197. Wittenberge.260

[180] Die kleine Stadt Wittenberge in der Priegnitz, im Alterthum Weißenburg geheißen, erbaute Karl der Große. In der Nähe derselben, an der Elbe, liegen die Ruinen der vormaligen weit größern Stadt, von der noch gewölbte Gänge, Gruben und Wälle zu sehen sind, sowie auf einem Hügel dabei die Ueberbleibsel eines befestigten Schlosses.

Zur Zeit als die slavischen Schmaldinger mit den benachbarten Ligondern sich bekämpften, lebte in Wittenberge ein vornehmes Fräulein, welches mit einem mächtigen Fürsten verlobt war. Dieser zog in die Fremde, nachdem er vorher das Versprechen gegeben, nach seiner Zurückkunft, die in Kurzem erfolgen werde, die Hochzeitsfeier mit seiner Geliebten zu vollziehen. Da erhielt er die Kunde, daß das Fräulein ihm die Treue gebrochen und ihre Hand einem Andern gegeben habe. Wüthend eilte der betrogene Bräutigam zur Heimath und racheentflammt griff er mit seinem Heere die verschanzte Stadt an und nahm und zerstörte sie sammt dem Bergschlosse bis auf den Grund. Die unglücklichen Bewohner aber kehrten nach eingetretener Ruhe zurück, bauten jedoch die verheerte Stadt nicht wieder auf, sondern legten eine neue in einiger Entfernung davon an, welche den Namen Wittenberge erhielt und von der Stepnitz bewässert wird.

Um die Gegend der verheerten Stadt ist es aber noch jetzt nicht ruhig, schreckende Geister und Nachtgestalten zeigen sich oft dem Volk. In einem Hause auf einer Kuppe aber läßt sich außerdem der Geist eines verstorbenen Fährmanns sehen und hören, den man dort allgemein den alten Hildebrand nennt.

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S. Edm. v. Felsthal a.a.O. S. 289.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 180.
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