438. Der Schatz auf der Rudelsburg.527

[375] In den Kellern der Rudelsburg ist ein großer Schatz vergraben, den bewacht ein schwarzer Hund mit feurigen Augen. Alle 7 Jahre in der Walpurgisnacht läßt sich an dieser Stelle ein Flämmchen sehen; wer nun gerade zu dieser Stunde um Mitternacht hier ist und einen ganz kohlschwarzen Bock mit hat, der kann den Schatz heben, denn da zerreißt der Teufel den Bock; hat aber letzterer nur ein weißes Härchen, so ist es um den armen Schatzgräber selbst geschehen, denn dann zerreißt der Hund ihn und nicht den Bock.

Diesen Schatz hat einst ein grausamer Raubritter vergraben, der auf der Rudelsburg hauste und der Schrecken der ganzen Umgegend war. Gewalt richtete gegen ihn nichts aus, daher sann der Magistrat der benachbarten Stadt ein anderes Mittel aus. Es saß in dem Thurm daselbst eine Hexe gefangen, der bot man Leben und Freiheit, wenn es ihr gelänge, den Raubritter seinen Feinden, den Bürgern auszuliefern. Sie versprach es und wußte sich in irgend einer Gestalt in das Schloß zu schmuggeln, dort verwandelte sie sich in das Leibroß des Ritters und trug ihn, als er es bestiegen hatte, trotz Zügel, Sporen und Peitsche bis in die nächste Stadt, wo er natürlich fast wehrlos den Bürgern in die Hände fiel. Diese tödteten ihn aber nicht, sondern steckten ihn in einen eisernen Käfig und hingen ihn so zu einem Thurme ihrer Stadt heraus und ließen ihn ganz ruhig darin verhungern.

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Poetisch behandelt von Bürger in seiner Ballade: Der Raubgraf auf der Rudelsburg, in s. Werken, und bei Ziehnert Bd. III. S. 170. etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 375-376.
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