[32] Adelhard, Wendelgard.
ADELHARD.
Ach mein Fraw Mutter Wendelgart,
Wie klagt jhr euch so sehr vnd hart,
Vmb vnsern lieben Vatter trew,
WENDELGARD.
Ach GOTT daß Leyd ist mir so new,
Als wenn er erst wer gestern gstorben,
Vnd in seinr Feinden Händ verdorben.
O trewer Gott, der trawrig Tag,
Ernewert mir mein alte Klag.
Dann wenn ich sein bin also braubt,
Neig ich zur Erd mein trawrigs Haubt.
Dann er mich also hat geliebt,
Das ich von jhm nie ward betrübt.
Mein will in seinem willen stund,
Kein Bitt er mir abschlagen kund.
Ich glaub nit das ein solche Ehe,
Sey weit vnd breyt gewesen mehe.
Ach Gott warumb leb ich auff Erden?
Wie kan ich jmmer frölich werden?
ADELHART.
Ach kümmert euch doch nit so sehr,
WENDELGARD.
O das er noch bey leben wer.
Wie freundlich wolt ich jhn empfähen,
Solt ich jhn nur einmal noch sehen.
ADELHARD.
Mir hat fürwar erst diese Nacht,
Der Schlaff im Trawme fürgebracht,[32]
Wie vnser lieber Herr vnd Vatter,
Mein aller freundlichster Wolthätter,
Ein Botten zu vns hab gesand,
Auß einem ferren weitten Land,
Daß er noch sey im frischen leben,
Vnd werd sich bald zu vns her geben.
WENDELGARD.
Falsch sein die Träwm vnd Nachtgesicht,
Ich gib jhn keinen glauben nicht,
Er lebt bey GOTT in sicher Hut,
Mir ist betrübet Sinn vnd Mut.
Ach daß ich nur sein Leichnam hett,
Damit ich jhm ein Ehr anthet.
Ein läres Grab hab lon machen,
Was dient mir das zu diesen Sachen.
ADELHART.
Deß Herren ist die gantze Erd.
Vnd wo einer begraben leit,
Wanns jhm nit besser wirt zur Zeit,
Ist er in Gott dem HERren gstorben,
Hat er ein gutes Grab erworben.
Vnd leg er gleich in tieffem Meer,
Drumb kümmert euch nun nit so sehr,
GOTT weiß die seinen hie auff Erden,
WENDELGARD.
Ach Gott hilff mir in mein Gferden.
Laß dir gefallen mein Andacht,
Die mich auff den Tag her hat bracht,
Mein frommen Herrn, dem tewren Mann,
Ietz sein Gedächtnuß zu begahn.
Gib jhm ein frölich aufferstentnuß,
Vnd vns ein rechte Gotts erkentnuß,
Daß wir nach diesem Jammerthal,
Bey dir leben in deinem Saal.
Nu wil ich jetz mein Adelhard,
Ach lieber Son, von edler art,
Die Spend außtheilen mit meiner Hand,[33]
Den armen leuten in dem Land,
Von meines liebsten Herren wegen.
ADELHARD.
Fraw Mutter ist es euch dann glegen,
Nach diesem Vnmut zuerlaben,
Vnds Morgenessen bey mir haben?
So wil ichs zubereiten lon,
WENDELGARD.
Schaff wie dirs gfelt mein lieber Son.
Buchempfehlung
In die Zeit zwischen dem ersten März 1815, als Napoleon aus Elba zurückkehrt, und der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni desselben Jahres konzentriert Grabbe das komplexe Wechselspiel zwischen Umbruch und Wiederherstellung, zwischen historischen Bedingungen und Konsequenzen. »Mit Napoleons Ende ward es mit der Welt, als wäre sie ein ausgelesenes Buch.« C.D.G.
138 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro