238. Die Glocke und der wunderbare Ring in der Familie v. Alvensleben.302

[209] Bei der Stadt Calbe liegt das sogenannte Feste Haus und Schloß, welches, da es auf ziemlichem Umkreis ganz im Moraste liegt, früher den Zugang zu der Stadt vertheidigte; es ist von Albrecht II. von Alvensleben mit Wällen und Graben umgeben worden und stets im Besitz dieser Familie gewesen. Früher ist in diesem Schlosse eine Glocke gewesen, welche, wenn Jemand aus dem Geschlechte derer von Alvensleben mit Tode abgehen sollte, wenn es auch in fernem Land geschehen, von selbst angeschlagen und einen Klang hat hören lassen.

Eine sonderbare dieses Haus und Schloß angehende Merkwürdigkeit ist aber die Begebenheit mit einem gewissen Ringe, der heute noch in dieser Familie verwahrt und welche zuerst von dem unten genannten Hamelmann erzählt wird. Es ist nämlich vor langen Jahren eines damals lebenden Herrn von Alvensleben Ehefrau bei nachtschlafender Zeit, als schon das Haus verschlossen war, von einer Magd, so eine Laterne in der Hand getragen, aufgeweckt und mit vielen guten Worten gebeten worden, sie solle doch einer Frau in Kindesnöthen zu Hilfe kommen, ist auch endlich dazu bewogen, jedoch zuvor vermahnt worden, daß, wenn sie in das Haus käme, sie weder Essen noch Trinken, noch auch dasjenige, was man ihr anbieten würde, annehmen solle. Als sie nun der Kindesnötherin Hilfe erzeigt, ist sie unbeleidigt wiederum in ihr Haus zurückgeführt worden. Wohl aber hat nach der Geburt des Weibes der Mann desselben gedachter Frau von Alvensleben eine Schüssel mit gemünztem Golde dargereicht, welches sie aber auf den Rath der kreisenden Frau nicht annahm, als welche sie gewarnt, daß, wofern sie sich durch den Geiz blenden lassen würde, ihr Mann durch Gottes Verhängniß Schaden erleiden werde. Mann, Frau und Magd sind aber gar kleine Leutlein gewesen. Ueber eine Zeit ist dieselbe Magd um Mitternacht wieder zu ihr gekommen und hat zwei Schüsseln über einander gestülpt getragen, anbei der Frau von Alvensleben von ihrem Herrn viel Gutes gewünscht, hinzufügend, ihr Herr verehre ihr hiermit ein Kleinod, nämlich einen köstlichen güldenen Ring zur Danksagung für erzeigten Dienst, den solle sie wohl bewahren, denn so lange derselbige Ring ganz und unzertheilt auf dem Hause Calbe und bei dem Geschlechte derer von Alvensleben bleiben würde, solle es blühen und Glück und Wohlfahrt haben; würde aber der Ring von Händen kommen oder zertheilt werden, so werde es auch demselben Geschlecht unglücklich und nicht wohl ergehen, und damit ist die Magd verschwunden. Als nun hernach zwei Brüder mit einander die Erbtheilung vorgenommen, hätte dieser Ring auch müssen getheilt werden, aber diejenige Linie und Stamm, so die Theilung am heftigsten begehrt, wäre aus- und abgegangen, der andere Theil vom Ringe aber werde heutigen Tages noch auf dem Hause Calbe in der Kapelle verwahrt.

Von dieser Sage ist nun aber nur das in Wahrheit begründet, daß überhaupt ein Ring vorhanden ist; es ist dies ein einfacher, nicht sehr starker goldener Ring in Form eines Trauringes, aber ohne eingesetzten Diamanten, der nach Einigen darin gewesen sein soll. Die Geschichte aber kann vor[210] dem Jahre 1324 nicht passirt sein, denn in diesem hat Albrecht II. von Alvensleben erst das Haus Calbe getheilt, und zwar mit der Gemahlin desselben oder seines Sohnes Gebhards des Erbmarschalls oder Ludolfs des Hauptmanns in der Altmark Gattin, auch vor der Zeit, ehe dieses Ludolfs Söhne sich getheilt. Denn von der Zeit an sind die Alvensleben'schen Verträge fleißig aufbewahrt worden und in keinem steht etwas von einer solchen Theilung mit dem Ringe. Der Ring ist auch niemals getheilt worden und ist auch gar nicht möglich ihn zu theilen. Es findet sich auch nicht, daß eine Linie, so auf die Theilung gedrungen, untergegangen wäre, denn so lange der Ring bei der Alvensleben'schen Familie gewesen und man von der Theilung geredet, ist keine Theilung zwischen zwei Brüdern vorgegangen. Es haben nämlich drei Söhne Albrechts II. getheilt, Gebhards Söhne haben nie getheilt, wohl aber die drei Söhne Ludolfs, alle späteren Theilungen gehören aber nicht hierher, denn da existirte schon die Sage bei Hamelmann, der im Jahre 1599 seine Chronik publicirte.

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Nach Hamelmann, Oldenburg. Chronik Bd. I. S. 21. Beckmann Th. V. Bd. I. Cap. IX. S. 54 etc. Lor. Peckenstein, Castrum Alvenslebianum Bd. I. b. und Bd. II. a. Temme S. 67 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 209-211.
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