1788

[321] 8/2635.


An Philipp Seidel

Rom d. 5. Jan. 88.

Ich schrieb dir neulich du solltest die Stimmen zu Kaysers Oper nach Zürch schicken. Wir haben unsere Gesinnungen geändert behalte sie nur bey dir.

Deine fortgesetzten Beobachtungen (unterm 17. Dec.) sind recht brav, nur glaube ich noch immer, du folgerst zu geschwind und zu schneidend für eine so zarte Sache. Fahre fort zu sehen, zu kombiniren, zu folgern.

Collinas Wesen wirst du nach deinem guten Verstande in Richtigkeit setzen helfen, thue was du kannst, doch sorge dabey, daß das Verhältniß rein bleibe. Du hast dem Italiäner seine ersten Bier und Weinschliche gut abgemerckt.

Lebe wohl. Schreibe mir von Zeit zu Zeit und liebe mich.

G.


8/2636.


An Charlotte von Stein

Rom d. 19. Jan. 88.

Diese Woche ist wieder fleisig zugebracht worden. Anatomie und Perspecktiv sind vorwärts geruckt, wenn man gleich immer mehr zu thun hofft als man würcklich thut.

[321] Die beyden ersten Ackte Claudinens sind heute auch fertig geworden. Ich lasse sie nun abschreiben und nächsten Sonnabend d. 26. sollen sie abgehen. Sie können also, wenn alles in der Ordnung auf der Post geht d. 11. Febr. bey Euch seyn. Sage das Herdern damit er seine Maasregeln darnach nehme. Der dritte Ackt soll sobald als möglich folgen.

Es ist schweer so ein Werckchen, nach erkannten Gesetzen, mit Einsicht und Verstand und zugleich mit Leichtigkeit und Laune zu machen. Es geht viel Zeit darüber hin.

d. 17ten am Feste des Heiligen Antonius Abbas machten wir uns einen lustigen Tag. Es war das schönste Wetter von der Welt. Es hatte die Nacht Eis gefroren, der Tag war heiter und warm. Bey der Kirche des Heiligen werden Pferde, Ochsen, Esel geweiht, welches ein lustig Specktakul ist. Die Thiere sind an Köpfen und Schwänzen mit Bändern geputzt man bringt die Thiere vor einer kleinen Kapelle vorbey, wo ein Priester mit einem großen Wedel versehen, das Wasser nicht spart und auf die Thiere losspritzt. Andächtige Kutscher bringen Herzen und erhalten dagegen geweihte Bildchen, die Herrschafften schicken Almosen und Geschencke. Alles damit die vierfüsigen Geschöpfe ein Jahr über für allem Anfall sicher bleiben sollen. Nachher machten wir eine große Tour und erfreuten uns unter einem so glücklichen Himmel, umgeben von den interessantesten Gegenständen,[322] wohl und vergnügt einen schönen Tag gelebt zu haben.

Wenn ich von deinen Übeln, von deinem Zahnweh höre, wird mir's im Gemüthe wie ich dirs nicht ausdrucken kann, daß dir unter dem unglücklichen Himmel das Leben unter Schmerzen hingehn soll. Ich habe doch diese ganze Zeit keine Empfindung aller der Übel gehabt die mich in Norden peinigten und lebe mit eben derselben Constitution hier wohl und munter, so sehr als ich dort litt.

Ich habe manche Anzeigen daß ich dieses Wohlseyn, wie manches andre Gute, in Italien zurücklassen werde.

Still und ohne weiter zu dencken und zu grübeln benutz ich jeden Tag und eile mir die nötigsten Kenntnisse zu erwerben, suche ein wenig mich in Übung zu setzen. Doch ist das alles nichts. Wer Rom verläßt muß auf Kunst Verzicht thun, ausserhalb ist alles Pfuscherey.

Wenn du nur einen Abend bey uns seyn solltest unter den vielen Gypssachen, wenn man die besten Sachen neben einander setzen kann und sich dann das fürtreffliche vom Guten so sehr, ja unendlich absondert. Ich spreche nicht aus wie glücklich ich bin, daß ich da zu sehen anfange, wo ich Zeitlebens nur getappt habe.

Es sey nun und werde wie es wolle; so hab ich das Vergnügen genossen und einen guten Grund gelegt. Keiner der mir nun aus Rom nach Norden[323] kommt, kann mir imponiren oder etwas weiß machen und da doch einmal Kunst und Nachbildung eine der entschiedensten Eigenschaften meiner Natur sind; so bin ich wenigstens ganzer geworden als ich war, wenn ich auch schon wieder einen großen Teil in Rom zurück lassen muß.

Grüße die Freunde und Fritzen.

Der Herzog ist wohl noch nicht zurück?

Laß doch Bertuchen sagen: ich werde ihm für Masken Zeichnungen und Beschreibungen sorgen.

Empfiel mich der Herzoginn.

Der dritte Ackt von Claudinen wird ganz kurz werden, es ist schon wie ihr sehen werdet eine so große Masse Musick in den beyden ersten, daß man im letzten Haushältisch zu Wercke gehen muß. Leider hab ich vielen poetischen Stoff wegwerfen und der Möglichkeit des Gesanges aufopfern müssen.

Lebe wohl und liebe mich.

G.


Dein Brief No 39. kommt eben an. Tausend Danck! Grüse Fritzen. Seine Augen machen mir Sorge.


8/2637.


An den Herzog Carl August

Rom d. 25. Jan. 88.

Welche Freude und Zufriedenheit mir Ihr Brief, an einem schönen Tage gebracht hat, kann ich Ihnen[324] nicht ausdrucken und hätte die Sorge für Ihre Gesundheit mich nicht wieder herabgestimmt; so könnte ich den gestrigen Tag als den fröhlichsten ansehn, den ich in Rom erlebt habe. Ich lief gleich nach erhaltnem Briefe ins Weite, denn wie Tristram die horizontale Lage für diejenige hält, in welcher man Freude und Schmerz am besten genießt und trägt; so ist es bey mir das Wandeln in freyer Luft, da dacht ich denn recht vieles durch und setze mich heute früh zu schreiben damit Sie durch den zurückkehrenden Courier einige Blätter erhalten.

Zuförderst dancke ich aufs schönste für das Tableau politique. Ich folge dem Lauf der Welt in den Zeitungen nach und um desto angenehmer war mir diese Ausfüllung und Bestimmung meiner allgemeinern Ideen. Der Antheil den Sie an den Geschäfften des Vaterlands und der Welt nehmen, liegt mir zunächst am Herzen, ich freue mich über alles was Ihnen gelingt, es ist mir tröstlich daß Ihre Mühe und Aufopferung anerkannt und mit einem ehrenvollen Zutrauen gelohnt wird. Lassen Sie mich von Zeit zu Zeit wissen wie die Sachen stehen, an Ihrem gestrigen Briefe hab ich nun eine Weile zu zehren.

Sie wünschen, daß ich Ihre Frau Mutter in Italien erwarten möge, ich will mich darüber aufrichtig erklären.

Ostern war der letzte Termin den ich meinem Bleiben in Italien gesetzt hatte, auch Sie schienen[325] mich im Frühjahre zu Hause zu erwarten und ich habe rationem vitae et studiorum (worüber ich ein besonder Blat wenn ich Zeit habe beylege) völlig darauf eingerichtet, daß ich nach dem Feste Rom ohne Widerwillen verlassen kann. Ich erwartete daß Sie zu Hause anlangen und mir nach Lage der Sachen Ihre Gesinnung schreiben würden. Nun anticipiren Sie solche, ich kann mich darnach einrichten und will nun auch über die Reise der Frau Mutter meine Gedancken eröffnen. Jemehr ich mich bemühte nachzudencken und zu sorgen, wie ich ihr als ein getreuer Vorläufer den Weg bereiten könnte, desto mehr sah ich wie wenig man thun kann und wie nachher alles auf den Augenblick ankommt. Die größte Schwierigkeit war diejenige, welcher Sie erwähnen, daß Ihre Frau Mutter, mit Anstand, auch Menschen sehe, doch ohne zusehr seccirt zu werden, ohne zuviel Zeit über den wechselseitigen Egards zu verliehren. Ich habe mich zwar ganz aus der Welt gehalten, kenne aber doch so ziemlich die hiesige Societät, sie ist wie überall und noch überdieß sehr exigeant, weil man würcklich in dem großen Rom ein wenig kleinstädtisch ist. Die Herzoginn muß eine römische Dame zur Seite haben welche sie überall einführt, und wenigstens zu Anfangs begleitet. Ich habe mit Angelika (die ein Engel von Verstand und Conduite ist) darüber gesprochen und wir haben wohl zwey Damen gefunden, doch ist bey einer jeden wieder ein Aber. Der Senator[326] ist wieder zurück er wird gewiß alles thun, indeß bleibt es immer eine gefährliche Sache sich ganz fremden Menschen in die Hände zu liefern und es ist immer das Resultat zu befürchten das Sie in Ihrem Briefe so lebhaft schildern. Eben so ists in Florenz und Neapel. Am ersten Ort kann die Herzoginn nicht ausweichen Milady Kuper zu sehn und auch den Hof, wenn er nicht in Pisa ist, in Neapel ist derselbe Fall. Genug ich könnte wohl im allgemeinen einige Lebensregeln geben, die aber doch am Ende nur auf einen Polonius Seegen hinaus liefen.

Wenn es nun aber Ihre Gesinnung ist daß ich in Italien bleiben soll; so wird es meine Schuldigkeit für alles und auch für diesen Punckt zu sorgen. Nun paßt es grade daß ich zu meiner bißherigen ratione vitae übergehe.

Die Hauptabsicht meiner Reise war: mich von den phisisch moralischen Übeln zu heilen die mich in Deutschland quälten und mich zuletzt unbrauchbar machten; sodann den heisen Durst nach wahrer Kunst zu stillen, das erste ist mir ziemlich das letzte ganz geglückt.

Da ich ganz frey war, ganz nach meinem Wunsch und Willen lebte; so konnte ich nichts auf andre, nichts auf Umstände, Zwang oder Verhältnisse schieben, alles kehrte unmittelbar auf mich zurück und ich habe mich recht durchaus kennen lernen und unter manchen Mängeln und Fehlern ist der welchen[327] Sie rügen nicht der letzte. Ganz unter fremden Menschen, in einem fremden Lande zu leben, auch nicht einen bekannten Bedienten zu haben an den man sich hätte anlehnen können, hat mich aus manchen Träumen geweckt, ich habe an munterm und resolutem Leben viel gewonnen. Als ich zuerst nach Rom kam, bemerckt ich bald daß ich von Kunst eigentlich gar nichts verstand und daß ich biß dahin nur den allgemeinen Abglanz der Natur in den Kunstwercken, bewundert und genossen hatte, hier that sich eine andre Natur, ein weiteres Feld der Kunst vor mir auf, ja ein Abgrund der Kunst, in den ich mit desto mehr Freude hineinschaute, als ich meinen Blick an die Abgründe der Natur gewöhnt hatte. Ich überließ mich gelassen den sinnlichen Eindrücken, so sah ich Rom, Neapel, Sicilien und kam auf Corpus Domini nach Rom zurück. Die großen Scenen der Natur hatten mein Gemüth ausgeweitet und alle Falten herausgeglättet, von der Würde der Landschafts Mahlerey hatte ich einen Begriff erlangt, ich sah Claude und Poussin mit andern Augen, mit Hackert, der nach Rom kam, war ich vierzehn Tage in Tivoli, dann sperrte mich die Hitze zwey Monate in das Haus, ich machte Egmont fertig und fing an Perspecktiv zu treiben und ein wenig mit Farben zu spielen. So kam der September heran, ich ging nach Fraskati, von da nach Castello und zeichnete nach der Natur und konnte nun leicht bemercken was mir[328] fehlte. Gegen Ende Oktobers kam ich wieder in die Stadt und da ging eine neue Epoche an. Die Menschengestalt zog nunmehr meine Blicke auf sich und wie ich vorher, gleichsam wie von dem Glanz der Sonne, meine Augen von ihr weggewendet, so konnte ich nun mit Entzücken sie betrachten und auf ihr verweilen. Ich begab mich in die Schule, lernte den Kopf mit seinen Theilen zeichnen und nun fing ich erst an die Antiken zu verstehen. Damit brachte ich November und December hin und schrieb indessen Erwin und Elmire auch die Hälfte von Claudinen. Mit dem ersten Januar stieg ich vom Angesicht aufs Schlüsselbein, verbreitete mich auf die Brust und so weiter, alles von innen heraus, den Knochen Bau, die Muskeln wohl studiert und überlegt, dann die Antiken Formen betrachtet, mit der Natur verglichen und das karackteristische sich wohl eingeprägt. Meine sorgfältige, ehmalige Studien der Osteologie und der Körper überhaupt, sind mir sehr zu statten gekommen und ich habe gestern die Hand, als den letzten Theil der mir übrig blieb, absolvirt. Die nächste Woche werden nun die vorzüglichsten Statuen und Gemählde Roms mit frischgewaschnen Augen besehen.

Diesen Cursum habe ich an der Hand eines Schweitzers, Nahmens Meyer, eines gar verständigen und guten Künstlers, gemacht, und ein junger Hanauer, Nahmens Büry, der mit mir zusammen wohnt und ein gar resolutes gutes Wesen ist hat mir nicht wenig[329] geholfen. Meine Absicht ist nun, im Februar einige Landschaftszeichnungen zu kopiren, einige Veduten nach der Natur zu zeichnen und zu koloriren und so auch darin sichrer zu werden. Den März wollte ich anwenden, das wichtigste nochmals zu durchlaufen, einige Menschen zu sehen, dann die Benedicktion aufladen und von Rom für dießmal Abschied nehmen. Bestimmt mich nun aber Ihr Wille hier zu bleiben, Ihrer Frau Mutter zu dienen; so werde ich von Ostern an ein neues Leben beginnen, um mich zu dem Posten eines Reisemarschalls zu qualificiren. Ich nehme ein neues Blat, um Ihnen meinen Plan vorzulegen und Ihre Approbation einzuholen.

Bisher habe ich allen widerstanden die mich in die Welt ziehen wollten, weil es mir am ersten um meine Hauptsachen zu thun war, weil die Welt nicht giebt sondern nimmt und weil ich täglich mehr Abneigung empfinde etwas halb zu thun. Nun aber werde ich mich equippiren, einen Bedienten anschaffen mein Quartier besser bestellen, genug mich so einrichten daß ich als der Ihrige öffentlich auftreten kann und am anständigen nichts fehlt. Zuerst will ich den Cardinal Herzan und den Senator besuchen, dann zum Card. Staatssekretair und zu Card. Bernis gehn, somit sind die Schleußen aufgezogen und das übrige folgt von selbst, ich will den Monat Aprill ganz dieser Ausbreitung widmen, denn ich muß mich selbst wieder daran gewöhnen und das Leben mit mehreren Menschen[330] auch als Studium und Übung tracktiren. Ich habe schon das Vertrauen eines verständigen Mannes, der in der Welt lebt erworben, mit dessen Hülfe will ich bald alle Verhältniße kennen lernen und sehen was die Herzoginn zu thun und zu lassen hat.

Was den Genuß der Natur und der Kunst betrifft; so bin ich gewiß daß ihr ihn niemand so verschaffen kann, wie ich es im Stande bin, kann ich noch das Verhältniß gegen das Publikum schicklich und wenig lästig machen; so werde ich mich meines Dienstes nicht zu schämen haben.

Vielleicht schickt es sich im May eine Excursion nach Neapel zu machen. Ich präsentire mich alsdenn auch dort bey Hofe und sondire das Terrain, eben so machte ich es in Florenz, wenn ich der Herzoginn entgegen gehe, denn es wäre meine Absicht sie in Verona zu empfangen. Kommt sie alsdenn mit jemand an, der schon bekannt (und wie ich mich zu betragen hoffe, beliebt) ist; so macht sich alles leichter, besonders da man sowohl in Neapel als Florenz auf einem natürlichen Fuß bey Hofe (insofern sich das dencken läßt) lebt und alles ohne Etiquette und Steifheit wird abgethan werden können. Was die häuslichen Einrichtungen betrifft, diese sollen bestens bedacht werden. Einen großen Dienst werde ich der Herzoginn erzeigen können: ihr alle leidige Verkäufer vom Halse zu halten, welche ein wahres aufpassendes Geschmeiß sind und ein besonder[331] Geschick haben Reisende zu kompromittiren und sich anzudringen.

Ich werde ihr einige Sachen bestellen und anschaffen, die ihr Freude machen mit wenigem, ich habe diese Materie aus dem Fundament zu studiren Gelegenheit gehabt.

Wegen meiner Ausgaben dient folgendes zur Nachricht. Ich habe die Summe, welche ich Ihrer Güte und Vorsorge dancke bisher fort erhoben und sie nach Abzug dessen was mir meine fortgehende Wirthschafft kostet auf die Reise verwendet, dabey noch 1000 rh. welche mir die vier ersten Bände meiner Schriften eintrugen verzehrt. Bey meiner Lebensart hätte ich sollen wohlfeiler davon kommen, allein meine Existenz ist wieder auf eine wahre Wilhelmiade hinausgelaufen. Doch kann ich völlig zufrieden seyn meine Entzwecke aus dem Grunde erreicht zu haben. Auch habe ich Bedacht gehabt mein Inkognito selbst, durch eine mäßige und schickliche Freygebigkeit respecktable zu machen und dadurch daß ich einige Künstler immer mit mir leben ließ, zugleich Lehrer Freunde und Diener erworben. Es hat sich alles so hübsch gemacht, daß ich völlig zufrieden seyn kann. Das Osterquartal und den Betrag des fünften Bandes, hatte ich zu meiner Rückreise bestimmt und wäre ohne das mindeste Derangement in meine alte Haushaltung wieder eingetreten. Auch will ich gern wenn Sie mir Ihre Güte kontinuiren was mir dieses Jahr von meinen Schriften[332] einkommt fernerhin anwenden und werde mir nur das surplus von Ihrer Frau Mutter erbitten, damit ich rein und ohne Sorgen bleibe. Daß ich mich ein wenig equippiren und ein ander Quartier beziehen muß, wird einigen Aufwand machen. So weit meine Vorschläge, welchen ich Ihren Beyrath und Billigung wünsche.

Noch will ich niemand entschieden schreiben daß ich hier bleibe, auch von Ihnen noch von Weimar aus nähere Bestimmung erwarten. Ich schreibe auch Ihrer Frau Mutter nichts und richte mich nur indessen gelassen hier drauf ein.

Was Ihre innere Wirthschaft betrifft, haben Sie an Schmidten, einen trefflichen Rathgeber, er ist ein Haushälter von Haus aus, ohne Ihre Finanzen in seinen Händen zu wissen, könnte ich nicht einen Augenblick ruhig seyn. Von Wetkens Tod wird wohl zu profitiren seyn. Sollten Sie etwa den alten Bachmann zum Assessor machen; so gedencken Sie Seidels den ich Ihnen in einem Briefe schon empfohlen. Lassen Sie seine Fähigkeiten prüfen, für seine Treue und Honnettetät steh ich.

Das nunmehr versicherte Glück des Bergwercks freut mich unendlich und wir können nun mit ernstlichen Anstalten dem Wercke entgegen gehn. An Voigten haben Sie einen tüchtigen Arbeiter, geben Sie ihm zu den Ilmenauer Sachen einen jungen Mann zu. Ich habe schon deshalb an ihn geschrieben, er wird mit[333] Schmidt sprechen und man wird Ihnen die Sache vorlegen. Ich wiederhohle nochmals: daß wenn Sie bey Ihrer Zurückkunft mich nötig finden sollten; ich auf jeden Winck zu kommen bereit bin. Gar manches macht mir den Rückweg nach Hause reitzend. Ohne Ihren Umgang, den Umgang geprüfter Freunde länger zu leben ist denn doch so eine Sache. Das Herz wird in einem fremden Lande, merck ich, leicht kalt und frech, weil Liebe und Zutrauen selten angewandt ist. Ich habe nun soviel in Kunst- und Natur-Kenntniß profitirt, daß ein weiteres Studium durch die Nähe unsrer Akademie Jena sehr erleichtert werden würde. Hier ist man gar zu sehr von Hülfsmitteln entblößt. Dann hoffte ich auch meine Schriften mit mehr Musse und Ruhe zu endigen, als in einem Lande wo alles einen ausser sich ruft. Besonders wenn es mir nun Pflicht wird der Welt zu leben.

Bestätigen Sie mir Ihren Willen daß ich Ostern hier bleiben soll; so sehe ich mich als einen Diener der Herzoginn an und subordinire meine übrige Existenz dieser Pflicht. Es wird mir Anfangs wunderbar vorkommen und doch für die Zukunft heilsam seyn, daß ich genötigt werde wieder unter allerley Menschen zu leben.

Luchesini habe ich, seit er wieder in Rom ist, kaum gesehen. Er lebt ganz in der Welt, wie es seine Bestimmung fordert und auch zu Hause ist er nicht einen Augenblick allein. Seit Neapel, da er mir von[334] Ihnen und den Geschäfften erzählte, habe ich kein vertraulich Wort mit ihm sprechen können, so geneigt ich um Ihret und Meinetwillen dazu war. Sowohl in Neapel als nachher in Rom, da ich nur seine Ankunft erfuhr, bin ich zu ihm geeilt, wenn ich ihn nicht traf, hab ich mir einen zweyten Weg nicht reuen lassen. Dagegen hat er mich weder durch ein p. p. c. geehrt, noch mir auch seine zweyte Ankunft in Rom nur wissen lassen. Wir wohnen in derselben Straße, etwa 500 Schritte von einander, er ist den ganzen Tag in der Kutsche und es ist ihm nie eingefallen nur vorm Hause zu halten und ein Billet heraufzuschicken. Ich rechne es auf die Geschäfftigkeit seines Geistes, der hier zu thun genug findet. Ich bin ihm zu nichts nütze drum sucht er mich nicht. Ich finde es natürlich und bitte daß Sie Sich nichts mercken lassen. Er ist hier natürlich sehr gern gesehn und sie ist auch wohl gelitten.

Nun wäre wohl Zeit, daß ich dießmal schlöße. Ich habe lang die Freude nicht gehabt mich ganz offen und frey gegen Sie zu erklären und kann nun auch nicht endigen.

Meine größte Sorge, die ich zu Hause habe ist Fritz. Er tritt in die Zeit wo die Natur sich zu regen anfängt und wo leicht sein übriges Leben verdorben werden kann. Sehen Sie doch auch ein wenig auf ihn.

Gehen Sie mit Sich Selbst so gelind als möglich[335] um. Ihre phisischen Übel lassen mich nie ohne Sorge und es muß auch Ihr Gemüth, in einem immer geschäftigen und doch meist genußlosen Leben, leiden.

Erhalten Sie mir Ihre Liebe ein Geschenck das mir jeden ältern Verlust ersetzte und mir jeden neueren ertragen machte und bleiben Sie überzeugt daß bey einer wahren Harmonie der Gemüther man einander immer wieder begegnet, wenn man noch so weit auseinander zu gehen scheint.

G.


Schicken Sie mir doch gelegentlich die ausführliche französche Adresse des Coadjutors.


8/2638.


An Charlotte von Stein

Heute meine liebe erhälst du wenig. Diese ganze Woche ist auf Claudinen gewendet worden und heute bin ich herzlich müde und habe das Schreiben satt. Genieße die beyden Ackte mit Herders und laß sie dir statt des heutigen Briefes seyn. Schreibt mir bald wie es euch gefällt auch wie Erwin gefallen hat. Ihr müßt immer dencken daß diese Stücke gespielt und gesungen werden müssen, zum Lesen, auch zum blosen Aufführen hätte man sie viel besser machen können und müssen. Grüße Fritzen. Liebe mich. Lebe wohl.

G.[336]


Eben kommt dein Brief No 1. ich dancke dir. Auch Alle vorhergehende Numern 39 incl. sind angekommen, setze mir deine Liebe fort.

Grüße Fritzen. Es ist albern von Krausen die Zeichnung der Angelika zu radiren ohne vorher anzufragen. Doch mag es hingehn.

Grüße die Imhof herzlich. Gieb von meinen Zeichnungen die ich dir schicke nichts aus den Händen. Lebe wohl. Liebe mich.

d. 26. Jan 88.

G.


8/2639.


An Philipp Seidel

Rom, d. 26. Jan. 88.

Ich erhalte zwey Briefe von dir, die mir deinen Eifer für mein Bestes zeigen, ich eile dich mit wenigen Worten zu beruhigen, mit dem ausdrücklichen Beding: gegen niemand etwas zu erwähnen, nur darfst du wohl, wenn man mit Besorgnissen pp. an dich kommt zu erkennen geben: daß du über mich und meinen Zustand ruhig seyst. Ich sage dir also daß alles was ich thue, mit des Herzogs Willen und nach seinem Willen geschieht, daß auch mein Kommen oder Außenbleiben ganz von seinem Wincke abhängen wird, daß mein Verhältniß zu ihm so gut und rein ist, als es jemals war und daß es unmöglich ist je gestört zu werden.

[337] Nimm also diese Herzstärckung gegen alle Hauche der Dämonen aller Art und laß dich nichts anfechten, widme dich immer mehr deiner eigentlichen Bestimmung, ich hoffe es wird dein gedacht werden. Lebe wohl.

G.


8/2640.


An Christian Gottlob Voigt

Rom d. 27. Jan. [- 9. Febr.] 88.

Ich kann nicht Einen Posttag länger verschieben Ihnen zu schreiben, ob mir gleich die Narren allerley Art heute den Kopf sehr verwüstet haben. Das Karneval ist angegangen und da unsere Strase der Schauplatz desselben ist; so sehen wir acht unruhige Tage vor uns. Es war sehr schönes Wetter. Fusgänger und Kutschen für den ersten Tag zahlreich genug. Da ich nicht weit vom Obelisk wohne; so ist aus unsern Fenstern ein schöner Anblick. Der Obelisk, hinter ihm die Porta del Popolo, vor dem Obelisk, nach dem Cors zu, eine lange mit Teppichen behängte Bühne für Zuschauer, vor der Bühne das Seil hinter dem die Pferde gehalten werden die sich zum Ablaufen sträuben und bäumen. Der Platz an beyden Seiten gleichfalls mit Bühnen für Zuschauer und die Strase hin, auf 3000 Schritte, alles voller Kutschen an beyden Seiten und voll Menschen, nur ein schmaler Lauf für die Pferde. Als Pferderennen[338] betrachtet ist es wenig oder nichts, die ganze Lokalität zusammen ist interessant und merckwürdig.

So sieht es unter dem römischen Himmel aus und ich höre Sie haben auch nur zu schönes Wetter in Deutschland. Was soll daraus werden.

Nun aber auch, mein bester Gefährte und Geleitsmann in den Tiefen, lassen Sie uns unter die Erde steigen so weit es uns die Wasser erlauben.

Alles was ich als dramatischer Dichter und Romanenschreiber an dem Menschengeschlecht verschuldet habe, daß ich die Herzen so oft nach Belieben erfreut und gequält, das haben Sie reichlich durch Ihren letzten Brief gerochen. Er war trefflich komponirt um mich alle Freude und Hoffnungen mit empfinden zu lassen und sodann, wenn schon nicht die Hoffnung doch die nächste Freude zu ersäufen. Aber nur getrost. Noch ist ein gutes Glück bey unserm Bergbau. Wir haben doch jetzt die gewisse Anzeige und müssen immer bedencken: daß es törig wäre da zu verzweiflen, wenn das begegnet was man voraussehen konnte.

d. 2. Febr.

Ich ward abgehalten diesen Brief zu endigen, nun soll er heute auch gewiß fort.

So eben erhalte ich Ihren Brief vom 14. Jan. und dancke auch für dieses Andencken.

Möge das Haupt Kunstzeug so glücklich gerathen, als das Interims K. Zeug und uns biß auf die Tiefe bringen und möge Ihre anhaltende Betriebsamkeit[339] überall so erkannt werden, wie ich sie erkenne. Glauben Sie, daß ich dagegen was in meinen Kräften steht, gewiß thun werde, um die Enge Ihres häuslichen Zustandes auszuweiten.

Die Abwesenheit unsers gnädigsten Herrn von Hause setzt mich auch in einige Verlegenheit.

Ich erwarte von seinen Wincken die Bestimmung meines Kommens. Indessen, habe ich mich ganz angeschickt, nach Ostern Rom zu verlassen, auch schon Bücher und alle meine Studien nach der Natur, an meine Mutter, mit einer Gelegenheit abgesendet, mein Herz neigt sich zu meinen Freunden und aus diesem Paradiese wieder in die thätige Welt.

d. 9. Febr.

Noch einen Posttag blieb dieses Blat liegen. Es waren gar zu lärmende Tage und auf heute mußte ich den Schluß meines fünften Bandes völlig in Ordnung setzen, er geht mit diesem Briefe ab. Ich wünsche ihm wenn er Ostern erscheint auch Ihren Beyfall.

Des Hrn. Bruders Briefe habe ich erhalten. Dancken Sie ihm ich werde seine Cabinetchen zu empfehlen suchen. Wegen der Hornschiefer kann ich ihm schlechten Trost geben. Ich habe keine Lava die ihm ähnlich wäre gefunden und habe ihn schon in Deutschland nicht für vulkanisch gehalten. Er soll gegen seine Widersacher nur defensive gehn. Komme ich einmal zurück und kann wieder an diese Materie dencken;[340] so giebt es vielleicht ein Mittel beyde Parteyen mit Ehren zu vereinigen. Leben Sie recht wohl, empfehlen Sie mich den Ihrigen und gedencken mein in guten Stunden.

Goethe.


Ich sehe wohl ein daß die dießmalige Nachricht ans Publikum eine eigentliche Composition, ein Kunstwerck werden wird.

Grüßen Sie doch gelegentlich H. u. Fr. v. Trebra von mir aufs Beste.


8/2641.


An Georg Joachim Göschen

Rom, den 9. Febr. 88.

Ew. Hochedelgeb.

Brief vom 27. Novbr. vorigen Jahrs erhalte ich erst heute, eben da ich in Begriff stehe an Sie zu schreiben.

Es ist mir angenehm, daß Sie wegen der verschiedenen Mängel unserer Ausgabe einige Auskunst geben. Ich glaube gern, daß Ihnen manches selbst Mißvergnügen gemacht hat und weiß recht gut, daß bey einem solchen Unternehmen sich manche Hinderniße in den Weg legen.

Ich halte mir ein Exemplar, in welches ich wie die Zeit erlaubt, hineinschaue, um alle Druckfehler, Auslassungen, und was mir sonst vorkommt, zu korrigiren[341] und zu notiren. Es ist dieses eine gute Vorarbeit zu einer künftigen Ausgabe.

Heute geht der letzte Ackt Claudinens an Herrn Herder ab. Leider kann ich nur, und das knapp genug, den fünften Band zur Ostermesse bringen. Als ich nach geendigtem Egmont, die beyden Singspiele Erwin und Claudine durchsah, um mit kleinen Correckturen nachzuhelfen, sah ich gar bald daß ohne völlige Umarbeitung aus beyden Stücken nichts werden könne. Ich entschloß mich dazu und werde erst in dem Augenblicke fertig. Das Publikum wird hoffe ich zufrieden seyn, in diesem Bande nicht allein Egmont als ein Ganzes, sondern noch dabey zwey neue Singspiele zu finden. Von den Scizzen der ersten Ausgabe ist nur der Nahme und einige Liedchen übriggeblieben. Der folgende Band wird wahrscheinlich Tasso, Lila, Jery und Bätely und die Fischerinn enthalten. Mit diesen Stücken geht es mir nicht besser als mit obgenannten Operetten. Ich muß sie ganz neu arbeiten, wenn sie in Gesellschaft der vorigen Bände sich nicht schämen sollen. So wird man aus einem ins andere geführt. Die schwerste Arbeit die mir bevorsteht ist Faust. Doch eins nach dem andern.

Die Vermischte Gedichte zum letzten Bande habe ich auch schon gesammelt und meist zusammengeschrieben; doch will auch dieser achte Band wohl ausgedacht und ausgeziert seyn.

[342] Die Kupfer zu den drey folgenden Bänden hoffe ich auch hier stechen zu lassen. Wenns möglich ist; so laß ich sie bald und alle nach einander machen, denn Herr Lips hat einen Ruf nach Florenz erhalten. Für die beyden Platten zum dritten und fünften Bande erhält Herr Lips 8 Carolin oder französche Louisdor. Wollen Sie wegen der zwey Vignetten zur Iphigenie noch etwas zulegen; so wird es ihn freuen. Künftig will ich auch für die Titel Vignetten hier sorgen lassen, damit alles mehr Einheit habe.

Wollen Sie das Geld für Herrn Lips zugleich mit dem Betrag des fünften Bandes an den Cammerkalkulator Seidel auszahlen, so kann ich Herrn Lips hier befriedigen.

Den Buchhändler Chiupponi und Sigr. Niorrazzi kenne ich nicht.

Die Litteraturzeitung wird künftig regelmäsig litterarische Beyträge aus Italien erhalten. Herr Legations Rath Bertuch kann Ihnen von den interessantesten Wercken, jedesmal, wenn Sie ihn darum ersuchen, einige Notiz geben.

Ich sehne mich recht nach der Vollendung unserer Ausgabe der acht Bände, um alsdann an neue Arbeiten zu gehen. Sie können denken, was für eine Menge Stoff ich dieß Jahr gesammelt habe, mehr als ich je zu verarbeiten hoffen kann.

Herr Legations Rath Bertuch schreibt mir daß Sie[343] eine liebenswürdige Braut gefunden haben, ich wünsche Ihnen das beste Glück zu dieser Verbindung.

Leben Sie recht wohl.

Goethe.


Allem Irrthum auszuweichen notire ich nochmals:

Der fünfte Band.

Wozu das Titel Kupfer schon in Hrn. Herders Händen ist, enthält:

Egmont.

Claudine von Villa Bella.

Erwin und Elmire.


8/2642.


An Philipp Seidel

Rom d. 9. Febr. 88.

Mit der heutigen Post geht an Hrn. Herder der dritte Ackt Claudinens ab. Der ganze fünfte Band ist nun in seinen Händen. Mache nun deine Sache mit Göschen und sorge daß du das Geld gegen den letzten Theil des Manuscripts gleich erhaltest. Gieb es nicht eher aus der Hand, du brauchst dich nur auf deinen Auftrag zu beziehen.

Nun habe ich wegen Fritzens etwas mit dir zu reden. Überlege doch, ob du Zeit Musse und Lust hast dich seiner anzunehmen und ihm einigen Unterricht zu geben. Ich wünsche es besonders, da ich noch[344] nicht weiß wie es mit mir auf Ostern wird. Mein Gedancke wäre: daß du ihm von dem Rechnungswesen im allgemeinen Begriffe gäbest, dann im besondern was zu dieser und jener Art, besonders bey Cammern und Ämtern nötig ist, ihn eben in den Begriff leitetest, von dem was bey einem Rechnungs Amte vorkommt, seine Fähigkeit zum mechanischen prüftest um überhaupt zu sehen, wo sein Gemüth hinauswill. Du könntest ihm einen sinnlichen Begriff von den Einkünften des Fürsten geben, von der Art, wie sie zu er heben, zu verwahren, zu berechnen pp. Genug ihn mit pracktischem lebendigem Sinne in den Vorhof kameralistischer Beschäftigungen führen. Und mir schriftlich oder mündlich deine Gedancken sagen. Du findest wohl Zeit hierzu und übernimmst wohl gerne dieses Geschäfte, das löblich ist und wodurch du mir eine Sorge abnimmst. Dencke zugleich an sein physisches Wohl und mache dir eine Angelegenheit zu sehen: wie es mit der Entwicklung seiner Kräfte geht und wird. Sprich Fr. v. Stein über das alles, ich habe ihr schon deßhalb geschrieben. Du begreifst meine Absicht und wirst sie gut durchdencken und ihr entgegen arbeiten. Hast du nur einen vierwöchentlichen Versuch gemacht, so läßt sich weiter und Bestimmtes über die Sache handeln.

Über deine Microscopische Beobachtungen und noch mehr über deine Gedancken dabey müssen wir uns dereinst mündlich umständlicher erklären. Es sind zu[345] zarte Sachen, und die Bestimmung der Worte und Ausdrücke verlangt große Genauigkeit die in Schriften kaum, in Briefen nie erhalten werden kann.

Du wirst von Göschen auch noch ausser dem stipulirten Gelde für den 5. Band, eine Summe, für die Kupferstiche erhalten. Ich schicke zugleich die Quittungen aufs Osterquartal, damit du alles berichtigen kannst: Denn ich wünsche, daß du mir 250 Scudi an Hrn. Hofr. Reifenstein auszahlen lassest. Wenn das Geld Ostern hier ist; so ist es gut.

Grüße Collina und gieb ihm inliegendes Blat, er wird dir die Summe von 16 Scudi zahlen die er mir schuldig ist.

Lebe wohl und laß mich hören daß du wohl bist und mich liebst.

G.


8/2643.


An den Herzog Carl August

Rom d. 16. Febr.

Als ich Ihre liebe Hand unter einem Umschlag von Fr. v. Stein erblickte, dachte ich ein Wort aus Weimar von Ihnen zu erhalten. Es war noch aus Maynz es erfreute mich recht, da es mir Ihre Wiedergenesung versichert. Ich war gutmüthig genug, bey Lesung Ihres Briefs, den mir der Curier brachte, an Hämorroiden zu dencken und sehe nun freylich daß die Nachbarschaft gelitten hat. Wenn nur durch diese[346] verdrüßliche Inoculation alles Böse aufeinmal aus dem Körper getrieben worden ist. Ich werde nicht verfehlen mit dem geheimnißvollen Sigillo [es folgen die Symbole für: Mercur Waage Widder Löwe Scorpion] den bösen Geistern zu trutzen. Sie schreiben so überzeugend, daß man ein cervello tosto sein müßte, um nicht in den süßen Blumen Garten gelockt zu werden. Es scheint daß Ihre gute Gedancken unterm 22. Jan. unmittelbar nach Rom gewürckt haben, denn ich könnte schon von einigen anmutigen Spazirgängen erzählen.

So viel ist gewiß und haben Sie, als ein Doctor longe experientissimus, vorkommen recht, daß eine dergleichen mäßige Bewegung, das Gemüth erfrischt und den Körper in ein köstliches Gleichgewicht bringt. Wie ich solches in meinem Leben mehr als einmal erfahren, dagegen auch die Unbequemlichkeit gespürt habe, wenn ich mich von dem breiten Wege, auf dem engen Pfad der Enthaltsamkeit und Sicherheit einleiten wollte.

Ich habe zeither fleisig an meinen Operibus fort geboßelt und getüftelt. Erwin, Claudine, Lila, Jeri ist alles in bester Ordnung. Auch meine kleinen Gedichte so ziemlich. Nun steht mir fast nichts als der Hügel Tasso und der Berg Faustus vor der Nase. Ich werde weder Tag noch Nacht ruhen biß, beyde fertig sind. Ich habe zu beyden eine sonderbare Neigung und neuerdings wunderbare Aussichten und Hoffnungen. Alle diese Recapitulationen alter Ideen, diese Bearbeitungen solcher Gegenstände, von denen[347] ich auf immer getrennt zu seyn glaubte, zu denen ich fast mit keiner Ahndung hinreichte, machen mir große Freude. Dieses Summa Summarum meines Lebens giebt mir Muth und Freude, wieder ein neues Blat zu eröffnen.

Die Caracktere die Sie mir schildern sind sehr interessant und neu, wie alles, was recht gesehen und recht gesprochen ist. Soviel weiß ich daß ich subito wenn die acht Bände absolvirt sind den Wilhelm ausschreibe und zwar an Ihrer Seite und wenns in Aschersleben seyn sollte. Gebe der Himmel daß ich mich nie wieder appesantire und wenn Sie fortfahren wollen als Leibarzt an mir zu handeln; so sollen Sie Freude, wenigstens an der Folgsamkeit des Patienten haben.

Ihre Nachfrage nach Raphaels Schädel, erinnert mich an meine Versäumniß. Diese köstliche Reliquie habe ich noch nicht besucht, noch das schöne Bild von ihm nicht gesehen das in der Akademie von St. Luca hängt. Ich will nächste Woche hingehen, und mich bey Rath Reifenstein erkundigen, welche Wege man einzuschlagen hat, um den Schädelformen zu lassen. Ihre andern Aufträge werde ich besorgen. Noch immer hoffe ich auf eine Antike Nemesis. Mir sind sonst artige Steinchen in die Hände gekommen. Ich habe etwa fünfzig, unter denen fünfe sind, die einem immer Spas machen können. Der Stein mit den Kriegern war nicht zu haben. Der Händler wollte keinen[348] Preis recht angeben und hat ihn nun an einen seiner Kunden geschickt, von dem er einen fortwährenden Austrag hat.

Die beyden Blätter Kupferstiche will ich gleich ins Haus nehmen und sie recht studiren ob die Abdrücke das Geld werth sind. Ich irrte in meinem letzten Brief, der St. Lorenz ist nur von Marc Anton aber das Blatt der Blätter. Man würde schon vergnügt seyn einen Fetzen davon zu besitzen. Der Kindermord ist von einem gleichzeitigen treflichen Kupferstecher. Beyde nach Bacio Bandinelli.

Sobald die Platanen bey Nemi Blätter haben, will ich mir zur Pflicht machen, den famosen Trog mit dem Beywesen zu zeichnen. Überhaupt hoffe ich nun balde mit etwas gedachterem und ausgeführterem aufwarten zu können.

Ich weiß nicht soll ich mirs zur Tugend oder zum Fehler rechnen, daß ich, ohngeachtet Sie so bestimmt als gütig, meinen längern Aufenthalt in Italien voraussetzen, noch von Weimar aus die Bestätigung Ihres Willens erwarte, eh ich mich recht breit hier nieder zu setzen wage.

Das Kupfer zu Egmont ist von Angelika gezeichnet von Lips gestochen. Es freut mich wenn es Ihnen gefällt. Ich kann die Stunde nicht erwarten biß Sie Egmont gelesen haben und ich Ihre Meynung drüber vernehme.

Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn auf[349] das angelegentlichste und fahren Sie fort in Liebe meiner zu gedencken. Ihre Briefe sind wie die Tramontane, sie machen den Himmel heiter.


8/2644.


An Friedrich Constantin von Stein

Rom, den 16. Februar 1788.

Du hättest lange einen Brief von mir haben sollen, denn die deinigen erfreuen mich sehr, auch denke ich oft an dich, und wenn ich meinem zweiten Fritz etwas zu Liebe thue, so thu' ich im Herzen es mit um deines Namens willen. Dieser zweite Fritz ist um zehn Jahre älter als du, und eben auch ein vernünftiger Kindskopf. Du wirst dich gut mit ihm vertragen, wenn du ihn einmal zu sehen kriegst. Er hat mich auch recht lieb. Da er einen erstaunlichen Abscheu für Schnee, Eis u. s. w. und Allem, was nach Norden schmeckt, empfindet (er ist sehr jung nach Rom gekommen), so ist der Abendsegen: »Die Zwillinge sind in der Nähe«, auf seinen Zustand abgeändert worden. Und wenn er Abends bei Tische anfängt einzuschlafen, so wird Folgendes recitirt:


Der Segen wird gesprochen!

Die Riesin liegt in den Wochen;

Die Wölfe sind ausgekrochen.

Sie liegt zwischen Eis, und Nebel und Schnee,

Tränke gerne Eicheln- und Rübenkaffee,[350]

Wenn sie ihn nur hätte! –

Da läuft die Maus! –

Kind geh' zu Bette

Und lösche die Lichter aus.


Ich werde mich freuen, wenn ich diesen Abendsegen einmal über dich sprechen kann. Recitire ihn Herder's und dem Fräulein Göchhausen.

Wenn du durch Thurneisen die Sepia erhältst, so gieb ein Paar Stückchen an Herrn Rath Krause. Es war nicht artig von ihm, daß er ohne Anfrage deine Zeichnung radirt hat, indessen mag es gut seyn.

Die Crystallisationen liegen, wie Ihr vermuthet, im Marmorschränkchen, im Cabinett, wo Tischbein's Bild hängt. Der Schlüssel ist größer, als die zu den übrigen Steinschränken, und sollte bei ihnen an einem Bunde seyn.

Das Carneval ist recht lustig abgelaufen, es war schön Wetter und das Volk vergnügt ohne ausgelassen zu seyn. Außer den letzten Abend der Mocoli, wo ein solches Geschrei und ein Precipizio war, das sich nicht denken läßt. Doch ist Niemand dabei zu Schaden gekommen. Angelika hat dein dabei gedacht, und dich zu uns in den Wagen gewünscht.

Was du aus meinem Hause brauchst, das nimm zu dir, ich freue mich, wenn dir etwas von dem Meinigen nützlich ist.

Unsere kleine Haushaltung geht recht ordentlich. Herr Kayser komponirt die Symphonie, die Lieder[351] und Zwischenspiele zu Egmont. Herr Schütz von Frankfurt malt ein Bild und zeichnet mancherlei. Herr Bury von Hanau, sonst Fritz der Zweite, macht Zeichnungen nach Michael Angelo in der Kapelle Sixtina. Unsre Alte kocht, unser Alter (der Vater von Filippo) schleicht herum, die hinckende Magd schwätzt mehr als sie thut, ein Bedienter, der ein Ex-Jesuit ist, bessert die Röcke aus und wartet auf, und das Kätzchen kriegt viele Lerchenköpfe, die oft gegessen werden. Es fehlt Niemand als du, um von Allen zu lernen, und an Allem Theil zu nehmen.

Du schriebst neulich von einem Grab der Miß Gore bei Rom. Vor einigen Abenden, da ich traurige Gedanken hatte, zeichnete ich meines bei der Pyramide des Cestius, ich will es gelegentlich fertig tuschen, und dann sollst du es haben.

In einigen Tagen werde ich dagegen lustige Gegenden aus Neapel und Sicilien in farbigen Zeichnungen erhalten, die alle betrübte Gedanken vertreiben sollen. –

Ich habe wieder allerlei Steinchen gefunden, ein recht sonderbares, womit ich diesen Brief siegeln will. Ein Adler, der an der Brust ein Löwenhaupt und hinterrücks einen Widderkopf trägt. Du kannst es mit einem Mikroscop ansehen, die drei Köpfchen sind gar natürlich gemacht und über dem Widderkopfe geht eine Kornähre in die Höh'. Was sich die Alten dabei gedacht haben, mag der Himmel wissen.

[352] Lebe recht wohl und grüße alle Freunde, besonders deine Großeltern, die Tanten und die Onkels, Lottchen Lengfeld, Frau von Lichtenberg, Frau von Kalb, Frau von Eglofstein, und wer sonst mein gedenken mag.

Schreibe mir immer und laß dich nicht verdrießen, wenn ich nicht immer, nicht gleich antworte. Bei Herrn Rath Bertuch wirst du Masken des römischen Carnevals sehen, die lustig genug sind. Lebe wohl.

G.


8/2645.


An Angelika Kauffmann

[Februar?]

Es scheint daß man in dem Studio de tedeschi, in contro al Rondanini, von einer Extremität zur andern gehe. Vorige Woche zeichnete man die Menschen wie sie Gott erschaffen hat, und diese Woche will man sie ganz in Stahl und Eisen kleiden.

Nach diesem Eingang folgt eine Bitte, theuerste Freundinn.

Besitzen Sie ein Kupfer, worauf ein Held in nordischer Rüstung, das heisst von Kopf zu Fuß gewaffnet, vorgestellt wird; so bitte ich darum auf einige Tage.

Es ist eine sonderbare Zaubergeschichte in Arbeit, welche ich Sonntags vorzulegen hoffe. Am sbagliren wollen wirs nicht fehlen lassen, in Hoffnung einmal zu treffen.

[353] Ich bitte nicht um Vergebung, denn ich habe einmal General Pardon.

Leben Sie bestens wohl.

G.


8/2646.


An Philipp Seidel

[15. März.]

Beyliegender Brief den mir der alte Collina gegeben hat und den ich eben leße ist so zu erklären: daß eben der gute Alte kein Gedächtniß mehr hat und sich keiner Sache mehr erinnert. Denn er hätte sonst wissen können, daß er durch mich an seinen Sohn Briefe schicken kann, ferner daß sein Sohn ihm von der Reise und bey der Ankunft in Weimar geschrieben hat, denn er hat mir ja alle die Briefe selbst gezeigt. Sage das also Collina damit er nicht irre wird und glaube sein Vater habe die Briefe nicht empfangen.

Deinen Brief vom 25. Febr. erhalte ich heut. Ich werde, sobald möglich von Rom aufbrechen. Wegen Fritzen vertrau ich dir ganz, es soll mich freuen, selbst Zeuge deiner Bemühungen zu seyn und mitzuwürcken.

Was Claudinen betrifft; so fehlen dir einige Data das Stück ganz richtig zu beurtheilen. Habe ich eine fette Oper gemacht; so ist mein Zweck erreicht. Du bist eben ein prosaischer Deutscher und meynst ein Kunstwerck müße sich verschlingen laßen wie eine[354] Auster. Weil du die Verse nicht zu lesen verstehst, denckst du es solle niemand in Versen schreiben.

Wäre diese Claudine komponirt und vorgestellt wie sie geschrieben ist; so solltest du anders reden. Was Musikus, Ackteur, Dekorateur dazu thun müssen und was es überhaupt heißt: ein solches Ganze von seiner Seite anzulegen daß die übrigen mitarbeiten und mitwürcken können, kann der Leser nicht hinzuthun und glaubt doch immer er müße es können weil es geschrieben oder gedruckt ist. Davon mehr, wenn wir uns wiedersehen, Wie auch über deine salinische Beobachtungen. Du wirst dich ereifern, wenn ich dir sage, daß ich noch gar nicht überzeugt bin, daß ich dich vielmehr gewiß zu überzeugen hoffe. Es versteht sich, daß ich alle deine Beobachtungen als wahr annehme, nur andre Folgerungen daraus ziehe.

Lebe wohl.

NB. Der alte Collin fängt seinen Brief an: Caro Padre. Auch daraus ist zu ersehen wie schwach der gute Alte ist.

G.


8/2647.


An den Herzog Carl August

Rom d. 17. [und 18.] März 88.

Ihren freundlichen, herzlichen Brief beantworte ich sogleich mit einem fröhlichen: ich komme! So werden meine Hoffnungen, Wünsche und so wird mein erster Vorsatz erfüllt. Ich fühle ganz den Umfang Ihrer[355] Güte, mein erster und nächster Danck soll eine unbedingte Aufrichtigkeit seyn. Die Zartheit womit Sie mich behandeln, heißt mich alle sogenannte Delikatessen zu vermeiden, welche genau betrachtet wohl öfter Prätensionen scheinen möchten. Ihrer Frau Mutter hätte ich, wenn Sie es nötig und schicklich gehalten hätten, gerne meine Dienste in Italien gewiedmet, ob ich gleich wohl einsehe, daß ich dabey mehr würde eingebüßt haben als sie durch meine Gegenwart gewinnen konnte. Doch glaube ich durch manche Vorbereitung auch für dieselbe nicht ganz unnütze in Italien gewesen zu seyn.

Diese Woche geht im Taumel vorüber, man muß mit dem Strome fortziehen. Sobald uns der dritte Feyertag erschienen ist mache ich ernstliche Anstalt zur Abreise. Ich erwarte noch einiges von Neapel, habe für mich und andre mancherley in Ordnung zu setzen, sovielerley Fäden abzulösen, die sich dieses Jahr angesponnen und seit Ihrem Maynzer Briefe sich mit einiger Sicherheit fester geknüpft haben. Alles übersehen, glaube ich Ende Aprils gewiß in Florenz zu seyn. Ich werde eilen das merckwürdigste dieser Stadt, die Arbeiten Correges in Parma, sodann Mayland zu sehen und durchzugehen und wünschte dann über Chiavenna und Chur, über Lindau, Augsburg und Nürnberg den Weg nach Hause zu nehmen. Ich habe meiner Mutter schon die Hoffnung benommen mich auf der Rückreise wieder zu sehen und habe sie auf eine andere[356] Gelegenheit vertröstet. Sowohl noch von Rom aus, als auf der Reise werde ich fleißig schreiben und von meinen Zuständen und meiner Wandrung Nachricht geben.

Wie ich nun nach diesen Aspeckten erst in der Hälfte Juni zu Hause anlangen könnte; so würde ich noch eine Bitte hinzufügen: daß Sie mir, nach meiner Ankunft, dem Gegenwärtigen den Urlaub gönnen wollten, den Sie dem Abwesenden schon gegeben haben. Mein Wunsch ist: bey einer sonderbaren und unbezwinglichen Gemüthsart, die mich, sogar in völliger Freyheit und im Genuß des erflehtesten Glücks, manches hat leiden machen, mich an Ihrer Seite, mit den Ihrigen, in dem Ihrigen wiederzufinden, die Summe meiner Reise zu ziehen und die Masse mancher Lebenserinnerungen und Kunstüberlegungen in die drey letzten Bände meiner Schriften zu schließen.

Ich darf wohl sagen: ich habe mich in dieser anderthalbjährigen Einsamkeit selbst wiedergefunden; aber als was? – Als Künstler! Was ich sonst noch bin, werden Sie beurtheilen und nutzen. Sie haben durch Ihr fortdaurendes würckendes Leben, jene fürstliche Kenntniß: wozu die Menschen zu brauchen sind, immer mehr erweitert und geschärft, wie mir jeder Ihrer Briefe deutlich sehen läßt; dieser Beurtheilung unterwerfe ich mich gern. Nehmen Sie mich als Gast auf, laßen Sie mich an Ihrer Seite das ganze Maas meiner Existenz ausfüllen und des Lebens genießen;[357] so wird meine Kraft, wie eine nun geöffnete, gesammelte, gereinigte Quelle von einer Höhe, nach Ihrem Willen leicht dahin oder dorthin zu leiten seyn. Ihre Gesinnungen, die Sie mir vorläufig in Ihrem Briefe zu erkennen geben sind so schön und für mich bis zur Beschämung ehrenvoll. Ich kann nur sagen: Herr hie bin ich, mache aus deinem Knecht was du willst. Jeder Platz, jedes Plätzchen die Sie mir aufheben, sollen mir lieb seyn, ich will gerne gehen und kommen, niedersitzen und aufstehn.

Alles was ich bißher gesagt und gebeten habe gründet sich auf den Begriff, daß Sie meiner jetzt nicht unmittelbar nicht im mechanischen bedürfen. Ohne die Gewißheit daß Sie mit meinem Vikarius höchst zufrieden seyn würden, hätte ich mich nicht entfernen, nicht solange verweilen können. Er ist auf alle Weise ein Mann zu solchen Plätzen geschaffen, welche ich nur einnahm um sie zur rechten Zeit einem fähigern abtreten zu können. Wie freut mich's daß sie gekommen ist. Ich kann nicht anders als denen Einrichtungen welche Sie machen wollen den vollkommensten Beyfall geben. Die Authorität, Responsabilität und der anhaltende unmittelbare Einfluß eines würcklichen Präsidenten ist auf alle Weise nötig, um die Sachen in Ordnung zu bringen und darin zu erhalten; auch an Wedeln glaube ich wird Sie Ihre Wahl nicht trügen. Die Kriegskommission[358] werden Sie doch auch, im gegenwärtigen Falle, mit dem Präsidio der Cammer verbunden laßen?

Die Cassen Revision und die neue Ordnung ist ein treffliches Institut, dadurch wird dem übelgesinnten Diener das Mittel genommen sich mit dem ungerechten Mammon Freunde zu machen, dem redlichen wird auf einmal aus mancher Verlegenheit geholfen. Hätte ich beym Antritt meiner Interims Administration mehr Kenntniß des Details, in denen damals einigermaßen verworrnen Zuständen mehr Entschloßenheit, bey einem allgemeinen, öffentlichen und heimlichen Widersetzen mehr Festigkeit gehabt; so hätte ich Ihnen manchen Verlust und mir manche Sorge, Verdruß und wohl gar Schiefheit ersparen können. Es war Ihnen Selbst mit der Zeit vorbehalten zu thun was unter an dern Verhältnißen andre nur gewünscht hatten.

Das Verhältniß das Sie mir zur Cammer erhalten wollen, ist, ich wiederhohle es, so ehrenvoll, daß ich gleich beschämt bin es anzunehmen, als verlegen es abzulehnen. Ich habe schon einmal meine Gründe gesagt warum ich mich zu dem letzteren neige und würde sie wieder verstärckt anführen, wenn ich nicht fühlte daß es beynahe eben so unbescheiden sey eine vorzügliche Gunst eigensinnig abzulehnen, als sie hartnäckig ertrotzen zu wollen.

Mein bestes Verhältniß zu Ihrem ökonomischen wird immer die Freundschaft zu meinem Nachfolger[359] bleiben, die sich, wie ich hoffe, künftig in einem genauern Umgange immer fester schließen und zu Ihrem Dienste enger verbinden soll. Besonders sehne ich mich recht, mich mit ihm über allgemeine Grundsätze zu besprechen, welche in keiner Session ausgemacht und nur still und ohne Geräusch durch die Geschäfte, von einem einsichtsvollen, wohldenckenden und standhaften Manne durchgeführt werden können.

Da sich, nach meiner Rechnung, meine Rückkunft biß in die Hälfte Juni verziehen möchte; so ersuche ich Sie ja alle Einrichtungen die Sie nötig finden, sobald als möglich zu machen. In dem Geiste und Sinne wie ich Sie handeln sehe, können Sie nichts thun, was nicht auch mir, sowohl fürs Ganze, als für mein Individuum wünschenswerth scheinen sollte. Selbst wird es mir Freude machen in eine eingerichtete Haußhaltung zu treten, so viele schwanckende Gemüther welche theils durch Ihre Abwesenheit, theils durch unbestimmte Lagen zweifelhaft und ängstlich waren beruhigt zu finden und nicht als einer der ordnen und entscheiden hilft, sondern als einer der sich in das entschiedne und geordnete mit Freuden fügt aufzutreten. Sie sind gut berathen und werden es nach der Art wie Sie zu Wercke gehen immer besser seyn.

d. 18. März.

Nach Ihrer Ermahnung bin ich sogleich nach St. Luca gegangen und habe Raphaels Schädel und[360] dem schönen Bilde welches den Heiligen, da er die ihm erscheinende Madonna mahlt, vorstellt mit reiner Freude gehuldigt. Der Schädel ist von der schönsten Bildung und ich halte ihn ächt. Rath Reifenstein hat schon die Erlaubniß von der Akademie erhalten ihn formen zu laßen, es wird in diesen Tagen geschehen. Ich habe einige Sorge biß diese Operation vorüber ist. Da der Schädel im Grabe gelegen und gemodert hat, ist er mürbe und ich fürchte diese herrliche Reliquie leidet. Dem Former wird alle Sorgfalt empfohlen und Sie werden große Freude haben den Abguß zu besitzen.

Die Kupfer wird man mir wohl überlassen. Das eine ist eine Welt und der Abdruck sehr frisch, ob er gleich an einigen Orten gelitten hat und schlecht auf gezogen ist. Angelika besitzt einen Abdruck der nicht so gut und aus vielen Fetzen zusammengeleimt ist. Man weiß diese Sachen hier zu schätzen. Auch sind die Albert Dürers in großem Werthe.

Rath Reifenstein hat mir neulich ein Geschenck gemacht, das wertheste Gastgeschenck das er mir zum Abschiede hätte geben können: Original Radirungen von Claude Lorrain. Sie sind unschätzbar wie alles von seiner Hand.

Diese und noch manche Zeugniße bringe ich mit daß ich im Paradiese war. Sollte mir das Glück wollen die Gores bey Ihnen zu treffen; so würden auch diesen lieben Kindern, die Blicke in's gelobte,[361] von ihnen wohl gekannte Land, die ich ihnen verschaffen kann, gewiß Freude machen. Auch bringe ich Kaysern mit, dessen Talent, hoffe ich, nicht wenig beytragen soll Harmonie und Geschmack zu verbreiten. Er studirt jetzt die ältere Musick aufs emsigste und wird einigen Genuß derselben gewiß auch über den Alpen verschaffen können, wenn gleich das non plus ultra ihrer Ausführung in die Sixtinische Kapelle gebannt zu seyn scheint.

Der Gute Genius segne den allgemeinen Geist im Ganzen, wie er bey Ihnen zu Hause ist. Alles was Herder unter Ihren Auspiciis unternimmt giebt mir die größten Hoffnungen, und ich freue mich in jedem Sinne daran Theil nehmen zu können.

Daß Sie für ihn und für Voigten sorgen, erregt auch meine herzlichste Danckbarkeit. Sie kommen allen meinen Wünschen und Bitten zuvor. Möchte ich doch auch Ihrer völlig wiederhergestellten Gesundheit ganz gewiß werden, möchten Sie Sich durch Ihre mancherley äussern Verhältniße, durch Übernahme des Regiments keine disproportionirte Last aufgelegt haben. Es werde und wende sich alles zu Ihrem besten. Leben Sie wohl, und verzeihen mein unzusammenhängendes Schreiben. Dieser ganze Morgen war unruhig und unterbrochen. Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn Durchl. aufs beste. Ich siegle diesen Brief gleich, ob er schon erst d. 22. abgeht.

G.[362]


8/2648.


An Georg Joachim Göschen

Bey der Benennung der Personen zu Claudinen ist ein Irrthum vorgefallen. Statt

Pedro von Castellvecchio, unter dem Nahmen Sebastian von Rovero.

Soll es heisen

Pedro von Castellvecchio, unter dem Nahmen Pedro von Rovero.

Wäre es zu spät das Blat umdrucken zu laßen; so wünschte ich daß eine kleine Note am Ende des Bandes, das Publikum davon unterrichtete, weil dieser Irrthum Einfluß auf das Stück hat.

Da ich übrigens nach Deutschland wieder zurückkehre, so wird sich wegen der übrigen Bände in der Nähe besser verhandlen laßen.

Ew. Hochedelgeb.

Rom, den 21. März

ergebener Diener

1788.

Goethe.


8/2649.


An Jakob Friedrich von Fritsch

[24. März.]

Hochwohlgebohrner Freyherr,

Insonders Hochgeehrtester

Herr Geheimderath,

Solang als unser gnädigster Herr von Maynz in Weimar erwartet wurde; solange stehe ich schon[363] im Begriff mein Andencken bey Ew. Exzell. zu erneuern und mir die Fortdauer Ihrer Gewogenheit zu erbitten. Allein ich hielt meinen Brief zurück, um zugleich mit Gewißheit die Nachricht meiner Rückkehr geben zu können.

Ich verehre die Gesinnungen, welche mir Durchl. der Herzog in ihren letzten Briefen zu erkennen geben und bin wie immer bereit meine geringen Kräfte, an welchem Platz es auch seye, in ihrem Dienst zu verwenden. Erhalten mir Ew. Exzell. Ihre Freundschaft, welche zu verdienen ich mir immer zur Pflicht gerechnet habe.

Diese letzte Monate habe ich hier sehr vergnügt zugebracht, indem ich gleichsam erst die Früchte meiner Applikation auf das Studium der Kunst, in reinerer und verständigerer Betrachtung der edelsten Gegen stände genoßen.

Seit mehr als acht Tagen leben wir in beständiger Zerstreuung. Die Feyerlichkeiten der heiligen Woche sind nun vorüber, noch stehen uns zwey Feuerwercke bevor. Es ist wohl schwerlich möglich etwas prächtigers zu sehen als das Ensemble der gestrigen Funcktionen. Auch die päpstliche Demuth der stillen Woche ist schon stolz genug.

Der Frühling ist schon in vollem Flor, er wird sich dießmal für mich verlängern da ich mit ihm nach Norden reise.

[364] Empfehlen Sie mich der Frau Gemahlinn aufs beste und erhalten mir ein geneigtes Andencken, biß zu dem vergnügten Augenblick, da ich die Ehre haben werde mich wieder vorzustellen.

Ew. Exzell.

Rom

ganz gehorsamster

d. zweyten Osterfeyertag.

Goethe.

1788.[365]


8/2649a.


An Christian Friedrich Schnauß

Rom d. 24 März 88.

Nun kann ich endlich das fröhliche Wort niederschreiben: ich komme! Eher wollte ich auch keine Feder ansetzen, biß ich deßen gewiß war.

Mit Freuden folge ich den Wincke unsers gnädigsten Herrn und dem Rufe meiner Freunde. Auch Sie theuerster Herr Collega zähle ich unter die, welchen meine Ankunft einiges Vergnügen macht. Wie sehr hoffe ich Sie gesund und wohl zu umarmen, und in guter Stunde allerley italiänische Späße zu erzählen. Die Freylichkeiten der heiligen Woche habe ich alle gesehen, einige (als die Fußwaschung und das Speisen der Pilger) nicht ohne Beschwerlichkeit. Die Musick in der Sixtinischen Capelle ist einzig und überhaupt sind alle Funcktionen mit unglaublichen Geschmack und Anstand disponirt und eingerichtet. Heute und Morgen Abend steht uns noch das Feuerwerck von der Engelsburg bevor, dann werde ich mein Herz und meinen Sinn von dieser Stadt der Musen wegwenden, welche gefährlicher als Sirenen singen.

Ich bin sehr fleißig gewesen und doch, wie es zu gehen pflegt, nicht so fleißig als ich wünsche. Ich bringe allerley zierliche Sachen mit, woran für Künstler und Liebhaber manches zu lernen seyn wird.

Unser gnädigster Herr hat mir manches über verschiedene Einrichtungen geschrieben, die er gemacht hat,[41] und zu machen ist, auch über mein eigen Verhältniß zeigt er die gnädigsten Gesinnungen. Ich unterschreibe alles und werde an jedem Platze, auf jeder Stelle meine Treue und meinen guten Willen wie ehemals zu zeigen bereit seyn. Für die erste Zeit nach meiner Rückkunft habe ich noch um einigen Urlaub gebeten, damit ich mich in ein, während meiner Abwesenheit so mannigfaltig verändertes Verhältniß wieder zurecht finden möge.

In dieser Gegend hat der Frühling schon mit Macht und Lust seinen Einzug gehalten. Da es diesen Winter viel geregnet, so treibt das Grün gar lebhaft.

Schon lange sind die Gemüßgärten frisch bepflanzt und die Küchengewächse grünen in zierlichen Beeten. Der Lorbeer, das Biburnum, der Buchs, die Mandeln, Pfirsiche, die Citronen blühen theils, theils haben sie verblüht. Alle Dächer sind grün, und die alten Mauern werden durch das neue gelbliche Laub des Epheus und durch die herunter hängenden Blüten des Viburnum gar lustig. Anemonen, Ranunkeln, Tulipanen, Hyazinten, Primel pp stehn in allen Gärten munter und froh, die ersten sogar auf Wiesen. Alles macht Vergnügen und wenn ich nun nach Norden ziehe werde ich den Frühling immer vor mir finden. Im Ganzen ist es mir sehr lieb nicht noch einen Versuch eines Italiänischen Sommers zu machen.

Leben Sie recht wohl auf deutschem Grund und Boden, wo ich Sie bald zu umarmen hoffe. Empfehlen[42] Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn. Die Frauenzimmerchen und Carlen werde ich ja wohl recht groß antreffen. Empfehlen Sie mich allen Freunden. Krause höre ich ist sehr fleißig und macht gute Sachen.

Ganz der Ihrige

Goethe.[43]


8/2650.


An den Herzog Carl August

Rom d. 28. März [- 2. April] 88.

Ihr Brief mein bester Fürst und Herr, in welchem Sie mir Ihre Gedancken über Egmont eröffnen, hat das Verlangen nur vermehrt mich mit Ihnen über solche und andre Gegenstände mündlich zu unterhalten. Bemerckungen wie die, welche Sie mir schreiben, sind zwar für den Autor nicht sehr tröstlich, bleiben aber doch dem Menschen äusserst wichtig und wer beyde in sich nie getrennt hat weiß solche Erinnerungen zu schätzen und zu nutzen. Einiges was Ihnen nicht behagte liegt in der Form und Constitution des Stücks und war nicht zu ändern ohne es aufzuheben. Andres z. B. die Bearbeitung des ersten Ackts, hätte mit Zeit und Muße wohl nach Ihren Wünschen geschehen können. Noch andres, wie z. B. die Aüsserung Machiavellens, war mit einem Federstrich ausgelöscht. Es war ein schweres Unternehmen, ich hätte nie geglaubt es zu vollenden, nun steht das[365] Stück da, mehr wie es seyn konnte als wie es seyn sollte.

Gewiß auch konnte kein gefährlicherer Leser für das Stück seyn als Sie. Wer selbst auf dem Punckte der Existenz steht um welchen der Dichter sich spielend dreht, dem können die Gauckeleyen der Poesie, welche aus dem Gebiet der Wahrheit ins Gebiet der Lüge schwanckt weder genug thun, weil er es beßer weiß, noch können sie ihn ergötzen, weil er zu nah steht und es vor seinem Auge kein Ganzes wird. Doch alles sey auf die guten Stunden aufgespart, die ich mir neben Ihnen verspreche.

Ich leße jetzt das Leben des Tasso, das Abbate Serassi und zwar recht gut geschrieben hat. Meine Absicht ist, meinen Geist mit dem Charackter und den Schicksalen dieses Dichters zu füllen, um auf der Reise etwas zu haben das mich beschäftigt. Ich wünsche das angefangne Stück, wo nicht zu endigen, doch weit zu führen, eh ich zurückkomme. Hätte ich es nicht angefangen; so würde ich es jetzt nicht wählen und ich erinnere mich wohl noch daß Sie mir davon abriethen. Indeßen wie der Reitz der mich zu diesem Gegenstande führte aus dem innersten meiner Natur entstand; so schließt sich auch jetzt die Arbeit die ich unternehme um es zu endigen ganz sonderbar ans Ende meiner Italiänischen Laufbahn, und ich kann nicht wünschen daß es anders seyn möge. Wir wollen sehen was es wird.

[366] Lila ist fertig, Jery auch, meine kleinen Gedichte sind bald zusammengeschrieben, so bliebe mir für den nächsten Winter, die Ausarbeitung Fausts übrig, zu dem ich eine ganz besondre Neigung fühle. Möge ich nur halb so reüssiren, als ich wünsche und hoffe!


d. 2. Apr.

In vierzehn Tagen dencke ich hier loß und ledig zu seyn. Seit den Osterfeyertagen ist mir schon soviel durch den Kopf gegangen als wenn ein halb Jahr vorüber wäre. Jene Funcktionen kann man nicht ohne Verwunderung ansehen. Es ist gewiß in der Welt nie ein solches Ensemble gewesen und man kann den Schein, die Representation nicht höher treiben. Ich habe die Meße des ersten Ostertags, welche unter der Peterskuppel, vor dem hohen Altar celebrirt wird, von oben, von einer der Tribunen gesehen, welche an den Pfeilern angebracht sind, worauf die Kuppel ruht. Man sieht ohngefähr von der Höhe wie aus Ihren Fenstern herunter, man glaubt in gewißen Augenblicken seinen Augen kaum, was da für eine Kunst, ein Verstand, ein Geschmack durch Jahrhunderte zusammengearbeitet haben um einen Menschen bey lebendigem Leibe zu vergöttern!

Ich hätte in dieser Stunde ein Kind, oder ein Gläubiger seyn mögen um alles in seinem höchsten Lichte zu sehen.

Leben Sie recht wohl. Wenn mir die Freunde,[367] gleich nach Ankunft dieses Briefs ein Wort nach Florenz schreiben wollen; so trifft es mich unter beyliegender Adreße. Haben Sie die Güte ihnen das Blätchen zu kommuniciren.

Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn. Meine Abfahrt aus Rom zeige ich an. Behalten Sie mich lieb und laßen Sie mich an Ihrer Seite die ersten Freuden unseres Zusammenlebens wiederfinden.

G.


8/2651.


An Friedrich Justin Bertuch

Rom d. 5. Apr. 88.

Ihr werthes Schreiben vom 29. Febr. habe ich zur rechten Zeit erhalten und eile nur einige Worte darauf zu sagen weil in dieser letzten Zeit, sich mehr als ich wünschte zusammendrängt.

Hrn. Siebenkees werde ich leider nicht mehr erleben, ich werde ihn den zurückbleibenden Freunden empfehlen.

Wegen der Masken werde ich noch sorgen, die Beschreibung des Carnevals können wir mündlich absprechen. Auf Hrn. Rath Krausens Arbeiten freue ich mich sehr und hoffe sehr auf seinen Beystand in mancherley Dingen.

Der Parck Durchl. des Herzogs wird unter Ihrer Aufsicht gewiß gedeihen. Ich hoffe er wird mich grün und fröhlich empfangen.

[368] Das Gedicht auf Miedings Tod hätte ich mit Freuden in der Pandora gesehen, wenn nicht meine Absicht wäre Michael den sechsten und achten Band herauszugeben und Ostern mit dem siebenten, welcher den Faust und also die große Girandel enthält zu schließen.

Auf der Reise wird Tasso durchgedacht und also auf einer Wandrung, die Schicksale eines Mannes dramatisirt, dessen ganzes Leben ein Hin und Herwandern war. Leben Sie recht wohl.

Ew. Wohlgeb. ergebenster

Goethe.


Durchl. der Herzog haben mir einige Aufträge gegeben, ich bitte deßhalb 200 Scudi an Hrn. Hofrath Reifenstein

für Rechnung Durchl. des

Herzogs von Weimar

auszahlen zu laßen.[369]


8/2651a.


An Georg Joachim Göschen

Rom d. Apr. 88.

Wenn der Druck des fünften Bandes geendigt seyn wird, ersuche ich Sie sogleich:

Ein Exemplar desselben in roth Saffian gebunden, wie die vier ersten waren, sodann

Vier brochirte Exemplare an Herrn Hofrath Reifenstein mit der fahrenden Post zu senden, wohlgepackt und mit Wachstuch umgeben.

Da ich in der Hälfte Juni wieder in Weimar einzutreffen hoffe; so werden wir wegen der übrigen Bände Abrede nehmen können. Ich wünschte Michael[27] den sechsten und achten Band herauszugeben und Ostern mit dem siebenten zu schließen.

Doch davon mündlich weiter. Leben Sie recht wohl.

Goethe.

Ich bitte zu sorgen daß alle 5 Exemplare mit guten Kupfern versehen seyen.[28]


8/2652.


An Philipp Seidel

Rom d. 19. Apr. 88.

Den 22. oder 23. gehe ich von hier ab und hoffe bald bey Euch zu seyn.

Da ich Kaysern mitbringe, und wünschte, daß du die erste Zeit im Hause bliebst, biß ich mich erst wieder gefunden habe, so wird Collina wohl ausziehen[369] müssen. Geh zur Fräul. Jöchhausen und sage ihr das und richtet es aufs beste ein. Sorge, daß die Summe von 400 Scudi baldigst an Herrn Hofrath Reifenstein für Rechnung Philipp Seidels ausgezahlt werde, ich habe Ursachen, deinen Nahmen zu wählen.

Lebe wohl. Ich lege ein Briefchen an die Fräul. bey, welches du ihr bringen kannst. Grüße Collina, und wen du sonst magst. Ich bin wohl. Das Frühjahr ist hier mit Regen, Kühle, Donnerwettern und heiterm Himmel abwechselnd, aber unendlich schön. Kayser sollte Fritzens Stube nehmen, die du ihm bereiten könntest.

G.[370]


8/2653.


An den Herzog Carl August

Florenz d. 6. May 88.

Da ich von dem Magnetenberge einmal loß bin, zeigt meine Nadel wieder nach Norden; ich bin hier, das heißt: schon wieder bey Ihnen. Ich habe fast alles gesehen, was Florenz an Kunstsachen enthält und man könnte wohl mit großem Nutzen einige Zeit hier verweilen; auch das Staatsgebäude naher zu betrachten würde zu manchen Gedancken Anlaß geben.

Die Medicäische Venus übertrifft alle Erwartung und übersteigt allen Glauben. Wie manche andre kostbare Antiken sind noch hier! An Gemälden treffliche Sachen. Besonders habe ich mich an die älteren Meister gehalten; ich kenne nun die Urväter recht genau und so lernt man ihre Schüler und Nachfolger erst kennen und schätzen. Der Wunsch der sich in mir immer wiederhohlt ist es mit Ihnen zu genießen oder Ihnen davon aufzupacken.

Raphaels Schädel kommt wahrscheinlich vor mir an; die untere Kinlade fehlt, sie wird in St. Luca nicht aufbewahrt. Der Guß ist sehr glücklich gerathen, es ist ein rechter Schatz. Die Form kommt nach.

Die Marck Antonios habe ich zuletzt noch per fas[371] et nefas erwischt. Ich konnte sie nicht zurück lassen und man machte mir Schwürigkeiten.

Am vorletzten Tage habe ich noch für ein geringes etwas für Sie gekauft das Ihnen auch gewiß Freude macht. Die Geschichte der Psyche nach Zeichnungen von Raphael 32 Blat. Aus diesen hat er hernach die Süjets zur Farnesina genommen und sind daher doppelt interessant. Die 32 Blat sind nicht gleich, sonst wären sie unbezahlbar, aber die Hälfte ist sehr gut und alte Abdrücke. Einige gar so schön daß man sich nicht genug drüber freuen kann.

An Musick bringen wir auch kostbare Sachen der alten Zeit mit. Kayser ist nun ganz in den alten Meistern. Ich hoffe die Umstände sollen sich fügen, daß er das, was wir bringen, genießbar machen kann.

Wir haben das schönste Wetter, ich wünsche Ihnen ein gleiches. Leben Sie recht wohl Behalten Sie mich lieb und empfehlen mich Ihrer Frau Gemahlinn auf das angelegentlichste.

Wahrscheinlich gehe ich d. 9ten von hier ab. Von Mayland schreibe ich wieder.

Ich freue mich sehr auf die Correges zu Parma und auf das Abendmal von Vinci in Mayland. Leben Sie recht wohl.

G.[372]


8/2654.


An den Herzog Carl August

Mayland d. 23. May 88.

Sähe ich Mayland jetzt im Herwege und käme aus den Gebürgen in diese weite Gegend, diese frey gelegne Stadt, Zögen sich die fernen Apeninen ahndungsvoll am Horizont hin, was würde ich für Hymnen singen und für Freude unter diesem schönen Himmel am Obste u. s. w. haben. Nun ist mir verwöhnten Römer nichts recht und ich bin doch sonst eine genügsame Seele.

Gestern war ich auf dem Dom, welchen zu erbauen man ein ganzes Marmorgebirg in die abgeschmacktesten Formen gezwungen hat. Die armen Steine werden noch täglich gequält, denn der Unsinn oder vielmehr der Armsinn ist noch lange nicht zu Stande.

Ich sah die Hügel um den Comer See, die hohen Bündtner und Schweitzer Gebirge vor mir wie ein Ufer liegen, an dem ich nach einer wunderlichen Fahrt wieder landen werde. Wir waren am 22. Abends hier und gedencken, wie ich schon aus Rom schrieb, über Chiavenna und Chur zu gehen, den Splügen zu versuchen, den Adula zu grüßen und dann ein wenig seitwärts nach Constanz zu rücken. Dort wollen wir den 4. Juni eintreffen und im Adler die Spur jener[373] famosen Wandrung aussuchen und die gute Schultheß von Zürch treffen, welche ich sprechen und begrüßen muß, ohne den Kreis des Propheten zu berühren.

An der Bestimmtheit der Datums unsrer Reise, sehen Sie daß ich mich bestrebe den Canzler Schmidt seel. nachzuahmen, damit ich wenigstens von einer Seite der Zucht und Ordnung zu nähern suche. Denn übrigens bin ich ganz entsetzlich verwildert. Ich habe zwar in meinem ganzen Leben nicht viel getaugt und da ist mein Trost daß Sie mich eben so sehr nicht verändert finden sollen.

Der Abschied aus Rom hat mich mehr gekostet als es für meine Jahre recht und billig ist, indessen habe ich mein Gemüth nicht zwingen können und habe mir auf der Reise völlige Freyheit gelaßen. Darüber habe ich denn jede Stunde wenigstens siebenerley Humor und es freut mich von Herzen daß die Sudeley dieses Briefs ins lustige Siebentel fällt.

Wie mir hier, da ich nun bald zwey Jahre an die solideste Kunst gewohnt bin, die Kramläden, vom Nürnberger Tand an biß zu den französchen Rebus,


1788

emaillirt und mit Steinchen eingefaßt, vorkommen, kann ich gar nicht sagen.[374]

Dagegen ist das Abendmal des Leonard da Vinci noch ein rechter Schlußstein in das Gewölbe der Kunstbegriffe. Es ist in seiner Art ein einzig Bild und man kan nichts mit vergleichen.

Kayser studirt hier den Ambrosianischen Ritus, bringt ein Buch Messen von Palestrina und das Motett vom Palmsonntag lamentabatur Jacob, von Morales, auch das tu es Petrus von Scarlatti pp mit. Daß nur Bode nichts davon erfährt, sonst kommen wir übler an als Starke, besonders wenn er wissen sollte, daß ich meine größte Spekulation darauf richte: ein Madonnen-Bild zu mahlen, das noch bey meinen Lebzeiten in Rom Wunder thun soll. Leben Sie tausendmal wohl. Verzeihen Sie meinem italiänischen Schreibzeug und meinen Poßen, ich werde schon wieder dafür büsen müßen. Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn zu Gnaden und laßen mich das alte Glück voriger Zeit, einen gnädigen Herren und einen theilnehmenden Freund wieder finden.

G.


8/2655.


An Carl Ludwig von Knebel

Mayland d. 24. May 88.

Manche Schuld mein l. Knebel werde ich dir mündlich abzutragen haben, denn ich habe dir lange nicht geschrieben. In der letzten römischen Zeit hatte ich nichts mehr zu sagen, es ging hart zu da ich mich[375] trennte. Nun wittre ich wieder Gebirgs und Vaterlands Luft da wird mirs denn, wo nicht besser, doch anders.

Erst heute hat mich die Mineralogie wieder einmal angelächelt. Ich war beym Vater Pini und sah seine Berge kristallisirten Feldspaths und ward wieder einmal nach einem Stück Stein lüstern. Er hat mir einiges versprochen, es ist ein guter behaglicher Mann.

Nun habe ich eine schöne Reise vor mir. Auf Como über den See nach Cleven Chur und so weiter. Da wird auch manch Stück Granit betreten und wieder einmal geklopft werden. Ich kaufe hier einen Hammer und werde an den Felsen pochen um des Todes Bitterkeit zu vertreiben.

In Rom wurde kein Stein mehr angesehen wenn er nicht gestaltet war. Die Form hatte allen Anteil an der Materie verdrängt. Jetzt wird eine Crystallisation schon wieder wichtig und ein unförmlicher Stein zu etwas. So hilft sich die menschliche Natur, wenn nicht zu helfen ist.

Ich höre von fern, und kann es ohne das vermuthen daß mein Egmont in alle Welt ausgangen ist. Ich wünsche daß er auch gedruckt meinen Freunden Freude mache, die ihm, da er als Manuscript kam eine gute Aufnahme gönnten.

Jetzt bin ich an einer sonderbaren Aufgabe, an Tasso. Ich kann und darf nichts darüber[376] sagen. Die ersten Ackte müßen fast ganz aufgeopfert werden.

Nun lebe wohl. Bald werden wir uns sehen. Ich bringe vieles mit wenn Ihr nur im Fall seyd es zu genießen. Liebe mich.

G.[377]


8/2656.


An Johann Gottfried Herder

[5. Juni?]

Daß ich von Constanz an dich nach Rom zu schreiben habe, ist wohl eine seltsame Sache, die mir noch völlig den Kopf verwirren könnte. Gestern Abend lese ich in der Vaterlandschronik, du seiest würklich mit Dalbergen verreist. Ich glaube es und ergebe mich drein, ob es gleich für mich ein sehr harter Fall ist. Reise glücklich und erbrich den Brief gesund, da wo ich in meinem Leben das erstemal unbedingt glücklich war. Angelika wird dir ihn geben. Vielleicht erhältst du zu gleicher Zeit noch einen; denn ich schreibe gleich, wenn ich nach Hause komme, und Ihr haltet Euch wohl auf.

Wenn Ihr einen Antiquar braucht, wie Ihr denn einen braucht, so nehmt einen Deutschen, der Hirt heißt. Er ist ein Pedante, weiß aber viel und wird jedem Fremden nützlich sein. Er nimmt des Tages mit einem Zechin vorlieb. Wenn Ihr ihm etwas mehr gebt, so wird er dankbar sein. Er ist übrigens ein durchaus redlicher Mensch. Alsdann suche einen jungen Maler Bury }incontro Rondanini, den ich lieb habe, und laß dir die farbigen Zeichnungen weisen, die er jetzt nach Carrache macht. Er arbeitet sehr[378] brav. Mache, daß sie Dalberg sieht und etwas bestellt. Dieser junge Mensch ist gar brav und gut, und wenn du etwa das Museum oder sonst eine wichtige Sammlung mit ihm, zum zweitenmal, aber NB. allein sehen willst, so wird es dir Freude machen und Nutzen schaffen. Er ist kein großer Redner, besonders vor mehreren. Meyer, der Schweizer, ist, fürchte ich, schon in Neapel. Wo er auch sei, mußt du ihn kennen lernen.

Ich weiß nicht, ob ich mache oder träume, da ich dir dieses schreibe. Es ist eine starke Prüfung, die über mich ergeht. Lebe wohl, genieße, was dir bescheert ist. Einer meiner angelegentlichsten Wünsche ist erfüllt.

Wenn du nach Castell-Gandolfo kommst, so frage nach einer Pinie, die nicht weit von Herrn Jenkins' Haus, nicht weit vom kleinen Theater steht. Diese hatte ich in den Augen, als ich dich so sehnlich wünschte. Lebe wohl. Ich gehe zu den Deinigen, und will ihnen die Zeit deiner Abwesenheit verleben helfen.

G.


Wahrscheinlich wird Euch Hofrath Reiffenstein an einige Orte führen. Ich empfehle Hirten also zum Supplemente.

Moritzen mußt du auch sehen. Du wirst noch andere finden: Lips etc.


9/2657.


An den Herzog Carl August

[Ende Juni.]

Ich hoffte Sie noch heute früh zu sehen, verzeihen Sie daß ich Ihnen untreu werde. Diesen Mittag gehe ich nach Tiefurt, heute Abend wünscht mich Herder sehr. Morgen früh wünschte ich eine privat Conferenz mit Prinz August, dann erwarte ich Ihre Befehle. Von Rom habe ich gute Nachrichten. Meyer und Büry sind so glücklich gewesen ein Bild von Carrache zu erwischen wovon sie mir gleich eine Zeichnung schicken die ich beylege. Die guten Menschen sind über diesen Glücksfall sehr froh und ich mit ihnen. Bitte gelegentlich um die Grotta di Trofonio. Moritz läßt sich Ihnen zu Gnaden empfehlen, er hofft, wenn Sie eine gute Meynung von ihm faßen könnten, daß sein Glück dadurch sehr befördert und beschleunigt werden dürfte. Leben Sie recht wohl.

G.[1]


9/2657a.


An Berczy

Beykommende zwey Kästchen Pasten gehören Herrn Thurneyßen in Franckfurt, welcher mir den Auftrag giebt, sie Ihnen übersenden zu laßen. Haben Sie die Güte solche, nach der, mit ihm genommnen Abrede, an ihn zu überschicken.

Ich bin glücklich zu Hause angekommen und schicke diesen Brief nach Rom daß er mit den Kästchen wieder nach Florenz zurückgehe.

Grüßen Sie mir die liebe kleine Frau und behalten mich in gütigem Andencken. Weimar d. 30 Juni 88.

J. W. v. Goethe.[43]


9/2658.


An Georg Joachim Göschen

[Concept.]

[Mitte Juli.]

Ich habe auf die Ankunft der sämtlichen Exemplare gewartet um Ihnen zu schreiben. Sie sind nun endlich[1] leider sehr spät angekommen. Auch haben sich dabey verschiedne Irrthümer in Absicht auf die Qualität der Exemplare gefunden welche ich nicht weitläuftig auseinander setzen sondern nur so viel sagen will, daß ich gegen 4 gebundne und 3 auf holländisch Papier gedruckte rohe Exemplare, welche ich entweder Herrn Leg. R. Bertuch einhändigen oder Ihnen grade zurück schicken kann, 7 rohe auf ordinair Schreibpapier sobald als möglich zu erhalten wünschte. Obgedachte-Exemplare sowohl gebunden als roh kann ich entweder dem Herren Rath Bertuch oder sie Ihnen unmittelbar zurückschicken.

Ehe ich von Rom abgieng und selbst auf der Reise suchte ich zwey Bände, den 6ten und 8ten, dergestalt vorzubereiten daß solche noch auf Michaeli erscheinen sollten, allein ich finde mich nach meiner Ankunft hierher von so mancherley Zerstreuungen umgeben daß ich in nichts weiter geruckt bin, und fürchte daß ich vor einigen Monaten nicht in der Lage kommen mögte, nur einen Band zu endigen dessen Ausgabe alsdenn auf Michaeli nicht mehr besorgt werden könnte. Indessen werde ich mein möglichstes thun, denn es ist mir sehr viel daran gelegen das ich die übernommene Verbindlichkeit einmal los werde.

Für die Titel Kupfer und Vignetten zu denen übrigen Bänden will ich sorgen. Zum sechten Band sind sie sehr gut gerathen. Ich wünsche wohl zu leben und hoffe bald von Ihnen zu hören.

Weimar d. 15. Jul. 88

J.W.v. Goethe.[2]


9/2659.


An Charlotte von Stein

[Mitte Juli.]

Ich danke dir für das überschickte und für die Besorgung, das Geld will ich dir gleich oder allenfalls Fritzen geben der doch deine Haushaltung fortführt.

Diesen Nachmittag will ich suchen bey Zeit vom Hof abzukommen, ich komme zu dir hinüber.

Heute früh komm ich auch noch einen Augenblick. Gerne will ich alles hören was du mir zu sagen hast, ich muß nur bitten daß du es nicht zu genau mit meinem jetzt so zerstreuten, ich will nicht sagen zerrissnen Wesen nehmest. Dir darf ich wohl sagen daß mein innres nicht ist wie mein äußres. Lebe wohl.

G.


9/2660.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Ja mein Lieber ich bin wieder zurück und sitze in meinem Garten, hinter der Rosen Wand, unter den Aschenzweigen und komme nach und nach zu mir selbst. Ich war in Italien sehr glücklich, es hat sich so mancherley in mir entwickelt, das nur zulange stockte, Freude und Hoffnung ist wieder ganz in mir lebendig geworden. Mein hiesiger Aufenthalt wird mir sehr nützlich seyn. Denn da ich ganz mir selbst wiedergegeben bin; so kann mein Gemüth, das die größten[3] Gegenstände der Kunst und Natur fast zwey Jahre auf sich würcken ließ, nun wieder von innen heraus würcken, sich weiter kennen lernen und ausbilden.

Hamans Verlust ist hart, ich hatte nie gerechnet ihn zu sehen, seine geistige Gegenwart war mir immer nah. Und doch was muß die Nähe solch eines Menschen seyn! Was muß er dir geworden seyn! und wie sehr mußt du seinen Abschied empfinden. Laß uns solang wir leben einander was möglich ist seyn und bleiben.

Mich erfreut sehr daß dir an Egmont manches gefällt, ich habe nun die beste Unterhaltung mit meinen entfernten Freunden, da ich meine Schriften ausarbeite. Jetzt bin ich an Tasso, Faust soll eine Winterarbeit werden und sobald ich die 8 Bände vom Stapel habe, soll Wilhelm dran, zu dem ich große Neigung fühle.

Empfiehl mich der Fürstinn. Ihre Worte sind mir wahre Wohlthat, ich danke dir daß du mir sie verschafft hast. Ich meynte es so herzlich zu ihr und begriff nicht daß sie mir nicht schrieb. Gelegentlich schicke ich ihr einige Zeichnungen.

Grüße deine Schwestern und deine Kinder, gedenckt mein. liebe mich und laß manchmal von dir hören. Herder geht in vierzehn Tagen ab. Ich verliere viel an ihm.

Weimar d. 21. Juli 1788.

Goethe.[4]


9/2661.


An Charlotte von Stein

[22. Juli.]

Die Papiere der Voß habe ich in der Stadt, ich will sie ihr bringen oder schicken, ich weiß daß sie solche nicht durch die Hände der Meyern will gehen laßen. Ich dancke dir fürs Frühstück. Fritz soll mir lieb seyn, es freut mich immer seine Gegenwart, und wenn ich ihm was seyn kann. Laß mir die Archiv Scheine zurück und Lebe wohl. Mögest du in dem stillen Kochberg vergnügt und vorzüglich gesund seyn. Ich will so fortleben wie ich kann ob es gleich eine sonderbare Aufgabe ist. Kayser geht mit der Herzoginn wieder fort, das sage nicht weiter, ob ich gleich dencke es ist kein Geheimniß mehr und so schließt sich alle Hoffnung auf die schöne Tonkunst ganz für mich zu. Der trübe Himmel verschlingt alle Farben. Herder geht nun auch und – so lebe tausendmal wohl.

G.


9/2662.


An Christian Gottlob Heyne

Sie kommen mir durch Ihr gütiges Schreiben auf eine freundliche Weise zuvor, und beschämen mich dadurch um so mehr, als ich gewissermassen Ihr Schuldner geblieben bin. Ich mußte fürchten daß Sie mich für inkonsequent halten möchten, da ich, bey meinem Eintritt[5] nach Rom, mein Verlangen Ihnen zu dienen bezeigte und nachher, ausser einer vorläufigen Antwort, nichts wieder von mir hören ließ. Allein ich darf zu meiner Entschuldigung sagen: daß es mir sonderbar genug und im Grunde doch ganz natürlich gegangen ist. Ich erkenne es jetzt selbst erst nach meiner Rückkunft, aus den Briefen die ich von dorther an meine Freunde schrieb und die mir jetzt wieder zu Gesicht kommen.

Im Anfange hatte ich noch Lust und Muth das einzelne zu bemercken, es nach meiner Art zu behandeln und zu beurtheilen; allein je weiter ich in die Sachen kam, je mehr ich den Umfang der Kunst übersehen lernte desto weniger unterstand ich mich zu sagen und meine letzten Briefe sind eine Art Verstummen oder, wie Herder sich ausdrückt: Schüsseln, in denen man die Speisen vermißt.

Wenn ich mich werde gesammelt haben, werde ich erst selbst erkennen was ich mir erworben habe und dann wird leider gleich das Gefühl eintreten von dem was mir noch abgeht. Was ich dem Publiko vorlegen könnte sind Bruchstücke, die wenig bedeuten und niemand befriedigen.

Daß Herder zu eben der Zeit als ich hier ankomme, weggeht, ist mir ein sehr leidiger Vorfall. So sehr ich ihm die Reise gönne; so mußte ich dich nothwendig wünschen: daß er mir entweder hier oder ich ihm dort nützlich seyn möchte.

[6] Nach meinen Verhältnissen kann ich nicht hoffen Ihnen sobald in Göttingen aufzuwarten, ob ich es gleich herzlich wünsche, denn der größte Theil von dem was mir abgeht, ist eben das was Sie im Überfluße besitzen.

Sollte ich über das was ich an alter und neuer Kunst bemerckt ein allgemeines Glaubensbekenntniß hersetzen, so würde ich sagen: daß man zwar nicht genug Ehrfurcht für das, was uns von alter und neuerer Zeit übrig ist, empfinden kann, daß aber ein ganzes Leben dazu gehört diese Ehrfurcht recht zu bedingen, den Werth eines jeden Kunstwerks in seiner Art zu erkennen und davon, als einem Menschenwercke, weder zu viel zu verlangen, noch auch wieder sich allzuleicht befriedigen zu lassen.

Wenn ich geneigt wäre etwas auf das Papier zu bringen; so wären es vorerst sehr einfache Sachen. Z.B. inwiefern die Materie, woraus gebildet worden, den klugen Künstler bestimmt, das Werk so und nicht anders zu bilden. So geben die verschiednen Steinarten gar artige Aufschlüße über Baukunst, jede Veränderung des Materials und des Mechanismus, giebt dem Kunstwerke eine andere Bestimmung und Beschränkung. Die Alten waren, nach allem, was ich bemercken konnte, auch besonders hierin unaussprechlich klug und ich habe mich oft mit großem Interesse in diese Betrachtung vertieft.

Sie sehen daß ich sehr von der Erde anfange und[7] daß es manchmal scheinen dürfte, als behandelte ich die geistige Sache zu irdisch; aber man erlaube mir zu bemercken: daß die Götter der Griechen nicht im siebenten oder zehnten Himmel, sondern auf dem Olymp trohnten und nicht von Sonne zu Sonne, sondern allenfalls von Berg zu Berg einen riesenmäßigen Schritt thaten. Es ist gut daß mich der Raum nötigt aufzuhören. Ich empfehle mich Ihnen bestens und bitte mich mit Ihrem Angedenken zu erfreuen.

Weimar d. 24. Jul. 1788.

Goethe.


9/2663.


An Johann Gottfried Herder

[Ende Juli oder Anfang August.]

Hier lieber die Papiere zurück.

Es liegt diese Vorstellungsart soweit von meiner daß ich das Rauschen eines Wasserfalls besser verstehe als solch einen Diskurs, ich habe nichts drauf zu sagen: als daß mich Gott bewahren möge einen Arm oder Finger als einen Conus anzusehen. Übrigens muß es jedem erlaubt seyn um den Felsen, den niemand ersteigt, nach seiner Art sich herumzutummeln, auf seinem Steckenpferde herumzureiten, welches Rechts ich mich ja auch weidlich bedient habe. Die Abschrift meines Reise Journals gäbe ich höchst ungerne aus Händen, meine Absicht war sie ins Feuer zu werfen. Ich weiß schon wie es geht. So was sieht immer[8] noch einer und wieder einer, es wird noch einmal abgeschrieben und endlich habe ich den Verdruß diese Pudenda irgendwo gedruckt zu sehn. Denn es ist im Grunde sehr dummes Zeug, das mich jetzt anstinckt. Du kannst sie nirgends brauchen als in Verona. Auf dem Rückwege würde sie dir fatal seyn und ich bin in Unruhe wenn ich das Zeug auf Reisen weiß. Es ist nicht Knauserey sondern redliche Schaam daß ich die Blätter nicht hergeben mag.

Ich sehe dich noch heute. Adieu.

G.


9/2664.


An Samuel Thomas von Sömmerring

Ew. Wohlgeb.

habe ich die Ehre wieder auf deutschem Grund und Boden zu begrüßen, von dem ich so lange entfernt gewesen.

Gegenwärtiges erlasse ich auf Befehl meines gnädigsten Herrn, welchem die Nachricht zugekommen, daß der Kriegsrath Merck in Darmstadt sich in einer traurigen Gemüthslage befinde und daß seine Freunde seinetwegen in Sorgen seien. Da es uns nun sehr interessirt von diesem werthen Manne einige Nachricht zu erhalten und Ew. Wohlgeb. als sein Freund bekannt sind, so soll ich Sie ersuchen sich doch baldmöglichst um die Gesundheits- und Gemüthsumstände unsres Freundes zu erkundigen und an mich einige[9] gefällige Nachricht zu ertheilen. Ich hoffe bei dieser Gelegenheit von Ihrem Befinden und Ihren Arbeiten zu hören, der mich mit aller Hochachtung unterzeichne

Ew. Wohlgeb.

Weimar

ergebener Diener

den 8. Aug 1788.

J. W. v. Goethe.


9/2665.


An Charlotte von Stein

Es war mir sehr erfreulich Fritzen wieder zu sehen, er wird mir wohl bleiben wenn alles sich entfernt. Herder ist nun fort, die Herzogin geht auf den Freytag, der Herzog hat einen bösen Fuß, sonst wär er Sonnabends mit den Gores gegangen. Ich soll im Sept. mit nach Dresden, wenn man in ihrer Art mit ihnen lebt, sie sind aber in sittlichen und Kunstbegriffen so eingeschränckt, daß ich gewissermaßen gar nicht mit ihnen reden kann. Sie sind glücklich, ich mag sie auch nicht in ihrem Glück stören, so wenig ich daran Theil nehmen kann.

Mein achter Band ist bald zusammengeschrieben. Wenn ihn Wieland durchgesehn hat, erhältst du ihn eh er nach Leipzig geht, er soll auf Michael herauskommen. Tasso rückt auch obgleich langsam ich habe noch immer Zutrauen zu dem Stück. Lebe wohl. Liebe mich. Danck fürs Frühstück. W. d. 12. Aug. 88.

G.[10]


9/2666.


An Christian Gottlob Voigt

Mit Freuden höre ich daß alles so gut daß Sie alles zu Ihrer Zufriedenheit getroffen haben. Das Rad muß würcklich eine ansehnliche Maschine seyn und sich ehrwürdig in der Finsterniß herumdrehen. Daß Sie einige Lachter schon gewältigt haben, ist auch ein guter Anfang. Wie sehr ich mit Ihnen zu seyn wünsche können Sie dencken. das Geschäfte in Ilmenau muß mir immer werth bleiben und Ihre Gegenwart dabey, Ihr Würcken macht mir alles doppelt interessant.

Güßfeld hat von mir Abschied genommen, ich bin in allgemeinen Terminis mit ihm geblieben, er schien ganz leidlich disponirt.

Die Herzoginn Mutter ist gestern weg, heute der Herzog, die Englische Familie auch und wir sind nun im kleineren Kreise. Kehren Sie bald wieder damit wir manche Stunde froher und nützlicher Unterhaltung erneuern. Herder hat von Bamberg geschrieben er ist wohl. Leben Sie wohl! grüßen Sie die Ihrigen bestens. W. d. 16. Aug. 88.

G.


9/2667.


An Charlotte von Stein

Den Herzog hat sein Fuß gezwungen zurückzukehren, er wird nicht zum Regimente und wahrscheinlich auch[11] nicht nach Dresden gehen können. Es ist wieder ein rechtes Probestück wie er sich und andern das Leben sauer macht. Ich mache so ein Gesicht als möglich und bin in einer innerlichen Verzweiflung, nicht über diesen besondern Fall, sondern weil dieser Fall wieder sein und unser ganzes Schicksal repräsentirt. Ich mag nichts weiter sagen und klagen.

In einiger Zeit schicke ich dir die Abschriften meine Gedichte, Wieland hat sie jetzt.

Fritz ist gar gut, nur helfe ich auch ihm wenig, wie ich denn überhaupt gänzlich unnütz bin.

Herders Briefe sind gar interessant. Wie viel menschlicher reist er als ich.

Lebe wohl, erfreue dich deiner Einsamkeit! es wird nicht lange währen; so hab ich, wills Gott, sie auch wieder gewonnen, um sie nie zu verlassen. Adieu.

W. d. 24. Aug. 88.

G.


9/2668.


An Carl Ludwig von Knebel

d. 30. August.

Ich danke dir für deinen Brief und für die stille Feier meines Geburtstages. Wir haben daran getanzt bis nach Mitternacht. Auch sind mir sonst allerlei freundliche Dinge begegnet, welche guten Augurii sind. Wir wollen der besten Hoffnungen leben.

Fahre wohl wieder in die Berge. Mir sind meine vulkanischen Sachen angekommen und[12] einiges Erfreuliche aus Sicilien. Besonders eine Schwerpathdruse von der Schönheit.

Mit dem Herzog geht es recht gut. Das heißt die Wunde bessert sich merklich. Wenn er Geduld hat auszuharren; so wird er bald kurirt seyn.

Lebe wohl. Gedenke mein.

G.


9/2669.


An Charlotte von Stein

Vergieb mir meine Liebe, wenn mein letzter Brief ein wenig konfus war, es wird sich alles geben und auflösen, man muß nur sich und den Verhältnißen Zeit lassen.

Ich fürchte mich dergestalt für Himmel und Erde daß ich schwerlich zu dir kommen kann. Die Witterung macht mich ganz unglücklich und ich befinde mich nirgends wohl als in meinem Stübchen, da wird ein Caminfeuer angemacht und es mag regnen wie es will.

Deiner Schwester fällt der Tod ihres Mannes sehr empfindlich, sie wird auch einsehn lernen daß er zu ihrem Glück gestorben sey.

Des Herzogs geht sehr viel besser, nur fürchte ich, er wird die Cur nicht ganz auswarten und es wird wieder umschlagen. Es sind schon vier Wochen.

Sey doch so gut mir die Briefe die ich auf der Reise an dich geschrieben zu schicken wenn du sie mit hast, oder anzuzeigen wo sie liegen, wenn sie noch[13] hier sind, ich will nach und nach etwas daraus zusammen schreiben, und es dem Wieland in den Merckur geben. So sehe ich nach selbst was ich habe und ob ich was habe. Ohne einen solchen Vorsatz hätte ich die alten Papiere gar nicht wieder ansehen mögen.

Von Rom hab ich eine sehr schöne Muse in einen Sardonix geschnitten erhalten. Fritz hat dir sagt er davon geschrieben. Er ist recht gut und artig. Lebe wohl, grüße Stein und behalte mich lieb.

d. 31. Aug. 88.

G.


9/2670.


An Christoph Martin Wieland

[Anfang September.]

Indem du beschäfftigt bist mir einen Freundschaftsdienst zu erzeigen, komme ich dir einen Gegendienst anzubieten, der nicht ganz so uneigennützig ist.

Du hast mir neulich gesagt daß du wünschest ich möchte dir von meinen Reisebemerckungen manchmal etwas für den Merkur geben. Bisher habe ich meine Journale, die Briefe, die ich hierher geschrieben, unzähliche zerstreute Blätter durchgesehn und wünsche selbst nach und nach etwas in Ordnung zu sehen. Allein ohne Compelle ist dazu bey mir keine Hoffnung. Ich wollte dich also fragen ob du Lust hättest eine Folge solcher kleinen Aufsätze nach und nach in den Merkur aufzunehmen und zwar so daß ich mich[14] engagirte monatlich vom nächsten Sept. biß zu Ende des Jahrs 89 mehr oder weniger zu liefern, damit ich eine Aufsatz mit dem andern verbinden, einen durch den andern erläutern kann. Ich habe so vielerley, so mancherley, das doch nach meiner Vorstellungs und Bemerckens-Art immer zusammenhängt und verbunden ist. Naturgeschichte, Kunst, Sitten pp., alles amalgamirt sich bey mir. Heute früh dicktirte ich einen Beytrag zur Witterungs Lehre, der sich ganz natürlich mit der Lustperspektiv endigte.

Genug es steht dir mancherley nach und nach zu Dienste.

Nun wünschte ich zu wissen ob dir der Vorschlag annehmlich sey? Ob du monatlich etwas magst? Wieviel ohngefähr an Blätter und Bogenzahl dir recht wäre? Und, damit unser Contract ganz rein werde, was du mir dagegen an Gold oder Silber geben willst? Ob ich gleich keine Kinder zu ernähren habe; so muß ich doch darauf dencken etwas in den Beutel zu leiten, da so viel hinaus geleitet wird. Lebe wohl. Wenn wir einig sind arbeite ich dir gleich auf eine Paar Monate voraus. Lebe wohl und liebe mich.

G.[15]


9/2671.


An die Herzogin Amalia

In der Hoffnung daß meine gnädigste Fürstinn glücklich in Mayland anlangen werde, schicke ich dieses Briefchen ab um Sie daselbst zu begrüßen. Ich bin Ihnen, wie so viele andre im Geiste nachgefolgt, doch gewiß mit eignen Gedancken und Empfindungen. Mögen Sie recht rein das manigfaltige Gute genießen das Ihnen auf Wegen und Stegen von nun an begegnen muß.

Mehr kann ich fast nicht sagen. Von hier ist wenig zu erzählen.

Des Herzogs Fuß beßert sich sehr, er wird wohl noch ins sächsische Lager gehn. Alles ist übrigens still und ich arbeite ganz leise fort.

Behalten Sie mich in gnädigem Andenken und halten die Fräulein an daß sie mir schreibe, biß jetzt habe ich noch keine Zeile gesehen.

Ich empfehle mich zu Gnaden.

W. d. 1. Sept. 88.

Goethe.[16]


9/2671a.


An Georg Joachim Göschen

Ich dancke für die überschickten Vasen, sie sind glücklich angekommen. Die Arbeit daran ist recht schön.

Der achte Band ist meist beysammen, ich laße ihn nochmal abschreiben und gehe ihn durch. An dem Titelkupfer wie an der Vignette wird in Rom gearbeitet, wenn wir sie nur zeitig erhalten. Ich will die Platten auf der reitenden Post kommen laßen. Schreiben Sie mir den letzten Termin, wenn Sie das Manuscript haben müßen.

Die kleinen Zeichnungen von Herrn Rath Krause werden nicht wohl angebracht werden können. Die Einrichtung die ich dem Bande gegeben leidet keine Zwischen Kupfer und die Kupfer zum Titul erhalten wir wie gesagt von Rom.

Ich werde mit dem Manuscript ein Verzeichniß schicken wie ich die Abgabe der Exemplare künftig erwarte. Das letztemal ist wieder zu meinem und Ihrem Schaden und zu niemandes Nutzen allerley versehen[28] worden. Die Exemplare die ich zurückgebe hat Herr Rath Bertuch.

Ein junger Mann Nahmens Vulpius hat ein Paar Bändchen Operetten geschrieben, davon auch ein Theil komponirt ist, er wünscht dazu einen Verleger zu finden. Können Sie ihm hierinn und sonst behülflich seyn; so geschieht auch mir ein Gefalle.

Leben Sie recht wohl und schreiben Sie mir wann das Mscpt angekommen muß damit ich mich darnach richte.

Empfehlen Sie mich Ihrer Gattinn.

W. d. 1. Sept. 88.

G.[29]


9/2672.


An Carl Ludwig von Knebel

Du bist wieder zu Hause angekommen wozu ich Glück wünsche.

[16] Sey doch so gut mir sobald als möglich die

Mémoires de l'Acadamie des Sciences

von 1751

zu schicken der Band wird wohl gebunden seyn.

Ich habe wieder einen schönen geschnittnen Stein von Rom erhalten.

Lebe wohl.

W. d. 2. S. 88.

G.


9/2673.


An Johann Gottfried Herder

Nun, lieber Bruder, sollst du auch einmal etwas von mir finden. Ich habe mich der Briefe an deine Frau sehr gefreut. Mögest du immer gleich vergnügt und empfänglich immer weiter reisen.

Des Herzogs böser Fuß hält ihn wider seinen Willen hier und auf dem Canapee; er nimmt sich jetzt, da er die Nothwendigkeit sieht, sehr zusammen und läßt sich nicht merken, wie fatal es ihm ist; innerlich aber ist er in einer schlimmen Lage. Er hat sich in der Neigung zu dem Mädchen so ganz indulgirt, wie in seinem politischen Getreibe: beides hat keinen Zweck; wie soll es Zufriedenheit gewähren? Die Herzogin leistet ihm treue Gesellschaft mit guter Laune und Geduld. Ich esse alle Mittage mit ihnen und bin auch einen großen Theil des Tages dorten, wenn niemand anders da ist. So vergeht eine Zeit nach der andern; man wird des Lebens weder gewahr noch froh.

[17] Deinen vierten Band habe ich größtentheils gelesen. Im 16. Buche habe ich mich sehr gefreut zu sehen, wie du die Völkerwanderungen von dem beginnst, was noch geblieben ist, von den ersten in die Gebirge getriebenen Völkern. Es giebt ein gar gutes und faßliches Bild. Das Christenthum hast du nach Würden behandelt; ich danke dir für mein Theil. Ich habe nun auch Gelegenheit, von der Kunstseite es näher anzusehen, und da wirds auch recht erbärmlich. Überhaupt sind mir bei dieser Gelegenheit so manche Gravamina wieder rege geworden. Es bleibt wahr: das Mährchen von Christus ist Ursache, daß die Welt noch 10/m Jahre stehen kann und niemand recht zu Verstand kommt, weil es ebenso viel Kraft des Wissens, des Verstandes, des Begriffs braucht, um es zu vertheidigen als es zu bestreiten. Nun gehn die Generationen durch einander, das Individuum ist ein armes Ding, es erkläre sich für welche Partei es wolle, das Ganze ist nie ein Ganzes, und so schwankt das Menschengeschlecht in einer Lumperei hin und wieder, das alles nichts zu sagen hätte, wenn es nur nicht auf Punkte, die dem Menschen so wesentlich sind, so großen Einfluß hätte. Wir wollen es gut sein lassen. Sieh du dich nur in der Römischen Kirche recht um, und ergötze dich an dem, was in ihr ergötzlich ist.

In meinen Schriften bin ich nur wenig vorgerückt. Der achte Band ist beinahe zusammen. Wieland hat ihn gegenwärtig in der Revision. Es sind[18] noch einige Kleinigkeit dazu gekommen, das Übrige kennst Du.

Sonst weiß ich dir beinahe nichts zu sagen. Daß Frau und Kinder wohl sind, erfährst du von ihnen selbst; sie haben mich mit einer Bisquitetorte und ein Paar Kränzen, nebst fremden Früchten, zum Geburtstage erfreut.

Das Wetter ist immer sehr betrübt und ertödtet meinen Geist; wenn das Barometer tief steht und die Landschaft keine Farben hat, wie kann man leben?

Lebe wohl und glücklich! Du hast ja unerwartet eine Reisegefährtin gefunden; möge das Eurer Reise nicht schaden!

Fast hätte ich vergessen, dir für die Meistersängersprüche zu danken. Es ist sehr artig zu sehen, wie sie mit den platten Lebens- und Handwerksbegriffen gespielt haben.


Den 4. September.

Prinz August ist gekommen, mit dem ich vielleicht die nächste Woche nach Gotha gehe. Morgen fahre ich mit deiner Frau und der kleinen Schardt nach Kochberg. Es scheint, wir werden gut Wetter haben. Übrigens drücken wir uns unter dem cimmerischen Himmel, der unglaublich auf mich lastet. Alles wollte ich gerne übertragen, wenn es nur immer heiter wäre.

Lebe wohl. Du wirst nun wissen, was eine reine Atmosphäre ist, und wirst es noch mehr erfahren. Grüße deine Reisegesellschaft. Wie der Mensch ist,[19] muß es ihm werden. Da hast du nun gar noch ein zierlich Weibchen im Wagen.

Lebe wohl. Gedenke mein! Du brauchst mir nicht zu schreiben. Die Briefe an die Frau werden mir ganz oder zum Theil mitgetheilt.

Grüße Dalberg. In Rom findest du die versprochene Nachricht über die Deutschen Künstler zu Eurem Gebrauch.

W. den 4. September 88.

G.


9/2674.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Die Kurze will ich dir besorgen. Noch haben wir Ursache das Beste zu hoffen, wir sind auf dem Wege die Wasser zu gewältigen die uns vertrieben hatten, eben als wir die ungeheure Masse Gips durchsuncken hatten und auf das Dachgestein, das über dem Flöz liegt kamen. Der Bergsekretair und der Hofrath Voigt werden sich deines Grußes freuen, der Bergs. ist ein recht wackrer Mann und sehr vorzüglicher Mann in vielem Betracht.

Du verlangst einen jungen Mann zum Sekretair und zum Unterricht deiner Kinder, und ich habe eben einen, den ich gar gerne unterbringen möchte, ich wünschte nur daß er auch dir recht wäre. Sonderbar ists daß ich neulich ihn dir empfehlen wollte, auch etwa der Fürstinn, weil euch doch manches vorkommt[20] und daß eben mit deinem Brief einer von ihm ankommt, worinn er mir seine Noth klagt und meine Intercession anruft.

Er hat von Jugendauf Disposition zu den Wissenschaften gezeigt, und hat früh aus Neigung und Noth geschrieben und drucken laßen. Er heißt Vulpius, du hast seinen Nahmen irgendwo gelesen. Das ist nun nicht eben die beste Rekommandation. Wir erschröken über unsre eigne Sünden, wenn wir sie an andern erblicken. Es ward ihm sauer genug auf eine solche Weise sich und einige Geschwister zu unterhalten, er kam nicht zeitig genug hier in eine gewiße Carriere, sehnte sich nach einem Posten und ward Sekretair bey einem Kreisgesandten von Soden in Nürnberg, der ihm nun den Abschied giebt, weil ein andrer für weniger Geld noch mehr Arbeit im Hause übernehmen will. Er schreibt eine Hand, die nicht schön aber gemüthlich ist. Von seinem französisch kann ich nicht sagen wie weit es geht, er versteht es, soviel weiß ich daß er artig Italiänisch kann. Er hat eine gute Bildung und aus seinen Handlungen und Äusserungen schließe ich ein gutes Gemüth. Ich habe mich seiner vor einigen Jahren angenommen, in meiner Abwesenheit verlohr er jede Unterstützung und ging wie schon gesagt nach Nürnberg. Freylich kann ich nicht sagen daß ich ihn genau kenne. Ich habe mich für ihn interessirt ohne ihn zu beobachten, ich habe[21] ihm einige Unterstützung verschafft, ohne ihn zu prüfen. Seit mehr als zwey Jahren habe ich nicht gesehn und kann dir ihn also nur bedingt empfehlen. So viel kann ich sagen daß ich ihn, wenn ich einen solchen Menschen brauchte, zum Versuch selbst nehmen würde, das ist aber noch nicht genug für dich. Bedencke nun was ich da gesagt habe, ich will ihm schreiben, dich nicht nennen, ihn über sein latein französisch u.s.w. befragen. Für ihn wäre es ein großes Stück wenn du ihn nähmst, aber es ist die Frage ob du auch bedient wärest.

Sonst weiß ich jetzt niemanden, will mich aber doch erkundigen. Ich danke dir für das Vertrauen.

Von deinem Georg habe ich immer das beste gehoft, und war unzufrieden mit Euch daß Ihr immer mit dem Kinde unzufrieden waret. Ein Blat das groß werden soll, ist voller Runzeln und Knittern eh es sich entwickelt, wenn man nun nicht Geduld hat und es gleich so glat haben will wie ein Weidenblat dann ists übel. ich wünsche dir Glück zu dieser Vaterfreude.

Ich bin wohl und wunderlich. Laß bald wieder von dir hören. Wegen des jungen Menschen schreibe ich bald wieder.

Grüße die deinigen, die Fürstinn und den wiederbelebten Hemsterhuis. Liebe mich.

W. d. 9. Sept. 88.

G.

Eigentlich hat der junge V. den ich dir empfehle[22] Jura studirt, sich auch auf Geschichte und Diplomatick gelegt.

Verschaffe mir doch Abdrücke in Siegellack von der Fürstinn geschnittenen Steinen. Mich interessiren jetzt diese Kunstwerke mehr weil ich sie beßer verstehe.[23]


9/2674a.


An Dorothea Kayser

Ihr Bruder hat wegen einiger unvermutheter Vorfälle, seine Reise nach Italien, mit Durchl. der Herzoginn nicht fortgesetzt, sondern seinen Weg nach Zürich genommen. Er ersucht mich Ihnen solches anzuzeigen und wird sobald er in Zürich anlangt sowohl Ihnen als Ihren Eltern deßhalb schreiben. Leben Sie wohl und grüßen unsre Landsleute.

W. d. 9. S. 88.

v. Goethe.[29]


9/2675.


An den Herzog Carl August

Von Gotha bin ich zurück mit dem Herzog und der Herzoginn gekommen, welche nach Dessau gingen. Ich habe drüben gute Stunden gehabt, auch ist mein Aufenthalt daselbst in mehr als Einem Sinne fruchtbar gewesen.

Von Ihnen höre ich daß Sie wohl sind und ich hoffe daß Sie Ihr Dresdner Aufenthalt doppelt befriedigt haben wird.

Wegen der Merckischen Sache habe ich Briefe. Ein Capitaliste, der die Summe als Capital herschöße, findet sich in diesem Augenblick nicht, dagegen will Banquir Willemer in Franckfurt sie vorstrecken und verlangt auch nur 4 prCnt.

Nach seinem Briefe will er die 4000 f. gegen einen von Ihnen unterzeichneten Wechsel auf eins oder zwey Jahre vorschießen, bis man entweder sieht, ob Merck solche wieder abtragen kann, oder sich ein Capitalist findet.

[23] Ich habe geantwortet: daß Sie nicht in loco seyen, daß ich aber gleich schreiben und eine eigenhändige Versicherung von Ihnen, worin Sie Ihren Credit für Mercken interponirten, beybringen wollte.

Haben Sie also die Güte, mir schleunigst ein Blatt ohngefähr des Inhalts zu senden:

Daß Sie für die 4000 f. welche Merck bey Herrn Banquier Willemer in Franckfurt am Mayn auf zwey Jahre negotiirt, gutsagten, dergestalt das Sie wenn Merck gedachte Summe in bemeldeter Zeit abzuführen nicht im Stande seyn sollte, für solche, als wäre sie Ihnen selbst dargeliehen worden, haften und solche dem Gläubiger restituiren wollten, wie Sie denn auch die Intressen zu 4 pcnt. inzwischen abzutragen sich engagirten.

Man wird sehen ob Willemer mit einer solchen Erklärung zufrieden seyn wird.

Leben Sie recht wohl und kommen wohl und zufrieden zu uns zurück.

Künstlers Apotheose ein Pendant zu Künstlers Erdewallen im Puppenspiel ist in Gotha fertig worden.

Es ist spät ich schließe mit der alten Bitte: Lieben Sie mich.

W. d. 19. S. 88.

G.[24]


9/2676.


An die Herzogin Amalia

Seyn Sie mir meine beste und gnädigste Fürstinn, in dem großen Rom aufs beste willkommen. Eh Sie diesen Brief erhalten, hoffe ich noch manche gute Nachricht von Ihnen zu hören. Aus Verona haben Sie mich mit einigen Zeilen erfreut, möge die Reise eben so glücklich fortgehen. Daß Kayser sich getrennt hat, thut mir beyde Theile leid, er ist sehr danckbar für jede ihm erzeigte Gnade und Wohlthat. Ich wünsche daß Collina seine Schuldigkeit zu Ew. Durchl. Nutzen und Vergnügen thun möge. Genießen Sie nun, alles so lang gewünschten Guten und kehren Sie bald und völlig befriedigt zu uns zurück.

Mehr weiß ich nicht zu sagen. Alles ist wohl hier und Ew. Durchl. werden davon erfreuliche Nachrichten haben. Ich lebe sehr still hin und bin fleißig. Der achte Band ist bald zusammengestoppelt, dann soll es an Tasso gehn. Ich empfehlen mich tausendmal. Der unartigen Fräulein auch einen Grus.

W. d. 19. Sept. 1788.

Goethe.


9/2677.


An Johann Heinrich Meyer

Ihren Brief mein lieber Meyer habe ich mit vieler Freude gelesen und mich dabey der schönen Stunden[25] erinnert, die wir mit einander zubrachten. Fahren Sie ja fort mir manchmal zu schreiben und durch Ihre Worte den nordischen Himmel aufzuhellen. Glauben Sie mir daß ich Ihre Liebe und Freundschaft recht lebhaft erkenne und erwiedre, wir wollen treu und eifrig jeder auf seinem Wege fortwandeln, biß wir einander wieder einmal antreffen und indessen durch Briefe eine Verbindung erhalten, die beyden Theilen gleich werth ist.

Ich kann und darf nicht sagen wieviel ich bey meiner Abreise von Rom gelitten habe, wie schmerzlich es mir war das schöne Land zu verlaßen, mein eifrigster Wunsch ist Sie dort wieder zu finden.

Mich hat besonders vergnügt daß Sie das Bild von der Circe im Farnesischen Pallaste sosehr loben, es war immer eine meiner Favoritkompositionen. Leider ist der Sinn in welchem es komponirt ist, sehr verschwunden und erloschen und unser lebendes Geschlecht möchte wohl meist das lobenswürdige daran zu tadeln geneigt seyn. Es ist dieses Bild eins von den Mustern wie der Mahler dichten soll und kann, Carrache habe es nun aus sich selbst oder von einem Alten.

Was mich gegenwärtig umgiebt, lädt nicht sehr zu Übung und Betrachtung der Kunst ein. Ich spinne den Faden im Stillen fort, in Hoffnung mich dereinst an demselben wieder in's glückliche Land zu finden. Leider ist meine Ankunft zu Ihnen nicht so[26] nah, wie sie Ihr zweyter Brief aus einigen Ausdrücken eines Briefes an Tischbein vermuthet. Im Geiste bin ich bey Ihnen, laßen Sie mich bald von Sich hören.

Wegen des Carrache hat mir Büry geschrieben und mir Ihre gemeinschaftliche Absicht bekannt gemacht. ich habe aus diesem Anerbieten Ihre freundschaftliche Gesinnungen mit herzlicher Freude erkannt. Verzeihen Sie wenn ich sie vielleicht nicht so zart erwiedre. Am Ende ist das Geld doch das Zeichen aller Nothwendigkeiten und Bequemlichkeiten des Lebens, ich finde es bildlich daß Sie beyde aus diesem Funde einigen Vortheil ziehen. Ich kenne einen Liebhaber der ein so gutes Bild zu besitzen verdient und der in dem Falle ist auch einen billigen Preiß dafür zu bezahlen. Es ist eine Person mit der ich in nahen Verhältnißen stehe, wollten Sie beyde ihr das Bild überlassen; so würde ich es auch genießen. Kommen Sie mit Büry überein was man fordern könnte und zeigen mirs an. Sie hören weiter von mir. Beharrten Sie aber auf Ihrem ersten Gedancken und wollten das Eigenthum dieses schönen Bildes sich vorbehalten und mich freundlich zum Verwahrer desselben machen; so laßen wir es zuförderst in Rom, biß ich sehe was aus mir werden kann.

Sie werden mich sehr verbinden wenn Sie von Zeit zu Zeit an mich dencken und einige gezeichnete Köpfe in den verschiedenen bekannten Manieren schicken.[27] Einige Freunde wünschen sehr auch etwas von Ihnen zu besitzen. Wäre der Raphaelische Johannes Kopf, den Tischbein besitzt nicht ein Gegenstand den Sie mir zeichnen möchten.

Grüßen Sie Tischbein, mit nächstem schreibe ich ihm. Der Herzog von Gotha, welchen ich diese Tage gesprochen, ist gegen ihn sehr gut gesinnt und disponirt, ich werde deßhalb weitläufig schreiben.

Hierbey ein Brief an Kniep. Ich bitte Sie zu würcken daß ich bald und recht bestimmte Antwort auf alle Punckte erhalte. Mehrere Personen hat Knieps Arbeit wohlgefallen und wenn er die erste Bestellung, die ich bey ihm mache, gut und zur gerechten Zeit liefert; so kann er sich eine gute Kundschafft machen.

Leben Sie wohl. Ich gedencke Ihrer oft mit warmer Liebe. Mein Wunsch ist eifrig Ihnen irgendwo in der Welt wieder zu begegnen, am liebsten an dem Orte wo wir uns zuerst kannten und wo wir beyde im eigentlichen Elemente sind. Adieu.

d. 19. Sept. 88. Weimar.

G.


9/2678.


An Christoph Heinrich Kniep

[Concept.]

Mein lieber Kniep. Ich hoffe Sie sind mit der Bestellung für Thurneisen, ich wünschte zu hören, wie weit Sie sind. Schreiben Sie mir doch[28] auch was ich noch außerdem bei Ihnen bestellt habe? ich habe es würcklich vergessen.

Nun aber habe ich Ihnen eine gute Nachricht zu geben. Ich habe Ihre Zeichnungen an mehreren Orten gezeigt und Sie dadurch, auch durch das, was ich von Ihnen gesprochen dergestalt empfohlen, daß ich Ihnen sogleich eine ansehnliche Bestellung ankündigen und Ihnen auf einige Jahre Arbeit vielleicht verschaffen kann.

Sie müssen mir aber vorher einige Fragen beantworten.

1) Was ist gegenwärtig bey Ihnen bestellt und wie lang haben Sie zu arbeiten, bis Sie damit fertig sind?

2) Wenn ich sogleich 20 Zeichnungen von verschiednem Formate bestelle, wie lang denken Sie wohl daran zu arbeiten, und in welcher Zeit ohngefähr könnten die Blätter von Neapel abgehn?

3) Was verlangen Sie Für die Zeichnungen von verschiednem Formate?

Ganz groß wie das Theater von Tauromina.

Mittelgröße wie Neapel Pestum pp.

Klein wie die Ruinen des Herkules Tempel.

NB. Es sollen 14 Blätter in Farben und sechse in Braun seyn.

Ferner gestehe ich Ihnen gerne zu, daß Sie etwas mehr als bisher für das Blatt nehmen. Dagegen müssen die Zeichnungen mit der größten Sorgfalt gemacht[29] werden und besonders am Papier und am aufkleben keine Sorgfalt gespart seyn. Denn die Liebhaber für die Sie arbeiten sind sehr akkurat.

4) Das Geld wird wie bisher an Herrn Hackert gezahlt, und Sie erhalten es gegen Ablieferung der Zeichnungen. Dabei sichern Sie mir zu daß ein für meine Bestellung gearbeitetes Blatt nicht etwa einem durchreisendem Liebhaber überlassen werde.

5) Melden Sie mir ob Sie diesen Sommer die Tour von welcher Sie mir schrieben gemacht, und von welchen besonders schönen Gegenständen Sie Contoure und Studien gemacht haben. Schreiben Sie mir ein Verzeichniß von 20 bis 30 Zeichnungen und ihren Gegenständen, welche farbig oder braun zu machen sind, damit ich wählen kann. Auch die Formate.

6) Studiren Sie die Bäume und Vordergründe und Figuren wohl nach der Natur, überhaupt wenden Sie allen möglichen Fleiß an, denn wenn diese Bestellung gut ausfällt; so kann eine doppelt stärkere erfolgen; allein wie schon gesagt, Sie müssen sich dazu halten, damit die Luft nicht verrauche. Und wenn das Glück gut ist; so kann diese Einleitung für Sie von wichtigen Folgen seyn.

Ich bitte Meyern in einem Briefe, daß er sorgt daß ich bald und recht deutliche Antwort habe, da er doch der Sekretair des Hauses ist und besser schreibt als Ihr andern; so ist er wohl so gut selbst die Antwort abzulassen.

[30] Nun wünsche ich Ihnen Glück mein lieber Kniep zu der neuen Einrichtung und der guten Gesellschaft von Meyern und Tischbein. Ihr seyd gewiß recht vergnügt und fleißig. Genießen Sie der guten Tage. Der Herzogin von Weimar habe ich auch von Ihnen gesagt, und wünsche daß Sie für diese Dame einige recht schöne Stücke machen und sie ihr in Neapel präsentiren möchten. Ich bezahle Sie durch Herrn Hackert.

d. 19. Sept. 88.


9/2679.


An Carl Ludwig von Knebel

Auf den Dienstag mein Lieber komme ich mit einigen kleinen Freunden zu dir und bitte dich um ein frugales Mittagessen. Wäre dirs ungelegen; so schreibe mir , fiele mir etwas vor; so ließe ich's Montags sagen. Ich hoffe das Wetter soll sich erhohlen.

In Gotha ist mirs recht wohl gegangen und ich kann in mehr als Einem Betracht von meinem Aufenthalte zufrieden seyn.

Lebe wohl. W. d. 20. S. 88.

G.


9/2680.


An Caroline Herder

[22. September.]

Hier schick' ich noch ein Blättchen an den Mann. Ich habe mich etwas stark herausgelassen; warum[31] soll man aber nicht die Wahrheit sagen? Ihm ist ja so ungeheuer manquirt, daß er ein für allemal nicht zu nachgiebig und gutmüthig sein muß.

Leben Sie wohl, Beste!

G.


9/2681.


An Johann Gottfried Herder

Ich kann wohl wenig zu dem hinzufügen, was dein treues Weib in beiliegendem Brief dir wird gesagt haben. Wenn es noch Zeit ist, du dich nicht durch ein gutmüthiges Point d'honeur außer Besitz gesetzt hast; so bitte ich dich inständig, unserm Rath zu folgen: Dalbergen männlich und einfach zu sprechen, von ihm das bedürfende Geld zu nehmen und lieber sein Schuldner zu bleiben als dich und die deinigen in die fatale Verlegenheit zu setzen.

Dank's ihm im Grunde der Teufel, du brauchst ihm gar kein Wort dafür zu geben; es ist in jedem Betracht schurkisch; denn es ist kein Spaß, einen dahin zu locken, wo er nicht sieht, wie er zurück kann. Das Zurückgehn muß dein Hauptbegriff sein; denn du stickst nun einmal drin. Vor Ostern ist's nicht möglich. Laß du bis dahin die Frau das Geld sammeln. Ich gebe dir den Creditbrief in Rom, und du gehst neugeboren zurück.

O mein Bruder, welcher böse Geist trieb dich, mich zurückzuberufen? Ich hätte dich nun auffangen können und wir hätten sie alle ausgelacht.

[32] Es wende sich dir alles zum Besten, nur um Gottes willen keine Gutmüthigkeit, die pelikanmäßig ihren Busen aufreißt, um Bastarde zu säugen.

Ich lebe sehr wunderlich. Sehr zusammengenommen, und harre auf Zeit und Stunde. Mein achter Band ist in Ordnung. Künstlers Apotheose soll dir eine gute Stunde machen. Nun bin ich an Tasso, der auch vorrückt. Behalte ich Frieden von außen, so geräth auch der.

Leb wohl. Morgen fahr ich mit dem Erbprinzen nach Jena. Wir nehmen Augusten mit.

Daß du Kaysern in Botzen antreffen solltest und auf solche Weise, war wunderlich genug. Er ist den 10. September in Zürich angelangt. Sehr verlangend bin ich von dir zu hören. Daß doch dein Reiseglück nicht beständiger war! Möge sich eine neue Epoche machen!

d. 22. Sept. 88.

G.


9/2682.


An den Herzog Carl August

Mit herzlicher Theilnehmung seh ich aus Ihrem Briefe Ihr Mißbehagen, Ihren Unmuth, die mir um so schmerzlicher sind, da sie ganz ausser dem Kreise meines Raths und meiner Hülfe liegen. Beynahe darf ich sagen ich habe jetzt keine Leiden als die Ihrigen, wie soll es mich freuen wenn Sie nach[33] Ihrer Rückkehr im Vertrauen wenigstens einigen Trost finden.

Heute war ich mit Ihren Kleinen in Jena, Riedel und Herders August fuhren mit. Der Kleine war gar artig und aufmerksam, er faßt die sinnlichen Gegenstände sehr leicht und richtig und hat für Nahmen ein sehr gute Gedächtniß. Knebel gab uns zu essen, um halb achte waren wir wieder zu Hauße.

Ich habe unter anhoffender Genehmigung einer großen Deliberation und Verlegenheit ein Ende gemacht. Eichhorn ist die letzten Tage zu Lodern gezogen und die Studenten haben sich in Kopf gesetzt ihm ein Ständchen zu bringen. Nun waren alle Pro und Contras in Bewegung besonders weil der Schloßhof in Frage kam. Das Concilium arctius votirte schriftlich indeß die Studenten schon auf einer Mühle versammelt waren und nur auf den Einbruch der Nacht warteten. Ich fragte den Commandanten ob er seine Gatter zu machen wolle. Er antwortete mein, denn da haben wir den Tumult fertig und Döderleins vielleicht Griesbachs Fenster sind eingeschmißen. Nun sagte ich: da in dem engen Raum vor der Hauptwache ohne neue Unordnung kein Ständchen gebracht werden kann, will ich dem Schloßvoigt befehlen, auch das Hofthor nicht zu zu machen und übrigens alles nach Ihrer Ordre zu thun. Der alte Bentheim, der Prorecktor, und Loder waren sehr mit dieser Auskunft zufrieden. Die Jungen Bursche werden[34] ihren Spaß haben, alles wird hoffentlich ohne Händel abgehen. Bentheim wird selbst mit den Officieren auf der Wache seyn und nach seiner alten Pracktick und Studenten Tacktick, alles ordnen und leiten.

Das überschickte Papier will ich gleich weiter befördern.

Leben Sie recht wohl. Ich habe mein letztes Opus weggegeben und kann es nicht gleich vom Abschreiber haben, sonst schickte ich es Ihnen. Vielleicht nächstens. Lieben Sie mich.

W. d. 23. S. 88.

G.[35]


9/2682a.


An Georg Joachim Göschen

Hier kann ich endlich den Anfang des 8ten Bandes übersenden. Das Übrige ist nun alles fertig und[29] wird nach und nach folgen. Dieser Band wird nicht starck, es kann also nicht schaden, wenn besonders das gegenwärtige Puppenspiel, so viel es sich schicken will weitläuftig gedruckt wird. Der Rest ist meistentheils schon Seite für Seite eingetheilt.

Gleichfalls hat der Setzer bey gegenwärtigem Puppenspiel mit Überlegung zu handeln. Besonders was mit größeren Buchstaben, was mit kleinren zu drucken ist, daß alles wohl in die Augen falle. Das Manuscript wird wenigstens zu keinem Fehler verleiten, man kann aber hie und da dem Leser noch mehr zu Hülfe kommen. Laßen Sie doch einen klugen Korrecktor auch darauf sehen.

Übrigens hoffe ich daß dieser Band an Manigfaltigkeit ersetzen soll, was ihm an Bogenzahl, besonders gegen den fünften abgeht.

Die Kupfer von Rom melden mir den Empfang.

W. d. 24. S. 88.

Goethe.


9/2682b.


An Georg Joachim Göschen

Ich hoffe das Puppenspiel ist glücklich angelangt, das Übrige kann folgen, sobald Sie es verlangen.

Schicken Sie mir doch jedesmal 2 Aushängebogen. Ich erinnere mich nicht ob ich schon im letzten Briefe solches verlangt habe.


[30] Senden Sie mir doch:

Linné Genera Plantarum cur. Reichard. Francof. ad M. 1778.

auch wünschte ich

Linné Systema Naturae ed. XII. Holm. 1766-68

zu besitzen. Es müßte aber nicht der Nachdruck sondern das Original seyn. Es hat sich das Buch vergriffen, allein Sie finden es wohl irgendwo auf, es hat so große Eile nicht damit.

Leben Sie wohl und laßen mich bald ein Wort hören.

W. d. 28. S. 88.

Goethe.[31]


9/2683.


An Carl Ludwig von Knebel

Ich dancke dir für dein Andenken und die Früchte. Hier etwas aus meinem Garten.

Ich lege des Künstlers Erdewallen dazu weil du es vielleicht nicht bey der Hand hast und es doch voraus gelesen werden muß.

Nun bin ich eifrig an Tasso er geht von statten. Es wird ihm aber doch nicht jemand leicht wenn er fertig ist die Arbeit ansehn die er kostet und man solls auch nicht.

Lebe wohl. Gedencke mein. Vielleicht besuche ich dich bald wieder. Schreibe mir wenn Weinlese ist.

W. d. 1. Octbr. 88.

G.[35]


9/2684.


An den Herzog Carl August

Sie bleiben, höre ich, länger aussen als Anfangs Ihre Absicht war, darum schicke ich noch einige Zeilen und erzähle wie mir es ergangen.

Ich war mit dem Prinzen in Jena, der nach seiner Art ganz vergnügt und aufmercksam auf dieser kleinen Tour war. Es wird ihm gewiß wohl thun wenn man ihm von Zeit zu Zeit eine kleine Verändrung dieser Art macht. Giebt es noch einen schönen Tag; so möcht ich ihn wohl einmal nach Erfurt bringen.

Dann ritt ich nach Ilmenau wo sie ernstlich beschäftigt sind die Wasser zu gewältigen. Sobald ein Saz steht sind die Lachter geschwind ausgepumpt, aber die Sätze hineinzubringen ist ein umständliches, ja gefährliches Arbeiten. Inzwischen scheint das Rad sehr gut gebaut und sieht mit seinen Krummzapfen und kreuzen gar ernsthaft in der Finsterniß aus. Die zwölf und eilfzöllichen Sätze heben einen gewaltigen Schwall Wasser. Die Wasser sind jetzt 25 Lachter unter dem Stollen gewältigt. Ich bin biß auf sie hinab gefahren, um die Arbeit selbst zu besehn die nötig ist, die Sätze zu stellen und einzurichten. Übrigens sieht alles recht artig und ordentlich aus.

Seit meiner Rückkunft habe ich fleißig an meinem Operibus gearbeitet und hoffe nun bald über den[36] Tasso das Übergewicht zu kriegen. Es ist einer der sonderbarsten Fälle in denen ich gewesen bin, besonders da ich nicht allein die Schwürigkeit des Süjets, sondern auch Ihr Vorurtheil zu überwinden arbeiten muß. Je weiter ich komme, desto mehr Hoffnung habe ich zur reüssiren.

In der Litteratur Zeitung steht eine Recension meines Egmonts welche den sittlichen Theil des Stücks gar gut zergliedert. Was den poetischen Theil betrift; möchte Recensent andern noch etwas zurückgelaßen haben.

Ich empfange Ihren lieben Brief mit meinem Gedichte. Es freut mich sehr wenn es Ihnen einigermaßen gefallen und Gelegenheit zu frommen Betrachtungen gegeben hat.

Gebe uns der Himmel den Sinn uns ans nächste zu halten, man verwöhnt sich nach und nach so sehr, daß einem das natürliche unnatürlich wird. Ich habe zwar hierüber nicht mehr mit mir zu kämpfen, doch mich immer daran zu erinnern.

Leben Sie recht wohl und kommen bald und gesund zurück. W. d. 1. Ockt. 88.

G.


9/2685.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Ich erinnere mich kaum ob ich dir versprochen habe von dem jungen Mann den ich dir empfahl noch[37] einige Nachricht zu geben. Ich erhalte einen Brief von ihm, sein voriger Patron hat ihm auf eine sehr unwürdige Weise mitgespielt und ihm das übertriebenste Zeugniß zum Abschied gegeben. Er wartet nun in Erlangen auf Entscheidung seines Schicksals und bezeigt sich gar vernünftig obgleich sehr niedergeschlagen.

Von keinem Französisch schreibt er: er könne soviel um sich fortzuhelfen, andre zu lehren getraue er sichs nicht. Ehe ein wenig Italiänisch. Geographie, Historie, Mythologie pp. will er mit den Kindern gern tracktiren. Übrigens hoffte ich solltest du mit ihm zufrieden seyn. Laß mich bald etwas hören, er ist in einer gar klemmen Lage, wenn er für dich nach der Beschreibung nicht wäre; so suche ich ihn sonst zu empfehlen und sehe mich für dich weiter um. Adieu du Lieber. Mehr kann ich nicht sagen. Ich lebe jetzt wie eine Schnecke, eingezogen ins Haus. Grüße die deinigen.

W. d. 3. Oktbr. 88.

G.


9/2686.


An den Großherzog Carl August

Gehorsamstes Promemoria.

Ich lege hier die Buchverbinderrechnung bey, welche die Büttnerische Bibliothek noch zu bezahlen schuldig ist. Würde diese abgeführt und von Michaelis an etwa 50 Thlr. zum Einbinden der rohen Bücher[38] jährlich bestimmt, so würde viel Nutzen gestiftet und der Untergang manches guten Buches verhütet. Das Geld könnte vierteljährig mit der fürs Cabinet bestimmten Summe an Herrn Hofrath Loder ausgezahlt werden, auch demselben etwa durch einen Extractum Protokoli die Absicht der Verwendung angezeigt werden. Daß sich die beyden Herrn Büttner und Loder über diese Angelegenheit vernehmen, dafür will ich Sorge tragen.

Weimar d. 8. Oct. 88.

J. W. v. Goethe.


9/2687.


An den Herzog Carl August

Gehorsamster Promemoria.

Die gegenwärtige Jahrszeit fordert mich auf, den Durchstich bey Jena oberhalb der Rasenmühle in Erinnerung zu bringen. Dieses Werck wozu man durch die Gefahr der nahliegenden Straße gezwungen worden hat mehrere Jahre Arbeit und mancherley Kosten erfordert, es hat sich, soviel ich bey einem flüchtigen Blick übersehen konnte gut gehalten und besonders hat das Wasser eine Anlage unterhalb des Trütschlerischen Gartens gemacht, welche ich mir vor zwey Jahren kaum zu hoffen getraute. Gegenwärtig sollte ich dencken daß man mit wenigem das Unternehmen endigen und den letzten Entzweck erreichen könnte. Besonders da das Material so nah ist und die Kies[39] Inseln, welche ich von jeher als einen Schatz für den dortigen Wasserbau angesehn, und auch ferner zu bewahren bitte, auf das schönste wieder die nöthigen Weidenäste und Sprößlinge getrieben haben.

Gerne würde ich meinen Rath bey dieser Sache anbieten, deren Wichtigkeit mir genug bekannt ist, die ich von Anfang kenne und bey deren Ausführung mir mancher begangener Fehler nicht Fehler nicht verborgen geblieben ist.

Sollte es gefällig seyn; so wollte ich mit einem Membro Fürstl. Cammer und Secretair Güßfelden mich an einem guten Tage an den Ort begeben, um die Sache genau in Augenschein zu nehmen, darüber zu berathen und Fürstl. Cammer die gegenwärtige Lage und was allenfalls zu thun seyn mögte, bestimmt vorlegen zu können.

Weimar d. 8. Oktbr. 88.

J. W. v. Goethe.[40]


9/2687a.


An Georg Joachim Göschen

Das übersendete Geld habe erhalten, wofür ich danke.

Hierbey folgt die Fortsetzung des Manuscripts. Ich habe dabey zu bemercken daß diese Gedichte Seite für Seite abgedruckt werden müssen und ich glaube es wird meist angehen. Lassen Sie es durch einen Setzer durchgehen und schreiben mir Ihre Meynung.

Bey dem einzigen Gedicht: Lilis Parck, glaube ich mich verrechnet zu haben und fürchte daß es nicht auf sechs Seiten gehen wird. Sollte eine siebente nöthig seyn; so wollen wir es so einrichten. Ich schicke Ihnen ein klein Gedicht Lilis Parck fängt alsdenn pag. 37[31] an und reicht zwey Seiten weiter und die übrigen Gedichte welche, wegen gewisser Verhältnisse gegen einander über stehen, werden nicht verrückt. Lassen Sie, wie gesagt doch das Ganze durchgehen. Es ist mir dran gelegen daß nichts verruckt werde. Ich habe noch eine ähnliche paginirte Abschrift hier, Sie können sich also auf die Zahlen des gegenwärtigen Manuscript beziehen, welche übrigens auf das gedruckte Exemplar keinen Einfluß haben.

Hier schicke ich zugleich die Platten zum 8ten, gegenwärtigen Bande. Das Titelkupfer ist eine sehr reizende Composition, sollte die Vignette ein wenig zu hoch seyn; so kann man von der Platte so viel abnehmen. Von beyden ersuche ich Sie mir eine Anzahl guter Abdrücke auf schön Papier, wie von dem Kupfer zu Egmont baldigst machen zu lassen. Auch Herr Lips hat sich sehr wohl gehalten. Die Platten zum 6ten Band sind auch in meinen Händen. Für alle Vier habe ich Herrn Lips 24 Dukaten bezahlt, welche ich mir zu ersetzen bitte.

Für das Kupfer zum 7ten Band sorge ich auch ingl. für die Vignette.

Vielleicht kann ich es dahin bringen daß die Platten zum holländischen Abdruck meiner Schriften auch in Rom gefertigt werden.

Senden Sie mir doch Adelungs Schrift deren Titel hier beyliegt. Ich wünsche wohl zu leben.

W. d. 9. Octbr. 88.

Goethe.[32]


9/2688.


An Johann Gottfried Herder

Sei mir herzlich in Rom gegrüßt und an jeder Stelle, die du betreten wirst. Keine merkwürdige wirst du betreten, in der ich nicht deiner gedacht hätte. Ihr habt Tadel verdient, daß Ihr bis Ancona so schnell, Lob, daß Ihr von daher die merkwürdigen Sachen mit Ruhe und einigem stillen Genuß angeschaut habt. Verzeihe deiner Frauen, wenn sie mir[40] mehr, als du wolltest, vertraut hat; verzeih mir, wenn ich mich etwas heftiger gegen – erklärt habe. Sie muß nichts Wichtiges ganz in sich verschließen, wenn sie deine Abwesenheit tragen soll, und wie ich die Sachen nehme und trage, weißt du ja auch.

Mich freuts, wenn du Angeliken und sie dir einige gute Stunden machst. Wenn dir Bury lieb wird. Sei doch ja gegen Rath Reiffenstein recht artig und rühme ihm, wie sehr ich seine Freundschaft gerühmt. Ich bleibe immer der wunderliche Heilige Gottes, der wunderlich geführt wird. Wenn du in mein hold Quartierchen kommst, so laß dichs einen Augenblick reuen, daß du mich herausgejagt hast.

Das Blatt ist liegen geblieben; nun kommt dein Brief, der deinen Einzug in Strada Condotta benachrichtiget. Die S. ist eigentlich ein Racker, und spielt ihre Person in der Gesellschaft am besten. Du bist auf alle Weise zu honnett; da es aber deine Natur ist, so bleibe dabei und laß sie dirs nur nicht zu grob machen. Der Dalberg ist, wie alle schwache Menschen, freilich sehr vergnügt, wenn du ihm das Leben leicht machst, da du's ihm sauer machen solltest, indeß jene, die ihms leicht machen sollte, es ihm lästig macht. ich lobe sie indessen, wie der Herr den ungerechten Haushalter. Es geht doch nichts über die Huren, dagegen kann kein ehrlicher Mann, keine ehrliche Frau, kein ehrlich Mädchen aufkommen. Lebe wohl, du guter, der du auch unter Wilhelms Verwandten[41] dich auszeichnest. Genieße Rom, sorge, daß Ihr nach dem Carneval nach Neapel geht bis Ostern pp und vergiß nie, was du bist und was dir der Sperling schuldig ist. Liebe mich. Grüße die Landsleute.

W. d. 10. Octbr. 88.

G.


9/2689.


An Carl Ludwig von Knebel

Wahrscheinlich mein lieber komme ich etwa Dienstag oder Mittwoch zu dir, ich habe einiges drüben zu thun, Wedel wird wohl mitkommen. Es soll mich freuen wenn die Weinlese schön Wetter hat.

Es ist mir sehr lieb daß dir mein kleines Gedicht gefallen hat. Tasso rückt nur langsam. An natürliche Gegenstände wird nur selten gedacht, die Kunst steht auch fast stille.

Die Bezahlung der alten Buchbinder Schuld hab ich besorgt. Auch wird der alte zum künftigen Einbinden jährlich etwas erhalten. Repertorien sollen auch gemacht werden.

Mit Batschens Gesuch möchte es jetzt schwerlich die Zeit seyn. Man muß abwarten und hoffen.

Von Spalanzani habe ich nur beykommendes. In Italien hab ich an diese Gegenstände gar nicht gedacht.

Lebe wohl und gedencke mein.

W. d. 11. Oktbr. 88.

G.

Vielleicht bring ich den Prinzen zur Weinlese.[42]


9/2690.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Verzeih mir lieber Bruder wenn ich in einer ernstlichen Sache ein weniger nachlässiger verfahren habe, ich war einige Zeit hergedrängt und zerstreut. Du erlaubst mir acht Tage, daß ich ein wenig überlege und dir meine Meynung schreibe.

Deine Anweisung lasse ich von Göschen einkassieren. Von meiner Mutter habe ich noch kein Geld erhalten. Gestern empfange ich einen Brief von ihr vom 21ten Oktbr., in dem sie mir einige Posten meldet, die sie für mich eingenommen, von deiner Summe sagt sie nichts.

Hier schicke ich dir ein Stückchen des achten Bandes, den du bald ganz sehen wirst. Des Künstlers Erdewallen, erinnerst du dich noch aus dem Puppenspiel. Lebe wohl.

d. 24. Octbr. 88.

G.[43]


9/2690a.


An Georg Joachim Göschen

Bey dieser zweyten Sammlung habe ich einiges zu erinnern, worauf ich genau zu achten bitte.

Es ist mir gleichfalls, wie bey der ersten, viel daran gelegen daß sie Seite für Seite abgedruckt werde. Sollte sich ein Hinderniß finden; so werden Sie mich sogleich davon benachrichtigen.

Ich erkläre mich deutlicher.

Bey Gedichten, deren mehrere in dieser Sammlung sich befinden, welche mehr als eine Seite einnehmen, wo aber die letzte Seite noch Raum hat, kann mir es einerley seyn wie man die Seiten des Gedichts eintheilt nur daß ein solches Gedicht sich nicht auf mehr Seiten ausdehne Z.E. daß Mahomets Gesang 4 Seiten Meine Göttinn 4 Seiten einnehme, welches auch recht gut angeht.

Bey zwey einzigen Gedichten, welche auf einander folgen, möchte eine Schwierigkeit entstehn, welch aber auch zu heben ist. Die Gedichte: Gränzen der Menschheit p. 116 und das Göttliche p. 118 nehmen fünf Seiten ein. Sollten sie, wie ich vermuthe, im Druck nicht auf 5 Seiten gehn; so müssen sie beyde um eine Seite ausgedehnt werden, damit sie sieben Seiten füllen und das Epigramm Herzog Leopold gegen das Ende des vorhergehenden Gedichts über zu stehen komme, auch alle Epigramme so gegeneinander[33] über stehen, wie sie im Manuscripte geschrieben sind. Hieran ist mir sehr viel gelegen, und ich bitte also genau darauf acht zu haben und wenn sich ein Hinderniß zeigte mir es zu schreiben.

Vom Gedichte der Wandrer an p. 133 kann mirs einerley seyn wenn die Gedichte allenfalls um eine Seite rücken. Und das Gedicht die Necktartropfen p. 132 noch eine Seite mehr einnähme.

Könnten Sie nicht selbst auf diese Sache achten; so ersuche ich Sie mir darüber eine Korrespondenz mit jemanden zu eröffnen dem Sie deßhalb Auftrag thun.

Ich erwarte einige Nachricht daß dieser Transport und einige andre angelangt sind.

W. d. 24. O. 88.

J. W. v. Goethe.


Die Gedichte von Seite 161 an können auch nach Nothwendigkeit abgedruckt werden. Hier ist die Seitenzahl von keiner Bedeutung.[34]


9/2691.


An Carl Ludwig von Knebel

Wofür du danckst lieber Bruder habe ich zu dancken, glaube mir daß ich deine Liebe und Freundlichkeit erkenne.

Ich bin hier fast allein. Jedermann findet seine Convenienz sich zu isoliren, und mir geht es nun gar wie dem Epimenides nach seinem Erwachen.

[43] Es ist wenig gethan worden. Da nichts recht vom Flecke wollte habe ich indessen geordnet, unzählige kleine Scizzen die ich mitgebracht habe in Bücher gebracht, daß sie nur einigermassen genießbar werden.

Die Genci soll auf dich warten, ich mag sie nicht schicken aus Furcht es begegne ihr etwas. Dancke für das Kleeblat der Dichter, ich besaß es nicht.

Göttlingen hab ich eine Partie Bologneser Spat zu Versuchen gegeben, ich will die mineralogische Beschreibung machen der Art wie er bricht und es Trebra in seine Acta geben. Du kennst das Unternehmen wohl noch kaum, hier schicke ich das Einladungsschreiben mit den ersten Bogen.

Tasso hat einen Stillstand gemacht. Der achte Band ist indess auf dem Sprunge. Ein Summa Summarum so mancher Empfindungen eines ganzen Lebens ist ein wunderlich Ding und es konnte noch viel bunter aussehn, ich mußte zu viel weglaßen.

Es hat mich gereut daß ich von dir gegangen bin, wir waren auf guten Wegen. ich wünsche daß du in Jena seyn mögest wenn ich meinen anatomischen Curs antrete.

Den ersten Band der hinterlaßnen Wercke des großen Alten habe ich gelesen. Es ist doch was einziges um diesen Menschen. Die Aneckdotenschreiber will ich doch aufsuchen.

Lebe wohl und liebe mich.

d. 25. O. 88.

G.[44]


9/2692.


An Johann Gottfried Herder

Mein lieber, du verzeihst einer treuen Meinung, wenn sie dir einen unangenehmen Tag machte. Es ist so gefährlich, in die Ferne sittlich zu würken. Spricht man mit einem Freund, so fühlt man seine Lage und mildert die Worte nach dem Augenblick. Entfernt spricht man nicht recht, oder es trifft nicht zur rechten Zeit.

Dein letzter Brief erquickt mich. Was ich wünsche und bitte, das thust du; setze dich zusammen, laß das Verlorne verloren sein, aus dir wird dirs gewiß wohl.

Ich bin sehr einsam und fleißig. Des alten Königs nachgelaßne Werke machen mir gute Tage.

Deine Frau und Kinder sind wohl. Der Herzog ist nach einer beynahe zweimonatlichen Abwesenheit zurückgekommen. Knebel sitzt in Jena. Die Herzogin lebt still, wie immer. Adieu, genieße die Zeit.

W. d. O. 88.

G.


9/2693.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Alles betrachtet mein lieber, so sehe ich an deinem Briefe daß du so sehr nicht eilst einen solchen jungen Mann zu haben. Deswegen hab ich noch einmal a Vulpius geschrieben und erkundige mich noch um verschiednes.[45] Ich möchte dir nicht falsch rathen aber ich möchte auch nicht versäumen einem guten jungen Menschen ein Glück zu verschaffen, denn wenn du ihn auch nur einige Jahre behältst; so ist es keine Kleinigkeit in deiner Nähe gelebt zu haben, unter den deinigen gewesen zu seyn. Die Menschen werden nur von Menschen gebildet, die Guten von Guten.

Ich habe auf meiner Reise versucht, auf das Schicksal und den Charackter einiger jungen Leute zu würcken, ich habe ihnen und andern dauernde Vortheile verschafft. Möge es mir öfter gelingen.

Daß dieser Brief nicht ganz leer gehe hier ein Erotikon.

Wenn ich manchmal zu lange im Schneckenhause stecken sollte, so klopfe freundlich an der Thüre an. Gieb mir manchmal ein Zeichen des Lebens. Grüße die deinen. Adieu.

d. 31. O. 88.

G.


9/2694.


An die Herzogin Amalia

Wie sehr mich jede Nachricht von meiner theuersten Fürstinn aus Rom freut, kann ich nicht ausdrücken, ich sehe zugleich Ihre und meine herzlichsten Wünsche erfüllt.

Da Sie gesund sind, haben Sie uns alles wornach Sie Sich solange sehnten und können im Anschauen[46] der herrlichsten Gegenstände, Sich einen Schatz aufs ganze Leben sammeln.

Sie sind mit Collinas Bedienung zufrieden, ich wünsche daß er sich immerfort bemühen möge nützlich zu seyn.

Sie kennen nun Mad. Angelika und diese werthe Frau muß Ihnen in mehr als Einem Sinne interessant seyn. Der gute Alte Rath wird nichts versäumen, Sie in alles Schöne und Genießbare einzuweihen. Was ist nicht für gutes jetzt in Ihrer Nähe!

Büry höre ich hat auch Beyfall gefunden. Die passionirte Existenz dieses jungen Menschen gehört mit zur Staffage jener glücklichen Gegend. Thun Ew. Durchl. auch um meinetwillen wohl an ihm, er hat viel an mir verlohren.

Herder schreibt mit großer Freude wie er Sie empfangen und wie Sie ihm als ein guter Geist erschienen. Erfreuen Sie ihn durch Zutrauen und Mitgenuß. Ein solches Zusammenseyn knüpft die schönsten Bande fürs ganze Leben.

Warum bin ich doch zurückverschlagen! Um meinetwillen mehr als um Ew. Durchl. willen wünsche ich es, denn aus allem sehe ich daß Sie alles genießen eben auf die Art wie ich es Ihnen zu verschaffen wünschte. So gehe es denn fort. Die glückliche Zeit verfließe Ihnen langsam und schöne Tage mögen Sie uns zurückbringen. Indessen verwahre ich mich gegen[47] Schnee und Kälte und bin fleißig wie es einem Norden geziemt. Behalten Sie mich in gnädigem Andencken.

W. d. 31. Oktbr. 88.

G.


Ich habe bey Verschaffelt, welcher sich Ew. Durchl. wird haben präsentiren lassen, vier Landschaften bestellt, welche ich von hier ausbezahlen werde.

Gefallen Sie Ew. Durchl., so stehen sie zu befehl, sonst kann ich sie vielleicht auch andrer Orten anbringen, indessen bitte ich sie anzunehmen und wohl zu verwahren.

Überhaupt wünsche ich daß Sie die Zeichnungen von Burz pp etwa der Angelika in Verwahrung gäben, wenn Sie von Rom nach Neapel gehn, es geht gar leicht etwas daran zu Grunde.


9/2695.


An Georg Joachim Göschen

Es ist mir angenehm zu hören, daß sich mit dem Manuscripte alles gutschickt, der Überrest soll auch in Zeiten nachkommen. Überschicken Sie mir nur, wie ich Sie schon ersucht habe, gleich die Aushängebogen doppelt. Herrn Lips werde ich wegen der Kupfer schreiben und seine Antwort mittheilen.

Schicken Sie doch ein geheftetes Exemplar meiner Schriften, auf ordinair Schreibpapier, an Herrn Pastor[48] Plessig nach Wernigerode mit dem Ersuchen, solches seinem Sohne, Herrn Prof. Plessig in Duisburg am Rheine, mit Gelegenheit zu übersenden. Ein Verzeichniß, wie ich die Exemplare meiner Schriften nun abgeliefert wünsche, will ich auch überschicken, damit wir einmal in Ordnung kommen.

Das Geld ist wohl angekommen; näml. 68 rh. für Herrn Lips. Auch Adelungs Orthographie.

Senden Sie mir doch baldigst

von Adelungs Wörterbuch den letzten Band.

Die vier ersten besitze ich.

Sodann:

Anfangsgründe der Muskellehre. Wien bei Geßler. Klein Folio mit Kupfern.

Weimar, d. 6. Nov. 88.

v. Goethe.


Ich habe Ursachen, warum ich die zwei letzten Gedichte der ersten Sammlung – Genuß und der Besuch – nicht abdrucken lassen will; haben Sie also die Güte, solche aus dem Manuscript zu schneiden und mir sie zurück zu schicken.


9/2696.


An Carl Ludwig von Knebel

Morgen Sonntag d. 9ten treff ich bey dir ein und bleibe wohl acht Tage, ich bringe Fritzen mit, der früher wieder nach Hause reiten wird. Ich will[49] die Myologie nochmals angreifen und sehn ob ich Bresche schießen und sie mit Sturm erobern kann.

Ich freue mich auf unser stilles Zusammenseyn. Lebe wohl. Mündlich mehr. W. d. 8. Nov. 88.

G.


9/2697.


An den Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha

Durchlauchtigster Herzog!

Gnädigster Herr!

Den aufrichtigsten Dank für die gnädigen Merkmale Ihrer Gesinnungen! Es ruht ein großer Theil meines Glücks auf der Gnade, die mir Ew. Durchl. schenken. Ich habe mich nie auf den kleinen Handel verstanden, wodurch in der Welt so viel ausgerichtet wird, desto erfreuter und beschämter bin ich, wenn ich mich eines so großen Kapitals unverdienter Weise versichert sehe. Die Papiere belieben Ew. Durchl. zu behalten. Für den ansehnlichen Beitrag zu Abbüßung meiner palermitanischen Sünden danke unterthänigst.

Die Rissen behalten Ew. Durchl. so lang als Ihnen gefällig ist. Das Gemälde von Guido mache ich in Rom gleich feste. Es wird auf Ew. Durchl. ankommen, ob gleich ein Rahmen dazu gemacht werden soll, oder ob man es simpel herzuschicken hat. Man schnitzt und vergoldet dort sehr schön. Die Zeichnung davon sollen Sie bald haben, sie muß nur aufgezogen und ausgebessert werden. Angelica schreibt mir: »Ein Brustbild[50] von einem Jungen, der mit Tauben spielt ist meisterlich gemacht und gar gefällig, könnte wohl von Guido sein.«

Nun noch eine Anekdote, die das Bild merkwürdig macht. »Ein Simeon im Tempel von Guido. Eine artige Episode des Gemäldes ist ein Kind, welches mit Tauben spielt, die in den Tempel gebracht werden; der Meister hat dieser kleinen Figur einen sehr naiven Ausdruck gegeben.« Wenn nun, wie ich vermuthe, das römische Bild der erste Gedanke ist, wie ihn Guido von der Natur scisirt und nachher in's große Gemälde übertragen hat, so gibt es dem Bilde einen höheren Werth. Denn daß es Copie sei, ist nach dem, was Angelica und Andre sagen, nicht möglich.

Der andere Gedanke, den ich hegte, war, Ew. Durchl. auch zu den beiden andern Bildern zu rathen, zu dem Carracci und Baroccio. Davon nächstens mehr. Ich bin für diese nicht so entschieden als für das Knäbchen. Mit der Zeichnung wird auch der Maaßstab kommen, der zu dem Landhause gehört. Beides bestelle ich, eh' ich von hier auf einige Zeit nach Jena gehe. Es soll Mythologie getrieben werden.

Meiner gnädigsten Fürstinn lege ich mich zu Füßen und wünsche das beste Befinden. Unsre gnädigste Herzogin gibt gute Hoffnung. Sie erwiedert nebst dem Herzog Ew. Durchl. freundschaftliche Grüße. Verzeihen Ew. Durchl. die Sudelei des gegenwärtigen Briefs. Von einem gestrigen Balle und Punschgelage[51] bin ich an Leib und Seel' verstimmt. Nächstens mehr, da Sie mir so gütig erlauben, öfters zu schreiben.

Ew. Durchl. unterthänigster

Goethe.

Weimar, den 8. November 1788.


Unterthänige Nachschrift. Das Kind mit den Tauben folgt sogleich, ich habe es vor meiner Abreise zurück erhalten. Herrn Rath Reichard sende ich den dritten Theil der französischen Physiognomik mit einigen Anfragen. An Döring ist umständlich geschrieben, ich erwarte Antwort, an Tischbein nur vorläufig. Ehestens sende ich einen Brief an ihn zur Einsicht. Sollten Ew. Durchl. gelegentlich an Rath Reifenstein schreiben, so bitte ich, daß Ew. Durchl. mit einem Worte gedenken, wie sehr ich seine Gefälligkeit gerühmt. Ich bin überzeugt, daß er um Ew. Durchl. willen seine Aufmerksamkeit gegen mich vermehrt hat.

Wenn die Muskellehre in Jena durchgearbeitet ist, wünschte ich nichts so sehr, als auf dem Friedensteine unter Ew. Durchl. Auspiciis und der Anleitung des Herrn Döll die Natur und Antike einmal wieder recht ernstlich anzusehen. Vielleicht wird es mir nach dem neuen Jahre so wohl.[52]


9/2698.


An Johann Christian Kestner

Es ist wohl nicht artig daß ich solang in Deutschland bin und doch kein Zeichen des Lebens von mir gegeben habe. Ihr seyd deßhalb sehr artig, daß ihr mir zuvorkommt und mir Nachricht ertheilt wie es Euch und den Eurigen geht. Ich freue mich daß Ihr alle zusammen wohl seyd und Euch noch immer vermehrt.

Warum meine Mutter nicht geantwortet hat begreife ich nicht. Es wäre sonderbar wenn durch diesen Zufall die Tochter der Mutter ominosen Nahmen fortführen sollte.

In Italien ist mirs sehr wohl gegangen, ich habe ganz nach meinem Sinne gelebt und brav studirt. Ich wollte nur ich hätte das zwanzig Jahre früher haben können! Da hätte man die Sachen aber auch nicht so solid genommen.

Rehberg hat sich sehr gut zu uns gefunden. Mit ganz neuen Menschen laß ich es gerne eine Weile so hingehn. Es hatte sich aber zuletzt recht artig gemacht. Nur schade daß ich mich trennen mußte.

Er schreibt mir oft. Herder ist jetzt in Rom, auch unsre verwittibte Herzoginn ist vor kurzem angelangt.

Riedel ist ein sehr guter Mann und findet sich immer beßer. Anfangs hatte er in mehr als einem[53] Betracht einen schweren Stand. Es lößt sich aber alles zu seinem besten auf. Das Kind ist froh und gesund.

Ihr habt mir einigemal wegen einer Präsentation beym Cammergerichte geschrieben. Schreibt mir doch ob Euch noch daran gelegen ist und wie man die Sache einfädlen könnte. Ich bin zwar meist ausser politischen Relationen, doch kann ich vielleicht etwas würcken. Lebt indeß recht wohl. Grüßt die Eurigen. Wann und wo werden wir uns denn endlich einmal wiedersehen?

W. d. 10. Nov. 88.

Goethe.


9/2699.


An Johann Heinrich Merck

Dein Brief, lieber Freund, wenn er mich gleich seinem Inhalte noch betrübt, hat mir doch Freude gemacht daß du ihn nur hast schreiben mögen. Es ist gewiß eine Erleichterung, wenn man es nur sagen kann und mag, wie weh einem ist. Schreibe mir manchmal, vertraue mir deine Zustände und glaube daß du mir auch mit Klagen läßtig bist.

Nimm dich was du kannst zusammen, separire durch den Verstand die phisische moralischen, oekonomischen Übel so gut es gehen will und suche Heilung, Mittel und Hülfe in dir selbst und deinen Freunden. Ich hoffe es steht dir Schleyermacher im Ordnen des[54] Ganzen bey, wenn du gleich im Einzelnen selbst wirst arbeiten müssen. Lebe wohl, ich bin zufrieden und vergnügt.

W. d. 10 Nov. 88.

Goethe.


9/2700.


An Heinrich August Ottokar Reichard

Ew. Wohlgeb.

nehme ich mir die Freyheit mit einigen Aufträgen beschwerlich zu seyn.

Durchl. der Herzog haben vor einigen Jahren den ersten Band der Französchen Phisiognomick von mir erhalten, ich erinnere mich aber nicht daß der zweyte durch meine Hände gegangen sey. Nun übersende, auch liegt ein Exemplar für Herrn Oberstallmeister mit bey.

Wollten Sie die Güte haben, beyde abzugeben und Sich zu erkundigen ob etwa der zweyte Band schon angelangt, wo nicht so werde ich mich darnach erkundigen.

Ferner wollte ich Sie ersuchen Sich zu erkundigen ob etwa damals noch jemand ein Exemplar des ersten Bandes von mir erhalten? Es ist so lange und dieß kleine Geschäft ist mir ganz aus dem Sinn und Gedächtniß gekommen. Eben so ist es mit dem Preise um den ich mich erst wieder erkundigen muß.

[55] Es liegt noch ein besonder Packet an Durchl. den Herzog, ein kleineres an des Prinzen August Durchl. bey.

Viele Empfehlungen an Ihre liebe Gattinn, sie wird sich doch mit dem Kleinen recht wohl befinden?

Ich bitte um Vergebung dieser Beschwerde und unterzeichne mich

Ew. Wohlgeb.

W. d. 10. Nov.

ergebenster Diener

88.

Goethe.


9/2701.


An den Herzog Carl August

Hier überschicke ich die Wünsche des alten Pflanzers, inwiefern sie erfüllen sind mag der Förster nachsehen. Sie werden dem ehrlichen Mandarinen jawohl die Stämmchen unentgeltlich verabfolgen laßen. Ich bin fleißig in Anatomicis und fleißig einige andre gute Lehren zu befolgen, auch habe ich Ihre Aufträge nicht versäumt. Schon habe ich ein Blat frommer öffentlicher und Privat Wünsche. Ich halte mich besonders an Griesbachs, welches sehr wackre, verständige Leute sind. Im Conzert, Club und überall suche ich jeden zu sprechen und ihm Zutrauen einzuflößen.

Die Gräfinn Pagda aus Prag ist angekommen, ihren Eyerstock Starcken anzuvertrauen. Ich habe sie[56] im Conzert gesehen und will sie morgen besuchen. Es ist eine Frau in mittlern Jahren, die wohl aussieht.

Die wiederhohlte Hierherkunft des Prinzen giebt den Einwohnern die Hoffnung, daß er dereinst einige Zeit hier zubringen könnte. Dieser Gedancke verbreitet eine besondere Heiterkeit, man vergleicht sich auch von dieser Seite mit Göttingen, welches die Englischen Prinzen besitzt, ich nähre diese Hoffnung auf eine bescheidne Weise. Sie würckt gewiß Gutes.

Leben Sie recht wohl und genießen der Tage. Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn.

Jena d. 16. Nov. 88.

Goethe.


Hier ein Eroticon.

Weichet Sorgen von mir! – doch ach den sterblichen Menschen

Lässet die Sorge nicht loß, biß ihn das Leben verläßt.

Soll es einmal denn seyn; so kommt ihr Sorgen der Liebe,

Treibt die Geschwister hinaus, nehmt und behauptet mein Herz.


Ich höre mit Vergnügen daß Sie Sich Venten zueignen wollen, ich bin überzeugt daß Sie mit dieser Acquisition zufrieden seyn werden. Nur bitte ich, da er gegenwärtig durch seine Informationen sich auf[57] einen guten Punckt gebracht hat und ein ehrliebender Mensch ist, der auf eine bescheidne Weise vorwärts strebt, daß Sie ihn in utili und honorifico so setzen, daß er in Ihrer Nähe auch mit Freude arbeite und seinem künftigen Schicksal getrost entgegengehe. Leben Sie bestens wohl.

Ich fange noch einmal an, um zu melden daß wir in Drackendorf gewesen sind das Zigesarische Blut zu beschauen.

Die großgewachsnen Mädchen haben uns sehr in die Augen gestochen. Die jüngste wird eben konfirmirt und kann die Propheten nicht mercken, die mittelste ist würcklich ein Schatz, die ältste nähert sich schon der Mutter. Der Vicekanzler setzte das Capitel der Königlichen Aneckdoten: vom Haß gegen die Geistlichen, sehr lebhaft fort, als wenn des alten Königs Geist ihn angehaucht hätte, und wenn die Mädchen bey einigen Consistorial Geschichten auf die Teller schauten waren sie darum nichts häßlicher. Mutter, Töchter und Söhne werden uns beyde Hagenstolzen ehstens besuchen und wir werden bey Gelegenheit des Naturalienkabinets uns zu empfehlen trachten. Leben Sie wohl. Ich schäme mich vor Ihnen der Studenten Ader nicht, die sich wieder in mir zu beleben anfängt.[58]


[59] 9/2704.


An Georg Joachim Göschen

[16. November.]

Ich habe das Paquet Bücher sowol, als den Correcturbogen richtig erhalten, nebst den ausgeschnittnen Gedichten. Auf die letzte Seite der ersten Sammlung, statt der zwei ersten Verse des Gedichtes Genuß, setzen Sie nachfolgendes Epigramm:[60]


Süße Sorgen.

Weichet, Sorgen, von mir! – Doch, ach, den sterblichen Menschen

Lässet die Sorge nicht los eh' ihn das Leben verläßt.

Soll es einmal denn sein, so kommt ihr, Sorgen der Liebe!

Treibt die Geschwister hinaus; nehmt und behauptet mein Herz![61]


9/2702.


An Friedrich Constantin von Stein

[Jena, 16. November.]

Hier schicke ich deine Übersetzung corrigirt mit Dank zurück, schreibe sie nun ab, so ist das auch abgethan.

Herr von Knebel grüßt dich, und will sehen, daß er dir einen solchen Hausrath verschaffen kann, wie du ihn brauchst. Ich habe mich recht wohl befunden, auf dem Balle habe ich viel getanzt, bin in Lobda und Drackendorf gewesen, vorgestern bei Grießbach zum Abendessen, gestern im Conzert, und so geht es immer fort. Du siehst, daß Jena zum lustigen Leben inspirirt.

Das Fegefeuer von der andern Seite wird auch immer gräulicher. Sage deiner Mutter, daß ich viel lerne und viel denke. Mit Knebel wird viel geschwätzt, und er muntert mich auf, Manches niederzuschreiben. Was meine Tugend betrifft, so kann ich mich nur italiänisch ausdrücken: Crescono le mie virtù, ma la mia virtù cala.

Es freut mich, daß dir Egmont zum zweiten Male gefällt. Das Stück ist so oft durchgedacht, daß man es auch wohl öfters wird lesen können.

Lebe wohl. Grüße deinen Vater. Ich komme bald wieder.

G.[59]


9/2703.


An Friedrich Constantin von Stein

Jena, den 18. November 1788.

Zur Nachricht dient, mein lieber Fritz, daß ich Freitag Abends noch zum Balle komme. Es geht mir recht wohl, und ich bin sehr fleißig. Von der Muskellehre habe ich lange nicht, was ich wünsche, auffassen können, man schießt eine solche Wissenschaft nicht im Fluge. Indessen ist sie doch einmal in der Ordnung durchgehört, und der Himmel wird weiter helfen. Zugleich habe ich die Münzwissenschaft angefangen näher zu betrachten, ein Feld, das von jenem sehr weit abzuliegen scheint.

Grüße deine Mutter, deinen Vater, und liebe mich. Ich lege dir das Portrait einer Schönen, nach der Natur gezeichnet, bei.

G.[60]


9/2705.


An Heinrich August Ottokar Reichard

Ew. Wohlgeb.

übersende das Exemplar des dritten Bandes der französischen Phisiognomick, für des Prinzen August Durchl.

Herr Leg. Rath Bertuch wird den zweyten Band übersenden, auch die Zahlung so wohl des zweyten als dritten annehmen.

Verzeihen Ew. Wohlgeb. diese abermalige Bemühung und behalten mich mit den werthen Ihrigen in geneigtem Andencken.

Weimar d. 24. Nov. 88.

J. W. v. Goethe.


9/2706.


An Wilhelm Friedrich Hufnagel

Wohlgeborner Hochgeehrtester Herr Professor.

Bey Ew. Wohlgeb. Aufenthalte in Weimar habe ich das Vergnügen entbehren müssen Ihre Bekanntschaft zu machen, welches mir doppelt unangenehm[61] war da ich mich zugleich einer angenehmen und nützlichen Unterhaltung und der Gelegenheit beraubt sah Ew. Wohlgeb. einen jungen Mann zu empfehlender sich gegenwärtig in Erlangen aufhält. Er heißt Vulpius und ich nehme mir die Freyheit einen Brief an denselben, mit einigem Gelde beschwert, hier bey zu schließen.

Ew. Wohlgeb. werden ihn, wenn Sie ihn einer Unterhaltung und Prüfung würdigen leicht selbst beurtheilen. Es hat Fähigkeiten, ist fleißig gewesen, und nur ein Zusammenfluß von Umständen hat verursacht daß er weder in seinem Vaterland noch auswärts bisher hat sein Glück finden können.

Ew. Wohlgeb. mir bekannte menschenfreundliche Gesinnungen flößen mir das Vertrauen ein Ihnen diesen jungen Menschen zu empfehlen. Er ist bescheiden genug um nicht überlästig zu seyn, könnten Sie aber bey Ihren mannigfaltigen Connexionen irgend etwas für ihn würcken, das ihm auf eine Zeitlang oder gar auf sein ganzes künftiges Leben Vortheil brächte; so würden Sie gewiß keinen Undanckbaren verbinden und mich zu angenehmen Gegendiensten dadurch auffordern. Gönnen Sie ihm indessen einigen Zutritt, stehen Sie ihm indessen mit gutem Rath bey und lassen mich von seiner Aufführung einige Nachricht hören. Der ich mit besonderer

Hochachtung unterzeichne

Weimar

Ew. Wohlgeb. ergebenster

d. 26. Nov. 88.

J. W. v. Goethe.[62]


9/2707.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Ew. Excellenz

die versprochene Zeichnung zu überschicken, nehme ich mir hiermit die Freyheit. Es stellt solche eine berühmte Gruppe Bäume vor, welche bey Terracina stand und aus einigen Pinien, Cypressen und einem Palmbaum zusammengesetzt war. Gegenwärtig ist sie nicht mehr so schön.

Erinnern Sich Ew. Excellenz bey Betrachtung dieses ausländischen Gegenstandes desjenigen der nie aufhören wird mit besonderer Verehrung zu seyn

Ew. Excellenz

ganz gehorsamster Diener

Goethe.

Vhß. d. 5. Dez. 88.


9/2708.


An Friedrich Leopold Graf zu Stolberg

Die natürliche Empfindung, mein bester, ist daß ich mich zu dir wünsche, daß ich in diesem Augenblicke des Schreibens überhoben seyn könnte, daß ich dich an mein Herz schließen und dein Leiden theilen könnte. Du hast gewiß, indem du mir die traurige Nachricht schriebst, gefühlt welchen Anteil ich an deinem Verluste nehmen würde. Die Botschaft hat mich in einer guten freudigen Stunde überlassen und mich so[63] verstimmt, daß mein Sinn noch immer auf traurige Gedancken gerichtet ist. Ich kenne das Schicksal der Menschen, es wird selten gefunden was du an ihr hattest, mögen die Kinder die sie dir zurückließ durch ein glückliches und fröhliches Wachstum, dir das Leben und die Liebe der Verlohrnen immer vergegenwärtigen und die Bemühungen deiner Geschwister und Freunde deinen Schmerz lindern.

Ich sage dir heute nichts mehr. Ich bitte dich wieder zu schreiben und mir Nachricht zu geben wo du bist. Liebe mich und laß uns solang wir leben auch in der Entfernung ungetrennt bleiben. Grüße deinen Bruder recht herzlich.

W. d. 5. Dez. 88.

Goethe.[64]


9/2708a.


An Georg Joachim Göschen

Ich habe die Bogen F. G. H. meines achten Bandes vor einiger Zeit in duplo erhalten, die vorhergehenden aber sind nicht angekommen. Haben Sie die Güte sich zu erkundigen wo sie geblieben sind.


Zugleich überschicke ich den Überrest des Manuscripts und ersuche Sie um Nachricht des Empfangs wie auch um Auskunft wegen obenstehenden Puncktes.


[34] Die Abdrücke der Platten erwarte ich auch sehnlichst.

Ich wünsche wohl zu leben.

W. d. 8. Dez. 88.

v. Goethe.[35]


9/2709.


An das Geheime Consilium

Gehorsamstes Promemoria.

Herr Friedrich Schiller, welchem Serenissimus vor einigen Jahren den Titel als Rath ertheilt, der sich seit einiger Zeit theils in der Nachbarschaft aufgehalten, hat sich durch seine Schriften einen Nahmen erworben, besonders neuerdings durch eine Geschichte des Abfalls der Niederlande von der Spanische Regierung Hoffnung gegeben, daß er das historische Fach mit Glück bearbeiten werde. Da er ganz und gar[64] ohne Amt und Bestimmung ist; so gerieth man auf den Gedancken: ob man selbigen nicht in Jena fixiren könne, um durch ihn der Akademie neue Vortheile zu verschaffen.

Er wird von Personen die ihn kennen auch von Seiten des Charackters und der Lebensart vortheilhaft geschildert, sein Betragen ist ernsthaft und gefällig und man kann glauben daß er auf junge Leute guten Einfluß haben werde.

In diesen Rücksichten hat man ihn sondirt und er hat seine Erklärung dahin gegeben: daß er eine auserordentliche Professur auf der Jenaischen Akademie anzunehmen sich wohl entschließen könne, wenn auch selbige vorerst ihm ohne Gehalt konferirt werden sollte. Er würde suchen sich in der Geschichte fest zu setzen und in diesem Fache der Akademie Sachen nützlich zu seyn.

Endesunterzeichneter hat hierauf, da es in Gotha Gelegenheit gab von Akademischen Sachen zu besprechen, sowohl Serenissimo nostro et Gothano als auch Herrn Geh. Rath v. Franckenberg die Eröffnung gethan und der Gedancke ist durchgängig gebilligt worden, besonders da diese Acquisition ohne Aufwand zu machen ist.

Serenissimus noster haben darauf an Endesunterzeichneten befohlen die Sache an dero geheimes Consilium zu bringen, welches er hiermit befolget und zugleich diese Angelegenheit zu gefälliger Beurtheilung und Beschleunigung empfiehlt, damit mehrgedachter Rath Schiller noch vor Ostern seine Anstalten und[65] Einrichtung machen und sich als Magister qualificiren könne.

W. d. 9. Dec. 88.

J. W. v. Goethe.


9/2710.


An Christian Gottlob Voigt

Es ist mir sehr angenehm wenn die Sicilianische Aussicht Ihnen Freude macht. Damit ich keinen Unfrieden unter Eheleute bringe werde ich gelegentlich der Frau Hofräthinn auch ein Bildchen in's Zimmer stiften.

Wegen der Zeugwerke haben Sie die Güte nach Ihrem Vorschlage zu verordnen.

Beyliegenden Brief an Ackermann bitte ich der Depesche nach Ilmenau beyzuschließen.

Moritzens Gegenwart macht mir immer viel Freude.

d. 10. Dez. 88.

Goethe.[66]


9/2710a.


An Georg Joachim Göschen

Von der kleinen Schrift:

Über die bildende Nachahmung des Schönen, von Moritz

wünschte ich sechs Exemplare, sobald als möglich zu erhalten.

Die Aushänge Bogen biß M sind angelangt, haben Sie die Güte von Zeit zu Zeit die übrigen zu senden.

W. d. 15. Dez. 88.

Goethe.


Senden Sie mir doch auch noch zwey Exemplare von Adelungs vollständiger Anweisung zur deutschen Orthographie.[35]


9/2711.


An Johann Gottfried Herder

Ich bin mit dir, theils im Geiste theils durch deine Briefe an deine Frau, immer in Unterhaltung geblieben. Ich danke dir, daß du auch ein Wörtchen aus der Stadt an mich richtest. Ich habe herzlich mit dir gelitten, dagegen freue ich mich jetzt, daß alles gut geht.

[66] Daß meine Römischen Freunde an mich denken, ist sehr billig; auch kann eine leidenschaftliche Erinnerung an jene Zeit nicht aus meinem Herzen tilgen. Mit welcher Rührung ich des Ovids Verse oft wiederhole, kann ich dir nicht sagen:


Cum subit illius tristissima noctis imago,

Quae mihi supremum tempus in urbe fuit.


Ich fühle nur zu sehr, was ich verlohren habe, seit ich mich aus jenem Elemente wieder hieher versetzt sehe; ich suche mir es nicht zu verbergen, aber mich so viel als möglich auch hier wieder einzurichten. Ich fahre in meinen Studien fort, und hoffe dir in manchem entgegen zu arbeiten.

Es ist ganz natürlich, daß du dich gleichsam ausschließlich an die Statuen hältst. Sie sind uns ja allein von den besseren Zeiten der Kunst übrig. Bei Gemälden muß man schon, wie Spinozas Gott zum Irrthume, noch etwas hinzudenken, anstatt daß jene uns mit einem vollkommenen Begriff schon entgegen kommen.

In physiognomischen Entdeckungen, die sich auf die Bildung idealer Charaktere beziehen, bin ich sehr glücklich gewesen. Ich bin noch immer gegen jedermann darüber geheimnißvoll, und werde mich um so mehr beeifern, etwas zu thun, weil ich dich, noch wenn du von Rom kommst, in Verwunderung setzen möchte, das viel unternommen ist.

[67] Tasso ist noch immer nicht fertig. Bald darf ich nicht mehr davon reden, der achte Band ist bald gedruckt; ich schicke das erste Exemplar gleich an Angelika, damit Ihr es bald habet. Moritz ist nun schon 3 Wochen hier und thut uns allen sehr wohl, besonders haben ihn die Frauen sehr in Affection genommen, denen er allerlei Lichter aufsteckt. Es ist ein grundguter Mensch, und sein Aufenthalt hier wird ihm viel nutzen.

Ich freue mich, daß du Hirten auf den Gradwohl willst, um ihn gelegentlich zu rüsseln, welches ihm sehr nötig ist. Es ist würcklich ein guter und brauchbarer Mensch. Er mag den Brief immer an mich richten, wenn es ihm Spaß macht. Gib ihm nur die Erlaubniß dazu.

Wahrscheinlich wird dir dieser Brief nach Neapel folgen; möge er dich recht froh unter dem schönen Himmel finden!

Mit der Herzogin Mutter geht alles recht schön und gut. Wenn der Rückzug dem Eintritt gleich ist, wird es ihr so viel Ehre als Freude machen.

Deine Frau seh' ich von Zeit zu Zeit und öfter, wenn der geistliche Arzt nöthig sein will. Ich habe manche Dose moralischen Cremor tartari gebraucht, um die Schwingungen ihrer Elektraischen Anfälle zu bändigen. Jetzt ist sie sehr vergnügt. Daß Emil so glücklich durch die Blattern gekommen ist, ohne an seiner Gestalt oder seinem Humor etwas zu verlieren,[68] ist gar schön. Wenn ich nur deiner Frau, wie auch der Frau von Stein, die verwünschte Aufmerksamkeit auf Träume wegnehmen könnte. Es ist doch immer das Traumreich wie ein falscher Loostopf, wo unzählige Nieten und höchstens kleine Gewinnstchen unter einander gemischt sind. Man wird selbst zum Traum, zur Niete, wenn man sich ernstlich mit diesen Phantomen beschäftigt.

Lebe wohl und vollende glücklich deinen Lauf! Grüße alles. Gedenke mein!

W. den 27. December 88.

G.


Wir haben tiefen Schnee und große anhaltende Kälte, mitunter entsetzlichen Sturm. Ich habe mich in meinem Stübchen ganz eingepackt, indessen du in der freien schönen Welt herumwandelst. Jeder muß an die Reihe kommen.

Übrigens sei nur ruhig! Die guten Menschen gönnen dir alle die Reise, und wer wollte nach den andern fragen?[69]


9/2711a.


An Georg Joachim Göschen

Es versteht sich von selbst und ich glaube es auch geschrieben zu haben, daß der Band welchen wir gegenwärtig herausgeben der achte ist. Es wird wohl nicht nöthig seyn dem Publiko über dieß Hinderst-zuförderst etwas zu sagen.


[35] Haben Sie die Güte mir die Exemplare welche ich zu erhalten habe, so schnell als möglich zu schicken, allenfalls die brochirten voraus. Schicken Sie mir aber alle Exemplare, ich will die Versendung nach Rom und Franckfurt selbst besorgen.

An Exemplaren wünsche ich zu erhalten wie auf der andern Seite geschrieben ist.

Die Bücher sind angekommen.

Ich erwarte die Abdrücke mit Verlangen.

Leben Sie recht wohl.

W. d. 27. Dez. 88.

Goethe.

Gebundene

Saffian Holländisch Pap.Ex. 3

Engl. Band holl. Pap. – 2

Engl. Band Ord. Pap. – 9

Ex. 14


Brochirte

Sämmtl. ord. Papier28

Ex. 42[36]


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 9.
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»Was mich einigermaßen berechtigt, meine Erlebnisse mitzuteilen, ist der Umstand, daß ich mit vielen interessanten und hervorragenden Zeitgenossen zusammengetroffen und daß meine Anteilnahme an einer Bewegung, die sich allmählich zu historischer Tragweite herausgewachsen hat, mir manchen Einblick in das politische Getriebe unserer Zeit gewährte und daß ich im ganzen also wirklich Mitteilenswertes zu sagen habe.« B.v.S.

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