30.
An Melanien

[50] Ihr glaubet warlich nicht wie schön' es sey zu sehen

Wen ihr den krummen hals noch dreymall krümmer macht.

Vnd durch den weiten mund so wunderlieblich lacht

Der sonst nichts kan/ den nur frisch ligen vnd gutt schmähen.

Euch dünckt der wisse nicht/ wie ihmb doch sey geschehen:

Der zihe närrisch auff mitt seiner newen tracht

So hab euch jener nicht des grusses wehrt geacht

Dem must ihr seine sprach vnd jedes wort bejähen/

Dem mangelts an der stirn/ vnd jener siht nicht reht

Vnd der ist gar zue schön/ vnd dieser gar zu schlecht/

Der kan den degen nicht recht an die seite binden.

Habt ihr den spiegell auch der dort hing an der wandt

Melanie woll je genommen in die handt?

Ey liebe! schawt hienein/ da ist was gutts zu finden.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 50.
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