91. Die stummen Frösche zu Schwante.142

[96] In dem Dorf Schwante, eine halbe Meile von Kremmen und eine Meile von Oranienburg, sind zwar um den Rittersitz der Herren von Redern und[96] einen ziemlichen District herum genug Frösche vorhanden, aber keiner läßt seine Stimme hören. Wenn auch schon einer sich etwas verlauten läßt, so kriegt er doch keine Beistimmung. Die Ursache davon wird folgendermaßen erzählt, wie Herr Joh. Grüwel in seiner Kremmischen Schaubühne umständlich aufgesetzt. Es wäre einer von Redern in dem Frühling mit einer Krankheit befallen worden, dabei er viel Unruhe empfunden, die sich aber durch das vielfältige Geschrei der Frösche dermaßen vermehrt, daß er gar keinen Schlaf mehr gehabt, den auch keine Arznei wiederbringen können, und hätte man daher an seiner Genesung zu zweifeln angefangen, die Frau des Hauses auch deshalb allezeit nasse und weinende Augen gehabt. Dieses wäre ein armer Mann gewahr worden, der sich an der Thür befunden, ein Almosen zu erbitten, erkundigte sich also derselbe, was die Ursache des Weinens ihrer Frauen wäre? Wie man ihm berichtet, daß der Junker krank wäre, und vor dem Geschrei der Frösche nicht ruhen, solchergestalt auch nicht lange leben könnte, spricht dieser: O, wenn eurem Herrn damit kann geholfen werden, so sollen die Frösche bald stille schweigen. Dieses Erbieten wird erstlich der Frauen, hernach dem Herrn selbst vorgebracht, die sich darauf herausgelassen, daß sie dem armen Mann ein Sack voll Roggen wollten geben und an den Ort seiner Wohnung lassen bringen, wenn er sein Versprechen würde ins Werk richten. Hierauf begiebt sich derselbe von dem Adeligen Hofe, umgehet denselben im Zirkel, soweit als ihm gedenkt, daß der Frösche Stimmen könnten verdrießlich sein, gebraucht darunter seine Wissenschaft und bringet damit zu Wege, daß der Frösche Geplärre aufhört. Und in diesem Stande ist es hernach mit den Fröschen noch bis auf diesen Tag geblieben, also daß sie zwar in dem Wasser und Morast bei dem Adeligen Sitz in der Menge gefunden werden, kein solch Geschrei aber, als außer dem Zirkel verführen. Und so ja einer gehört wird, so geschieht es doch nur selten und zudem ohne Zusammenstimmung der andern. Es will zwar dabei berichtet werden, daß dieses Stillschweigen nur auf 100 Jahre währen solle, wie von dem Bettler versprochen sey, solches läßt man aber dahin stehen und ist hiermit zu vergleichen, was Suetonius vom Kaiser Augustus c. 94 erzählet, daß, sobald als derselbe angefangen zu reden, in der Gegend, wo er geboren, die Frösche verstummet. Von dem Korinischen Amtssee aber wird ebenfalls gesagt, daß es eine gewisse Art Frösche gebe, welche stumm sein, wie dergleichen in England gefunden werden, und liest man beim Plinius (XI. 50. VIII. 59 u. 58), daß in Macedonien bei Acanthus und auf der Insel Ruphus die Frösche ebenfalls stumm gewesen. Kann also wohl sein, daß auch die Frösche zu Schwante und an andern Orten, wo man auch nicht mag beobachtet haben, eine Art solcher stummen Frösche sein; auf welchen Fall das Verstummen, weder von dem Wasser noch von dem Erdboden oder andern Umständen des Orts, auch nicht von dem Bettler herrühren würde, und würde man Solches gar leicht haben entdecken können, wenn von dieser Art einige an einen andern Ort und fremde Frösche, die des Schreiens gewöhnt sein, in dieses Wasser hinein wären gebracht worden. Vor einigen Jahren ist dieser Graben bei Aufbauung eines neuen adligen Hauses zugeworfen und diese Merkwürdigkeit aufgehoben worden.

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Nach Beckmann, Th. III. S. 588 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 96-97.
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