435. Die Gründung des Jungfrauenklosters zu Weißenfels.524

[372] Die Stifter des Klosters zu Weißensfels waren Markgraf Dietrich (von Landsberg) und seine Gemahlin Helena. Gott schenkte ihnen ein kleines Töchterlein, Sophia genannt. Als noch kleines Kind ward sie bereits verlobt mit einem Herzoge, der aber kurz darauf starb; dann ward sie einem König bestimmt, allein auch dieser ward in der Schlacht erschlagen, ehe sie noch zwölf Jahre alt geworden war. Bei der Kunde von dem Tode desselben fiel Sophia auf ihre Kniee und dankte Gott, daß er sie aus den Banden der Ehe erlöst hatte. Sie erwählte von Stund an Gott zu ihrem Bräutigam und gelobte, diesen nimmer zu lassen um alle Königreiche der Welt. Sie hatte um dieses Gelöbnisses halber viel Ungemach und Anfeindung zu erdulden, sann auch Tag und Nacht darüber nach, wie sie ganz Gott sich weihen könne, ohne daß weltlich gesinnte Menschen sie daran hindern konnten. Da ereignete sich auf der Burg zu Weißenfels, wo die Vornehmsten ihres Hofstaates sich befanden, folgende merkwürdige Begebenheit. Sophiens Beichtvater, ein Barfüßermönch, befand sich in seinem Arbeitszimmer; als diesen sein Mitbruder verließ, mit dem er sich besprochen hatte, kam eine schöne Jungfrau, mit einer Krone auf dem Haupte und schneeweißen Kleidern angethan, des Weges daher gegangen, die sprach: »Gott grüße Euch, Herr, ich begehre, daß Ihr wollt Botschaft geben meiner Frau (der Markgräfin Helena), daß sie mich an den Hof nimmt; ich will ihr dienen wie jede andere Jungfrau.« Da sprach jener: »Ich will es gerne thun, doch wäret Ihr vor vierzehn Tagen gekommen, ehe der Hof besetzt ward, so weiß ich gewiß, mein Herr (Dietrich) und meine Frau (Helena) würden erfreut über Euer Anerbieten gewesen sein. Doch will ich gern Euer Anerbieten ausrichten.« Und er fragte sie, woher sie käme in diesem großen Kriege (die Fehde, welche Dietrich zu Gunsten seiner Neffen Friedrich und Diezmann 1275 gegen seinen Bruder Albrecht führte). Sie antwortete: »Ich bin hierher gekommen und will auch schon wieder hinwegkommen.« Als er sie gesegnet hatte, verließ sie das Gemach. Gleich darauf trat der Freund des Beichtigers wieder herein. Auf die Frage, ob ihm Jemand begegnet sei, antwortete derselbe: »Nein.« »Es ist«, sagte hierauf der Beichtiger, »eine Jungfrau bei mir gewesen, die hat mich gebeten, ich möchte ihr Fürsprecher sein bei der Markgräfin Helena.« Da sagte der Klosterbruder abermals, es sei ihm Niemand begegnet. Der Beichtiger aber richtete sofort seinen Auftrag an die Fürstin aus, beschrieb derselben die Gestalt und das Ansehen der Jungfrau und theilte ihr die Rede derselben mit. Als die Markgräfin dies vernommen, versetzte sie: »Hättet Ihr sie doch zu mir gebracht, ich hätte sie selbst gern gesehn und ihre Rede gehört.« In der dritten Nacht kam die Jungfrau wieder zum Beichtiger und fragte ihn, ob er ihren Auftrag ausgerichtet. Er antwortete: »Ich habe[372] gethan, wie Ihr befohlen; die Fürstin hat mir geantwortet: wollte Gott, sie wäre gekommen, ehe der Hof besetzt gewesen, ich würde sie gern bei mir gehabt haben.« Da entgegnete die Jungfrau: »Warum fragt Ihr nicht, wer ich bin?« Hierauf fragte der Beichtiger: »Wer seid Ihr, liebe Jungfrau?« »Ich bin«, antwortete sie, »die Jungfrau St. Klara, und daß ich Euch gebeten habe, Ihr solltet mir zu Hofe verhelfen, damit habe ich gemeint: sie sollen mir, Gott zu Lob und Preis, ein Kloster bauen lassen, der allmächtige Gott wird selbst ihr Helfer sein.«

Zu der Zeit, als diese Erscheinung stattfand, war die Jungfrau Sophia fünf Jahre alt. Sie trat oft und viel zu ihrer Mutter und bat sie, sie möge doch ihren Vater bitten, ihr zu helfen, Gott zu dienen ohne Hinderniß von der Welt, sonst müßte sie vor großem Leide sterben. Die Mutter mahnte sie von ihrem Vorhaben ab und stellte ihr ernstlich vor, daß ihr Vater nimmermehr in ihr Begehren willigen werde. Darauf wendete sich Sophia mit ihren Bitten an ihren Vater selbst, ward aber von dem strengen Manne mit Recht zurückgewiesen, und als sie dennoch mit Bitten fortfuhr, hart angelassen und sogar körperlich gemißhandelt. Bald darauf zog der Markgraf Dietrich in den Krieg. Da erschien die heil. Klara der Markgräfin selbst und forderte sie auf, ihrer Tochter Begehren bei dem Markgrafen zu unterstützen. Als nun Markgraf Dietrich aus dem Kriege wieder heimgekehrt war, kündigte er seiner Tochter an, daß er sie verheirathen und köstlich ausstatten werde. Diese entgegnete fest, daß sie lieber betteln als in dieses Begehren willigen werde. Ueber diese Halsstarrigkeit erzürnt, mißhandelte der Markgraf seine Tochter von Neuem und ließ sie ins Gefängniß werfen. Nichts vermochte seinen Zorn zu besänftigen. Bald darauf zog er in einen neuen Krieg (1280 gegen den Erzbischof Bernhard von Magdeburg), welcher aber für ihn unglücklich war, denn er ward in demselben tödtlich verwundet, gefangen und in einen festen Thurm gefesselt zur Verwahrung gebracht. Als man ihn nun in seiner Todesnoth so quälte, bot er ein großes Lösegeld. Man wollte ihm aber weder für Gold noch Silber seine Freiheit wieder geben. Da sann er hin und her, durch welches Mittel er seine Freiheit wieder erlangen möchte; endlich sagte er zu seinen Mitgefangenen: »Ihr Herren wißt wohl, wie sehr mich meine Tochter gebeten hat, ich solle ihr ein Kloster bauen lassen; wie dünkt Euch, ob ich ihr folge und Gott mich deshalb erlöse aus dem Gefängniß?« Die Herren aber sprachen: »Das thut, edler Fürst!« Da gelobte er mit heißen Thränen, das Begehren seiner Tochter zu erfüllen. Auf dieses Gelöbniß löseten sich seine Fesseln von selbst und er ward aus seiner Gefangenschaft befreit. Nach seiner Zurückkunft hielt der Markgraf sein Gelübde und der Bau des Klosters begann vor der Stadt Weißenfels zu St. Niclas. Weit und breit wurde nach Steinmetzen und Zimmerleuten gesandt und ein Tag bestimmt, an welchem der erste Grundstein gelegt werden sollte. Endlich fand diese Feierlichkeit statt in Gegenwart vieler Fürsten und Herren und der Markgraf gab nun auch seine Einwilligung, daß sich seine Tochter Sophia der Kirche vermählen könnte, seiner andern Tochter Gertraud aber wollte er nach seiner glücklichen Rückkehr von seinem Zuge gen Polen zu seinem künftigen Schwiegersohn, dem Herzog Bolko, eine stattliche Hochzeit ausrichten. Auf seiner Rückreise erkrankte er aber an Gift und starb, und in demselben Jahre (1285) ward das Kloster mit großer Pracht eingeweiht. Bald darauf[373] entschloß sich aber auch die zweite Tochter des Markgrafen, Gertraud, in's Kloster zu treten, und that dies auch trotz allem Abreden ihres Bruders, des Markgrafen Friedrich, und ihres Verlobten. Sophia ward in der Folge Aebtissin († 1318) und ihre Schwester Schulmeisterin (Vorleserin), ward aber später durch das Lesen eines Buches wahnsinnig bis an ihr Lebensende. Mehrmals ward aber dem Kloster mancherlei Ungemach zugefügt, theils von Feinden des Markgrafen Friedrich, theils vom Teufel selbst, der in Menschengestalt das Glockenhaus anzündete. Die Markgräfin Helena sann nun aber darüber nach, wie sie das Kloster, welches vor der Stadt zu sehr feindlichen Angriffen ausgesetzt war, an einen mehr gesicherten Ort verlegen könne. Sobald sie einmal diesen Entschluß gefaßt hatte, ließ sie einen Theil desselben abbrechen und begann es wieder in der Stadt selbst an einer Stelle aufzubauen, wo sie im Traume eine Schaar Engel erblickt hatte. Der neue Klosterbau ward im Jahre 1301 beendet, die Jungfrauen dorthin von St. Niclas gebracht und die Markgräfin Helena selbst im Jahre 1304 daselbst im Bruderchor begraben.

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Nach Lepsius, Histor. Nachrichten von dem St. Klarenkloster in Weißenfels, nach einer Handschrift des 14. Jhdts. und nach urkundl. Quellen. Naumburg 1837, S. 5. L.A. Gottl. Sturm, Chronik der Stadt Weißenfels. Weißenfels 1846 in 8. S. 67 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 372-374.
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