440. Die treue Magd von Weißenburg.529

[377] Bekanntlich hatte der Pfalzgraf Friedrich III. von Goseck sich sehr jung mit der Gräfin Adelheid von Alsleben vermählt; letztere lernte auf einem Feste zu Nebra den Landgrafen Ludwig II. von Thüringen, den sogenannten Springer, kennen und verliebte sich in ihn. Letzterer erwiederte diese Gefühle und Beide ließen sich von ihrer unreinen Leidenschaft zu jenem Verbrechen hinreißen, welches das Erlöschen des Goseck'schen Grafenhauses zur Folge hatte. Friedrich residirte auf dem Schlosse Weißenburg an der Unstrut und Ludwig begab sich auf sein eine halbe Stunde davon entferntes Schloß Neuenburg, von wo aus er absichtlich in den Waldrevieren des Pfalzgrafen jagen ging. Einst saß Friedrich im Bade, da kam seine Gemahlin zu ihm und sagte ihm, sie habe in Erfahrung gebracht, daß Ludwig eben wieder in seinem Walde jage, und hetzte ihn an, den Frevler zu strafen. Friedrich, die ihm gestellte Falle nicht ahnend, warf sich nur leicht gekleidet aufs Roß, ließ bald seine wenigen Begleiter im Stich und traf auf den Landgrafen, den er mit harter Rede anließ; dieser aber, scheinbar plötzlich ergrimmt, verwundete ihn zuerst durch einen Pfeilschuß, tödtete ihn aber dann vollends mit dem Jagdspieße. Dann ritt er auf und davon und die nachfolgenden Begleiter fanden nur noch den Leichnam ihres Herrn. An dem Orte der Blutthat befand sich damals eine große grüne Linde und im Jahre 1556 stand daselbst zum Andenken daran noch ein Kreuzstein mit großem steinernen Fuße, auf der einen Seite war ein Spieß, auf der andern die Inschrift: »Anno domini MLXV. Hic comes cecidit Palatinus Fridericus, Hunc prostravit Comes Ludovicus« eingehauen. Dieser Stein ist jetzt verschwunden. Allein im Jahre 1759 war zu Zscheiplitz zwischen dem Schafstalle und dem Dorfkeller ein anderer Denkstein vorhanden, auf dem eingehauen stand, es hätte eine Magd von Weißenburg an einer Stelle des Waldes gegrast, als Leute des Landgrafen vorübergekommen wären, die von ihrer Absicht, den Pfalzgrafen in eine Falle zu locken und dann zu ermorden, gesprochen. Sie habe sich sofort mit ihrer Bürde nach Weißenburg aufgemacht, um ihn zu warnen, allein als sie bis an die Stelle, wo jener Stein stand, kam, sah sie, daß der Pfalzgraf bereits dem Walde zujage. Sie warf also ihre Bürde ab und eilte dem Dahinjagenden nach, um ihn wenigstens durch Schreien aufmerksam zu machen. Trotzdem aber, daß er geschwind ritt, hoffte sie ihn zu erreichen; als sie aber noch nicht bis in die Nieder-Reißen, wo der Mord geschah, gekommen war, stürzte sie zusammen und blieb todt. Zum Andenken an ihren Opfertod errichtete man an der Stelle, wo sie die Grashocke hingeworfen hatte, einen Stein mit dem Bilde eines Grasbundes, und da, wo sie todt hinsank, einen zweiten.

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So nach Sturm S. 32. etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 377.
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