Der vierte Auftritt.

[106] Porcia. Phönice.


PHÖNICE.

Wo ist denn Cato itzt? dein Vater, Porcia?

PORCIA behutsam.

Phönice, nicht so laut, wir sind ihm gar zu nah!

Er schläft ein wenig; still! wir möchten ihn sonst stören.

Indessen will sich schon die Hoffnung wieder mehren,

Daß uns des Himmels Huld bald Glück und Ruhe schenkt.[106]

PHÖNICE.

Mein schwaches Herz erschrickt, wenn es an ihn gedenkt;

Ich beb und zittre gar, so bald ich ihn erblicke.

Er ist so streng und hart, und weicht dem Ungelücke

So wenig, als ein Gott! Kein Mitleid nimmt ihn ein;

Denn weil er selbst nicht fehlt, so will er nie verzeihn.

PORCIA.

Ganz recht, den Feinden Roms ist Cato streng und wilde:

Doch seinen Freunden bleibt sein Wesen weich und milde.

Da ist er voller Güt und sanfter Zärtlichkeit;

Kurz, der gelindste Mann! Noch hab ich allezeit,

Seitdem das Schicksal mich an diesen Ort geführet,

Das zärtste Vaterherz in seiner Brust gespüret.

PHÖNICE bekümmert.

O gieng' er itzo nur auch Cäsars Vorschlag ein!

So könnt auch ich nebst dir vollkommen glücklich seyn.

Der Parther Thron und Reich ist nun für dich verloren;

Wer weis, was Cäsar uns für Unglück zugeschworen!

Zumal, wenn er zwar siegt, doch dich, als Catons Kind,

Das ihn nicht lieben kann, nicht auch zugleich gewinnt.

PORCIA mit Thränen.

Der Himmel selber weis für unser Glück zu wachen,

Darauf verlaß ich mich!


Sie weinet.[107]


PHÖNICE.

Doch was wird Cato machen?

Wer weis, was er beschließt! Wer weis, was Porcius,

Auf väterlichen Wink, noch unternehmen muß!

Vieleicht gelingt es ihm!

PORCIA.

Ach blieb er nur am Leben!

Das andre wollt ich gern den Göttern übergeben.


Sie weint.


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Herausgegeben von Joachim Birke, Band 2: Sämtliche Dramen, Berlin 1968/1970, S. 106-108.
Lizenz:
Kategorien: