27.
Auff das Fest deß Todes Jesu Christi/ oder auff den guten Freytag

[201] O Schmertz! das Leben stirbt! O Wunder! GOTT muß leiden!

Der alles trägt fällt hin/ die Ehre wird veracht[201]

Der alles deckt ist nackt/ der Tröster ist verschmacht

Der Lufft vnd Wälder schuff/ muß Lufft vnd Wälder meiden!

Er hat die Lufft zur Pein/ vnd muß am Holtz abscheyden.

Der Glantz der Herrligkeit/ verschwind't in herber Nacht

Der Segen wird ein Fluch/ die vnerschöpffte Macht/

Hat keine Kräffte mehr! den König aller Heyden.

Erwürg't der Knechte Schaar. Was Boßheit hat verschuld't

Zahlt Vnschuld willig auß/ wie emsig ist Gedult

Vns Gottes grosse Gunst auffs neue vor zu bringen!

O härter als ein Stein/ den nicht die Treu bewegt/

Wenn Sonn vnd Tag verschwartzt/ wenn sich der Erdkreiß regt

Wenn Todten selbst erstehn vnd harte Felß auffspringen!

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 201-202.
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