Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen ...

Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen

Und haben sich, eh man es denkt, gefunden;

Der Widerwille ist auch mir verschwunden,

Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.


Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!

Und wenn wir erst in abgemeßnen Stunden

Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,

Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.


So ist's mit aller Bildung auch beschaffen:

Vergebens werden ungebundne Geister

Nach der Vollendung reiner Höhe streben.


Wer Großes will, muß sich zusammenraffen;

In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,

Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.
[121]

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 2, Berlin 1960 ff, S. 89-90,121-122.
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