418. Die sieben Merkwürdigkeiten der Stadt Nordhausen.505

[358] In ältern Büchern findet man die Sehenswürdigkeiten der Stadt Nordhausen in folgenden zwei lateinischen Versen aufgezählt:


Curia, Rolandus, Saxum, Balista, Canalis,

Fons, Aves sunt Nordhusae miracula septem.


(Rathhaus, Rolandssäule, der Stein, das Geschütz und die Künste, Quell und Vogel, das sind Nordhausens sieben Mirakel.)


Das Rathhaus ward im Jahre 1609 aus Quadersteinen erbaut, an seiner südlichen Seite steht unter einem kupfernen Dach der Roland, auf dem Haupte eine Krone, in der Hand ein blankes Schwert. In alter Zeit sagte man zu den jungen Bauernburschen, wenn sie zur Stadt kamen, sie sollten einen Knittel quer in den Mund nehmen, vor den Roland hintreten und fragen: »Roland, was machst Du?« Dann antwortete er: »Nichts!« Der Stein ist ein am Töpferthore befindlicher, früher vergoldet gewesener Sandstein mit der Umschrift um das Stadtwappen: »Anno domini CCCCX. Theodosius 2us nobilissimus hispanus romanorum imperator Anno imperii sui quarto hanc urbem fundavit libertatibus armisque imperialibus ditavit. hilf got maria berat.« Das jedoch erst nach der Mitte des 14. Jahrhunderts angenommene Stadtwappen beweist am Besten, daß der Stein nicht schon 410 nach Chr. Geb. gesetzt sein kann. Das Geschütz, die sogenannte Feldschlange, ist ein alter Feldmörser gewesen, auf dem folgende Worte standen: »Lindwurm bin ich genannt, der Stadt Nordhausen bin ich wohl bekannt. (1519.) Andreas Pegnitzer goß mich.« Unter dem Kanal oder der Wasserkunst ist die von Hans Lagner 1546 erbaute und von Peter Günther[358] 1598 verbesserte Oberkunst im Altendorfe und die Unterkunst des letztgenannten Mechanikers unter der Weide gemeint, die Quelle ist der berühmte Spring beim Kloster Elisabeth, der Vogel aber, ein Adler, bezieht sich darauf, daß früher zwei Räthe in Nordhausen waren, der eine in der Ober-, der andere in der Unterstadt. Beide bestanden aus Nordhäuser Patriciern, allein der der Oberstadt war der mächtigere, und da der der Unterstadt nicht mehr im Stande war, die Mauern der Unterstadt zu erhalten und die Bürger derselben in ihren Fehden mit dem Grafen von Hohnstein 1364 und dem Herzoge von Braunschweig jeden Augenblick einem Ueberfall ausgesetzt waren, so sahen sie sich genöthigt, ihre Gerechtsame an den Rath der Oberstadt abzutreten, der aber dafür versprechen mußte, ihre Stadtmauern wieder aufzubauen. Zum Andenken hieran ward auf dem Platze, wo Neustadt, Rautenstraße und Rumbach zusammenstoßen, eine hohe Säule, auf der sich ein kupferner vergoldeter Adler, der nach der Oberstadt zugekehrt war und einen goldenen Ring im Schnabel hielt, errichtet.

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S. Thüringen a.a.O. S. 120 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 358-359.
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