322. Der glückliche Schatzgräber in Schönebeck.391

[269] Die drei Städte Schönebeck, Großsalze und Frohse sind nicht blos durch das in ihrer Nähe befindliche große Salzwerk, sondern auch durch die günstige Lage der Elbe schon frühzeitig so recht eigentlich zu lebendigen Verkehrsstätten von der Vorsehung bestimmt gewesen und so ist es gekommen, daß in denselben viele Familien sich durch Wohlstand auszeichneten. Einer der Reichsten war der Holz- und Getreidehändler Lorenz Sauer zu Schönebeck in der Mitte des 16. Jahrhunderts, der eins der schönsten Häuser am Markte daselbst besaß und von dem die Leute sagten, daß er sein Geld statt es zu zählen nur mit Scheffeln oder nach dem Klafterstabe zu messen pflege. Er führte auch einen seinem Vermögen angemessenen Haushalt und kein Fürst brauchte sich seiner Einrichtung im Haus und Garten zu schämen. Dieser Mann besaß einen einzigen Sohn, den er ebenfalls zum Kaufmann erzog und alle großen Handelsstädte besuchen ließ, um sich für dieses sein einstiges Ziel gehörig auszubilden. Allein der junge Mann hatte auf seinen Reisen auch schlechte Gesellschaft kennen gelernt, und als sein Vater gestorben war, da wußte Jeder, daß er mit dem Vermögen desselben bald fertig werden würde. So geschah es auch, seine maßlose Verschwendung, falsche Freunde und Schmeichler halfen ihm fleißig aufräumen und bald war von dem großen Vermögen seines Vaters auch nicht eine Scholle Erde mehr sein eigen. Aus Scham über sein verlorenes Glück beschloß er, seine Vaterstadt, an welche ihn nichts mehr band, zu verlassen; er wanderte zerrissenen Herzens nach Großsalze, wo ihn ein ehemaliger Diener seines Vaters, der dort kärglich sein Brod verdiente, aus Mitleid in sein Haus aufnahm und er sich genöthigt sah, selbst mit seiner Hände Arbeit sich seinen täglichen Unterhalt zu[269] suchen. Dort machte er auch die Bekanntschaft eines jungen Mädchens, die ihm aber auch nichts als ihre Hand bieten konnte, und er sann nun auf Mittel und Wege, wieder zu etwas Geld zu kommen, um sich einen Hausstand zu gründen. Da fiel ihm ein, daß er unter den Papieren seines Vaters noch einige Schuldscheine von frühern Geschäftsfreunden seines Vaters habe und er beschloß, sich auf den Weg zu machen und so viel wie möglich von jenen Resten einzutreiben. So wanderte er denn manchen schönen Tag, allein wo er auch anpochte, nirgends fand er günstige Aufnahme, im Gegentheil man wies ihn überall unfreundlich ab und Keiner wollte von solchen alten Schulden mehr etwas wissen. So kam er auch eines Abends in ein rings von hohen Bergen und Wald umschlossenes einsames Thal, vor Müdigkeit sank er ins Gras und schlief, ohne es zu wollen, vor Erschöpfung ein. Im Traume erschien ihm ein Greis, der ihn aufforderte, nach Schönebeck zurückzugehen und dort in der Johannisnacht in dem Garten eines Hauses, welches er ihm näher bezeichnete, nach einem Steine mit der Jahreszahl 1291 zu suchen, unter demselben liege eine große Summe durch ein schweres Verbrechen erworbenen Geldes vergraben, dies möge er heben und dadurch auch seine Erlösung herbeiführen. Beim Erwachen erinnerte er sich, daß etwas in dem Traume auf Wahrheit begründet sei, nämlich das Vorhandensein des Steins mit der genannten Jahreszahl; derselbe befand sich in dem Garten seines väterlichen Hauses, er hatte die Jahreszahl oft selbst gesehen, sich aber nichts dabei gedacht. Er beschloß also, sofort in jene Stadt zurückzukehren und wenn irgend möglich sich in den Besitz des ihm im Traume verheißenen Schatzes zu setzen. Um dies aber ausführen zu können, mußte er sich wieder in jenes Haus Eingang zu verschaffen suchen und dies konnte er nur auf eine Weise: er mußte bei dem jetzigen Besitzer desselben als Gehilfe in seinem Handelsgeschäfte in Dienst zu kommen versuchen. So schwer es ihm auch ward, er ging zu demselben und sprach ihn um eine bei demselben gerade offen gewordene geringe Ladendienerstelle an und siehe, es gelang ihm auch, dieselbe zu erhalten. Er erhielt ein kleines Stübchen in dem Hause, das er einst sein eigen genannt hatte, angewiesen und so verging fast ein ganzes Jahr. Siehe, da nahete der Johannistag heran, glücklicher Weise war sein neuer Prinzipal mit seiner ganzen Familie verreist, so war er ganz allein im Hause und konnte von Niemand an seinem Unternehmen gehindert werden. Mochte es nun sein, daß sein ganzer Geist mit diesen Schatzgräberideen angefüllt war, oder war es wirklich höhere Bestimmung, genug er träumte in der unmittelbar dem Johannistag vorangehenden Nacht, sein Vater erscheine ihm in ein weißes Gewand gehüllt, zeige mit der Hand auf den Boden und sei dann wieder verschwunden. Er erwachte in Schweiß gebadet gerade, als die Thurmuhr Zwölf schlug, allein er hielt dies auch für einen Befehl aus höherer Hand, sprang aus dem Bette, ergriff einen Spaten und eilte damit nach jener Stelle, wo der bewußte Stein, wie er sich früher schon überzeugt hatte, noch an seiner Stelle lag. Beim Lichte des Mondes fing er an eifrig zu graben, stieß bald auf etwas Hartes und siehe, schnell förderte er ein eisernes Kästchen zu Tage, welches nur einfach zugeklappt war. Schnell eilte er damit auf sein Zimmer, machte Licht und öffnete es. Gleich oben auf lag ein Papier, das mit der Hand seines Vaters an ihn überschrieben war. Derselbe schrieb darin, daß er, weil ihm eine innere[270] Stimme gesagt, daß er, sein Sohn, das ihm hinterlassene Vermögen bald leichtsinnig verschleudern werde, hier unter diesem Steine für ihn eine Partie wichtige, geldwerthe Papiere vergraben habe, um ihm, wenn er einst in Noth komme, wieder aufzuhelfen. Dabei war auch gesagt, daß er unter den Dielen eines näher angegebenen Zimmers im Hause selbst noch eine ansehnliche Summe Geldes in Goldstücken finden werde. Da nun dieses Zimmer zufällig dasselbe war, welches er bewohnte, so befand sich der junge Mann sehr schnell wieder im Besitz des vergrabenen väterlichen Eigenthums. Diesmal aber wandte er dasselbe besser an, er verheirathete sich mit seiner Geliebten, gelangte wieder in den Besitz seines väterlichen Hauses, da dessen bisheriger Besitzer mittlerweile gestorben war, und gründete wieder eine geachtete Kaufmannsfamilie, die erst nach der Zerstörung Magdeburgs durch die Schweden wieder verscholl.

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Nach Relßieg Bd. I. S. 312 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 269-271.
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