nymphe‹ begleitet hatten: von Oberst Achmed Bey und Major Ismael Bey, den beiden Adjutanten des Sultans (beiden liefen die Tränen über die Wangen), vom deutschen Konsul und den sonst noch anwesenden deutschen und türkischen Beamten. Vom Ufer aus winkten die Diakonissinnen mit ihren jungen Pflegebefohlenen dem scheidenden Prinzen und dreieinviertel Uhr stach die ›Nymphe‹ in See.«


VIII. Von Beirut nach Livorno

23. März. (Karfreitag.) Stürmische Fahrt. Trotzdem Gottesdienst auf dem Deck. »Er wurde durch das Gesangbuchlied ›O Haupt voll Blut und Wunden‹ eingeleitet, übte im Angesicht der entfesselten Elemente eine erschütternde Wirkung auf mich aus und ich schäme mich auch heute nicht der Tränen, die mir in den Augen standen.«

24. März. Stürmische Fahrt. Von der Reisgesellschaft nur der Prinz und Hauptmann von Kalckstein bei Tisch.

25. März. (Ostersonntag.) Stürmische Fahrt. Kapitänleutnant Hildebrandt, erster Offizier auf der »Nymphe«, erzählt dem Prinzen von seiner Nordpolexpedition von 1868 bis 1870. »Er hatte volle neun Monate mit dreizehn Gefährten auf einer Eisscholle und sieben Wochen auf offenen Booten zugebracht, dabei in steter Gesellschaft eines wahnsinnig gewordenen Gelehrten, Dr. Buchholz, den er wie ein Kind überwachen mußte. Nach maßlosen Leiden erreichte man Grönland und schließlich die Heimat.«

26. März. Stürmische Fahrt. Um drei Uhr Ankunft in Rhodus. Zweistündiger Besuch in der Stadt. Um sechs Uhr wieder in See. Das Wetter bessert sich.

27. März. Um neun Uhr früh zwischen Naxos und Paros; um sieben Uhr abends im Hafen von Piräus.

28. März. Alles früh auf Deck. Umblick. Um achteinhalb[375] Uhr mit der Eisenbahn nach Athen. Erste Fahrt durch die Stadt. Um zwölf im Hôtel de la Grande Bretagne. König Georg I. und sein Bruder, der Kronprinz von Dänemark, begrüßen den Prinzen. Der Prinz zum Frühstück im Schloß. Nach dem Frühstück: Schliemann-Museum, Mykenä-Museum, Tanagra-Museum. Spazierfahrt in der Umgegend von Athen. Um siebeneinhalb der Prinz und seine Begleiter zum Diner im Schloß. Großfürst Konstantin. Dieser sprach mit Brugsch über die Zukunft des Orients und die Aufgaben Rußlands, als des einzigen Vermittlers zwischen dem fernsten Osten und den europäischen Völkern. Vor allem hob der Großfürst hervor, daß Rußland die Aufgabe habe, »die Horden Chinas von Europa fern zu halten«.

29. März. Fahrt nach Eleusis. Um zwei Uhr wieder im Hôtel de la Grande Bretagne. Viereinhalb Uhr Abschied von Athen. Fünfeinhalb wieder an Bord der »Nymphe«. Der französische Admiral erscheint an Bord, um den Prinzen zu begrüßen. Um sechs Uhr Fortsetzung der Reise.

30. März. Fahrt. Sturm.

31. März. Etwas besseres Wetter.

1. April. Auf hoher See.

2. April. Um vier Uhr früh der Ätna in Sicht.

3. April. Um sechs Uhr früh Neapel in Sicht. Um acht Uhr vor Anker. Botschafter von Keudell und die Generale von Cranach und von Alvensleben begrüßen den Prinzen. Besuch der Stadt (Aquarium); Besuch der nächsten Umgebung. Pompeji.

4. April. Vesuv. Sorrent. Amalfi. Rückkehr nach Neapel.

5. April. Fortsetzung der Reise. Nachmittags in Nähe von Ostia-Rom.

6. April. In der Frühe zwischen Elba und dem Festland. Um Mittag im Hafen von Livorno.


IX. Von Livorno bis Dreilinden

7. April. Von Livorno nach Pisa. Von Pisa (durch die Tunnel) nach Genua. Ankunft drei Uhr Nachmittag.

8. zum 9. April. Von Mailand bis Ala.

9. April. Über den Brenner.

10. April. Abfahrt von München.

11. April. Ankunft in Großbeeren. Von da nach Dreilinden.


*[376]

Kurze Zeit danach war Diner in Dreilinden, zu dem in erster Reihe die Teilnehmer an der Orientreise geladen waren. Als man sich von der Tafel erhoben hatte, führte der Prinz seine Gäste in den neu angebauten, geschmackvollen Billardsaal. Ein reich bemaltes altägyptisches Totenbild lag auf dem grünen Tisch. Es war die Mumie der Ammonssängerin, die Tudrus, der thebanische Konsularagent, in nächtlicher Stunde (vgl. S. 362) von Luxor aus auf das Deck der Dahabieh geschmuggelt hatte. Die bunte Kartonhülle wurde geöffnet, die Mumienbinden gelöst und der braune, wohlerhaltene Körper einer Jungfrau, die in der Blüte ihres Daseins das Zeitliche verlassen hatte, enthüllte sich vor den Blicken der Anwesenden. Kein Amulett, kein Schmuckgegenstand, keine Papyrusrolle fand sich an dem Leibe der heiligen Tempelmagd vor. Die Enttäuschung war eine allgemeine. Die Jungfrau hatte schließlich die weite Reise nach Dreilinden zurückgelegt, um, nach dem Befehl des Prinzen, ihre letzte Ruhestätte in der ägyptischen Abteilung der Königlichen Museen in Berlin zu finden.

Wer sie dort sehen will, frage nach Nr. 8284.

50

Den auf der Reise gemachten Aufzeichnungen Brugsch-Paschas bin ich in diesem Kapitel gefolgt. Brugsch-Paschas Aufzeichnungen sind niedergelegt in einem im Jahre 1885 bei Trowitzsch u. Sohn in Frankfurt a. O. erschienenen, von Major von Garnier reich illustrierten Prachtwerke in Großfolio, das den Titel führt: »Prinz Friedrich Karl im Morgenlande, dargestellt von seinen Reisebegleitern Professor Dr. H. Brugsch-Pascha und Major Franz Xaver von Garnier.«

51

Trotz dieser Äußerung wird sich sagen lassen, daß der Prinz, dem Marschall Bazaine gegenüber, stets voll Respekt und jedenfalls voller Teilnahme war. Ich habe selbst solche Äußerungen aus des Prinzen Munde gehört. Und was nun gar die von Parteigängern so viel und so leidenschaftlich verurteilte Haltung Bazaines in der »Kaiser-Max-Frage« angeht, so habe ich mich nie davon überzeugen können, daß ihn oder Napoleon den Dritten irgendein Vorwurf trifft. Napoleon war gezwungen, so zu handeln wie er handelte, und Bazaine ließ den jungen Kaiser Max nicht feig oder verräterisch im Stich, sondern ging erst, als dieser sich dem Rückzuge nicht anschließen wollte. »Man sagt, er wollte sterben«, paßt auch hier.

52

Auf diesen Spaziergängen überraschte die Reisenden eine ebenso feine wie witzige Schlagfertigkeit des niederen Volks. Ein Bettler fiel durch Zudringlichkeit lästig. »O Schech«, sagte Brugsch, »bitte lieber deine Brüder die Hand zu öffnen.« Der Bettler antwortete: »Bist du kein Sohn Adams?« Ein anderes Mal sah Brugsch einen Araber sich mit Wegwälzung eines riesigen Steinblocks abquälen. »Du solltest ihn lieber tragen«, sagte Brugsch scherzend. »Ich bin dazu bereit, sobald du ihn mir auf den Rücken gelegt haben wirst.«

53

Die Araber in ihrer geistvollen Weise sagen: »Die Zeit spottet allem und die Pyramiden spotten der Zeit.«

54

Von diesem »Tal der Inschriften«, wie man es nennt, zweigt ein Seitental, eine Schlucht ab, in der von 1855–1866 ein ehemaliger schottischer Major, Namens Macdonald, in einem selbstgebauten Hause wohnte, um die schon den alten Ägyptern bekannten Türkisminen dieser Gegenden auszubeuten und auf den europäischen Markt zu bringen. Das Geschäft ließ sich anfangs gut an, leider aber erwiesen sich später die oft faustgroßen Stücke des Edelsteins als unecht in der Farbe, denn sie verloren bald ihren Glanz und das Himmelblau, das den echten Türkis auszeichnet. Das Haus des Majors, dessen die Beduinen noch jetzt als ihres Wohltäters gedenken, steht als eine Ruine da.

55

In Begleitung der beiden türkischen Offiziere befand sich auch ein »Verpflegungs- und Reise-Generaldirektor«, von dem Brugsch eine ganz vorzügliche Schilderung gibt. Ich entnehme derselben folgendes: »Er, dem die Adjutanten des Sultans die volle Ausrüstung und Verpflegung der prinzlichen Karawane übertragen hatten, war ein christlicher Syrier. Seiner Abstammung nach dem Lande der Philister zugehörig, nannte er sich auf seiner Visitenkarte trotz alledem ›Alexander Howard‹ oder ›Monsieur Alexandre, Entrepreneur et Directeur générale‹.« Wie die meisten Leute seines Schlages sprach er alle möglichen Sprachen, war dabei stark und von eiserner Gesundheit. Ein schwarzer Vollbart umrahmte sein rötlich leuchtendes Vollmondgesicht mit den freundlich lächelnden Zügen. Er war der erste auf den Beinen und der letzte im Bett. Während des Marsches galoppierte er in unsinniger Hast neben den Pferdevermietern einher. In hohen Reiterstiefeln mit mächtigen Sporen, im Beduinenmantel und mit der syrischen dunklen Kopfbedeckung, Pistolen im Gürtel, die Nilpferdpeitsche oder den Kurbadsch in der Rechten, so flog er an uns vorüber und sein Adlerblick erkannte im Nu, wo seine Gegenwart nottat. Das Frühstückszelt ward um die Mittagszeit aufgeschlagen. M. Alexandre erschien dann in der Tracht eines türkischen Effendi, d.h. in schwarzem Stambulin mit rotem Fez, in weißer Binde und mit weißen Handschuhen. Er übersah mit wohlgefällig-prüfendem Blick die reich gedeckte Tafel, half jeder mangelhaften Bedienung sofort ab und schätzte sich glücklich, Sr. Königlichen Hoheit selber servieren zu dürfen. Und nun erst am Abend, wenn die Reisegesellschaft an der Mittagstafel versammelt war und Lampen und Kandelaber ihren Glanzschimmer durch das lange Zelt verbreiteten! M. Alexandre präsentierte sich dann als vollendeter Salonmensch in schwarzem Leibrock und weißer Binde, dazu weiße Weste und funkelnagelneue Glanzstiefel, alles wie fertig für den Ball. Alles in allem hat sich M. Alexandre um die Reise des Prinzen wohl verdient gemacht und seine Wahl von seiten der Adjutanten des Sultans war sicherlich keine schlechte. In seiner frühesten Jugend ein toller Kopf, hatte er damals, in Gemeinschaft mit einem französischen Abenteurer, Palmyra erobern und ein neues Königreich herstellen wollen.

Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 13, München 1959–1975, S. 354-377.
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