454. Wittekinds Flucht

[422] Wittekind wurde, wie noch jetzt ein jeder in der dortigen Gegend weiß, zu Engter von den Franken geschlagen (783), und viele blieben dort auf dem Wittenfeld tot liegen. Flüchtend zog er gegen Ellerbruch; als nun alles mit Weib und Kind an[422] den Furt kam und sich drängte, mochte eine alte Frau nicht weitergehen. Weil sie aber dem Feinde nicht in die Hände fallen sollte, so wurde sie von den Sachsen lebendig in einen Sandhügel bei Bellmanns Kamp begraben; dabei sprachen sie: »Krup under, krup under, de Welt is di gramm1, du kannst den Rappel2 nicht mehr folgen.« Spuk hat mancher hier gesehen, mancher auch nicht; aber über das weiße Feld geht doch niemand gern bei Nacht. Die meisten wissen aus alter Zeit her, daß in lärmendem Zuge die Heere mit blanken Spießen dort ziehen. Als daher vor einigen Jahren Völker wirklich darüberzogen, geriet die ganze Gegend in Schrecken und glaubte fliehen zu müssen.

Fußnoten

1 Im Holsteinischen geht die Sage, daß die Zigeuner die sehr alten, welche sie nicht mehr mit fortschleppen können, lebendig ins Wasser tauchen und ersäufen; dabei sprechen sie: »Duuk ünner, duuk ünner! De Weld is di gramm!« S. Schütze: Holstein. Idiot., I, 267. Daselbst II, 357 wird der oben bemerkte Spruch als ein Sprichwort angeführt; daß es auch am Harz üblich ist, sieht man aus Otmars Volkssagen, S. 44; es heißt: Niemand bekümmert sich mehr um dich, du bist der Welt abgestorben.


2 Lärm.


Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsche Sagen. Zwei Bände in einem Band. München [1965], S. 422-423.
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