12. Trost-Lied

[284] 1.

Wann es Spieß und Kugel regnet /

schneyet lauter Gifft und Pfeil /

wann ein Blitz dem andern gegnet /

strahlet tausend Donner-Keil:

hat sich der nicht zubesorgen /

der in Gottes Zelt verborgen.

Gottes Gnaden-starker Schutz /

bietet allen Kräfften Trutz.


2.

Wann der Höchste Hülff verheißet:

ob es schon nicht gleich geschicht /

alles sich dazu befleißet;

daß man seine Wunder sicht /

wie er allgemählich leiten

Glück durch Unglück kan bereiten /

offt mit Meer / Berg / Feind umringt /

eh ins gute Land er bringt.


3.

Man pflegt eh den Blitz zusehen /

als den Donner man vernimmt /

ob er wol zuvor geschehen.

Diß mit Gottes Werken stimmt:[285]

eher man sein Werk empfindet /

als man deren Ursach gründet;

da er doch vorlängst bedacht /

was er seltnes jetzt gemacht.


4.

In der Noht / wird man beglücket.

Creutz / ist Freuden-Anlaß-Zeit.

Wann die Sonn dem Mond zuschicket

ihrer Strahlen Lieblichkeit /

wird er gegen uns verdunklet /

weil der Glanz nur aufwerts funklet /

bis er sich zu uns auch wend.

Also Gott das Glück auch lend.


5.

Die so jetzt in Trübsal schweben /

sind nicht ohne Glück' und Lust.

Ihr beglücktes Theil im Leben /

ist bey Gott / uns unbewust:

wann es Gott herfür macht gehen /

wird man es mit Freuden sehen.

Jedes denk ihm / in der Noht:

mein Glück' ist jetzund bey Gott!

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 284-286.
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