Vorrede.

[13] Großgünstiger leser.

Indem unser gantzes vaterland sich nunmehr in seine eigene aschen verscharret und in einen schauplatz der eitelkeit verwandelt, bin ich geflissen, dir die vergängligkeit menschlicher sachen in gegenwertigem und etlich folgenden trauerspielen vorzustellen. Nicht zwar, weil ich nicht etwas anders und dir vielleicht angenehmers unter händen habe, sondern weil mir noch dieses mahl etwas anders vorzubringen so wenig geliebet als erlaubet. Die alten gleichwol haben diese art zu schreiben nicht so gar geringe gehalten, sondern als ein bequemes mittel menschliche gemüther von allerhand unartigen und schädlichen neigungen zu säubern, gerühmet; wie zu erweisen unschwer fallen solte,wenn nicht andere vor mir solches weitläufftig dargethan und ich nicht eckel trüge, dieses zu entdecken, was niemand verborgen. Viel weniger bin ich gesonnen mit prächtigen und umschweiffenden vorreden dieses zu rühmen, was fremden urtheilen nuhmmehr untergeben wird. Böse bücher werden durch kein lob gebessert, und angeborne schönheit bedarff keiner schmincke. Gleichwol muss ich nur erinnern dass, wie unser Leo ein griechischer kaiser, also auch viel seinem leser auffweisen wird, was bey regierenden fürsten theils nicht gelobet, theils nicht gestattet wird. Den gantzen verlauff seines untergangs erklären umständlich Cedrenus und Zonaras, welche nicht nur von seinem tode schier mit einer feder schreiben, sondern auch so eigendlich alles entwerffen, dass nicht vonnöthen gewesen, viel andere erfindungen einzumischen.[14]

Was man in selbigen örtern auf träume, gesichter, fremde bilder und derogleichen gehalten, weisen alle diese völcker geschichten aus; ja mir selbst ist noch vor wenig jahren ein ziemlich buch voll fremder gemälde zukommen, aus welchem etliche, denen das gehirne mit erforschung zukünfftiger dinge schwanger, nicht wenig (ihrer einbildung nach) von wieder eröberung der vorhin herrlichen, nunmehr (leider!) dienenden stadt, dem untergang des türcken, einigkeit der Christen in glaubenssachen und allgemeinen bekehrung der jüden gelernet. Darff derowegen niemand für gantz eitel halten, was gedachte Zonaras und Cedrenus und wir aus ihnen von etwa dergleichen buch erwehnen. Auch ist so unerhört nicht, dass man durch vorwendung geheimer offenbahrungen auffruhr und krieg stiffte, königgreich und zepter an sich reiße, ja gantze länder mit blut als einen neuen sündfluth überschwemme. Nicht nur Europa, gantz Asien und Africa werden für ein beyspiel dieser warheit wol hundert geben, und in der neuen welt ist diese pest so wenig als bey uns neue, unter dem schein des gottesdienstes (wie Michael und seine bundgenossen) ungeheure mord und bubenstück ins werk zu richten. Dass der sterbende kayser bey vor augen schwebender todes-gefahr ein creutz ergriffen, ist unlaugbar; dass es aber eben dasselbe gewesen, an welchem unser erlöser sich geopffert, saget der geschichtschreiber nicht, ja vielmehr wenn man seine wort ansiehet, das widerspiel. Gleichwol aber, weil damahls die übrigen stücker des großen söhn-altares, oder (wie die griechen reden) die heiligen höltzer zu Constantinopel verwahret worden, haben wir der dichtkunst, an selbige sich zu machen, nachgegeben, die sonsten auf diesem schauplatz ihr wenig freyheit nehmen dürffen. Diejenigen, welche in diese ketzerey gerathen, als könte kein trauerspiel sonder liebe und bulerey vollkommen seyn, werden hierbey erinnert, dass wir diese den alten unbekandte meynung noch nicht zu glauben gesonnen und desselben werke schlechten ruhms würdig achten, welcher[15] unlängst einen heiligen märterer zu dem kampff geführet und demselben wider den grund der wahrheit eine ehefrau zugeordnet, welche schier mehr mit ihrem bulen, als der gefangene mit dem richter zu thun findet und durch mitwürckung ihres vatern eher braut als wittbe wird. Doch um dass wir der selben gunst nicht gantz verlieren, versichern wir sie hiermit, dass aufs eheste unser Chach Abas in der bewehrten beständigkeit der Catharine von Georgien reichlich einbringen sol, was dem Leo nicht anstehen können, welcher, da er nicht von dem Sophocles oder dem Seneca auffgesetzet, doch unser ist. Ein ander mag von der ausländer erfindungen den nahmen wegreißen und den seinen darvor setzen, wir schließen mit denen worten, die jener weitberühmte und lobwürdigste welsche poet über seinen vördergiebel geschrieben:


Das haus ist zwar nicht groß, doch kenn't es mich allein;

Es kostet fremde nichts, es ist nur rein und mein.

Quelle:
Andreas Gryphius: Werke in drei Bänden mit Ergänzungsband. Band 2, Darmstadt 1961, S. 13-16.
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