320. Der heil. Mauritius zu Magdeburg.389

[265] Zur Zeit der Regierung des römischen Kaisers Maximian befand sich bei dessen Armee die sogenannte Thebanische Legion, aus 6666 Soldaten bestehend. Sie war zum größten Theile in Oberägypten ausgehoben, dem sogenannten Thebais, und ward von einem tapfern Kriegsmann Namens Mauritius befehligt. Derselbe hatte sich im Jahre 286, als er mit seinen Leuten in Palästina im Winterquartiere stand, von dem dortigen christlichen Bischof taufen lassen und in Folge davon zeichnete sich seine Schaar vor allen übrigen Truppen des kaiserlichen Heeres durch strenge Sittlichkeit und musterhafte Ordnung und bewundernswürdige Tapferkeit aus, so daß sie sich den Namen der Legio fulminatrix gewann, d.h. der Blitzlegion, weil sie wie ein Blitz sich auf die Feinde warf und durch ihre ungestümen Angriffe gewöhnlich sehr schnell den Sieg errang. Nun zog der Kaiser im Jahre 286 aus, um die Bagauden, eine ohngefähr in der Umgegend der Stadt Lyon wohnende Völkerschaft, zu bekämpfen und Mauritius erhielt den Befehl, den Zug mitzumachen. Der Kaiser machte im heutigen Canton Wallis zu Octodunum (Martinach oder Martigny) Halt und beschloß, den heidnischen Göttern ein großes Opfer zu bringen, um ihre Hilfe für den vorgenommenen Feldzug zu gewinnen. Mauritius weigerte sich hartnäckig, an diesem offenbaren Götzendienste Theil zu nehmen und zog sich an einen 3 Meilen vom römischen Lager entfernt liegenden Ort, Namens Agaunum, zurück (das heutige St. Maurice in Niederwallis). Der Kaiser rief natürlich die Legion sogleich zurück und befahl derselben, sich dem für das ganze Heer geltenden Befehle zu fügen und als dieselbe sich weigerte, den fremden Göttern zu opfern und als Grund den von ihr angenommenen christlichen Glauben vorschützte, befahl er, je den zehnten Mann derselben hinzurichten, und als sie sich dennoch weigerte, ließ er sie sammt ihrem Obersten Mauritius niederhauen und die Leichname der Märtyrer in die Rhone werfen. Einige an diesem Flusse gelegenen Städte fingen einzelne Körpertheile derselben auf und so kam es, daß die Stadt Vienne in Frankreich sich rühmt, den Kopf des Heiligen zu besitzen. Kurz nach dieser Christenverfolgung erbaute man an jenem Orte eine Kirche und späterhin gründete Sigismund, der König von Burgund, ebendaselbst das berühmte Kloster zum heil. Moritz oder St. Maurice. Bei einem Kriegszuge des Kaisers Otto I. oder des Großen nach Italien hatten aber dessen Soldaten das Kloster ausgeplündert und zerstört, was den frommen Kaiser so beunruhigte, daß er, um dieses Vergehen wieder zu sühnen, nach seiner Rückkehr bei der Begründung (968) des Erzstiftes Magdeburg die neuaufgebaute Kathedrale dem heil. Mauritius weihte. Der Papst Johann schenkte ihm in Folge dessen diejenigen Reliquien dieses Schutzheiligen, welche so lange der Stolz dieser Kirche gewesen sind, namentlich seine Fahne, die man zur Zeit der alten Erzbischöfe für einen Talisman oder ein Palladium hielt und in der Schlacht dem Heere vortrug. Dieser Mauritius befindet sich noch jetzt links am Eingange des Doms in ganzer Figur stehend abgebildet.

389

Nach Relßieg Bd. II. S. 163 etc. mit Abbildung.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 265-266.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band