464. Der in Knechtsgestalt dienende Teufel.549

[395] Ein Edelmann, in der Nähe von Torgau ansässig, ging einmal spazieren, da begegnete ihm ein Mann in Gestalt eines reisenden Knechtes (es war aber der Teufel), den fragte er, ob er sich zu ihm in Dienste begeben wolle, denn er bedürfe eines Dieners. Freilich wußte er dazumal nicht, wer jener war. Da antwortete derselbe mit »ja«, er wolle ihm dienen, und als jener ihn fragte, wie er heiße, sagte er, er heiße Schart, d.h. auf Böhmisch der Teufel. »Wohlan«, sprach der Edelmann, »so gehe mit mir heim«, und führte ihn in den Stall und zeigte ihm die Pferde, die er warten sollte. Es war aber dieser Edelmann ein gottloser Mensch, der sich vom Stegreif nährte, wozu er denn freilich einen guten Knecht bekommen hatte. Einstmals reitet[395] nun der Edelmann und befiehlt ihm ein Pferd an, das ihm sonderlich lieb war, das sollte er fleißig warten. Da nun der Junker hinweggeritten war, führte der Knecht das Pferd auf einen hohen Thurm. Als aber der Edelmann wieder nach seinem Hause zurückkehrte, erkannte ihn das Pferd, steckte den Kopf oben vom Thurme zum Fenster hinaus und fing an zu schreien, also daß er sich darüber sehr wunderte und fragte, wer denn das Pferd dort hinauf geführt hätte. Da sprach der fromme Knecht, er habe es gethan, damit das Pferd gut verwahret sei und er seines Herrn Befehl fleißig nachkommen möge. Das Pferd mußte mit großer Mühe vom Thurme wieder heruntergelassen werden.

Nicht lange darauf begab es sich, daß der Junker auf einen Beutezug aus war, und daß diejenigen, welche er beraubt hatte, ihm nacheilten. Da sprach der Knecht: »Junker, gebt eilig Flucht und steiget ab vom Pferde, denn sie kommen Euch nach.« Dann aber kam er bald wieder zu ihm und sagte, er habe ihren Pferden alle Hufeisen genommen, daß sie nicht hätten fortkommen können, und klingelte mit dem Sacke, in dem die Eisen waren, und schüttete sie heraus. Endlich aber ward der Edelmann um eines Mordes willen gefangen. Als er nun im Gefängniß lag, rief er diesen Knecht um seine Hilfe an. Der Knecht gab ihm aber zur Antwort, er könne ihm nicht helfen, denn er habe zu starke eiserne Hosen an, mit eisernen Senkeln zugebunden. Aber der Edelmann hielt ferner an und sagte, er könne ihm doch helfen und ihn erretten, wenn er es nur thun wolle. Da ließ sich der Knecht endlich überreden und sprach: »Wohlan, ich will Dir helfen, Du mußt aber die Hände festhalten und nicht damit hin- und herfahren, denn ich kann's nicht leiden«; er meinte, er solle kein Kreuz für sich machen. Der Edelmann aber sprach, er solle ihm nur hinweg und davon helfen, er wolle sich wohl recht darinnen verhalten. Da nahm er ihn und führte ihn in der Luft davon, mit den Ketten und Fesseln. Dieweil aber der Edelmann in der Luft erschrack, schrie er überlaut: »Hilf Gott, wo bin ich?« Da ließ er ihn hinunter in einen Pfuhl fallen, kam heim und zeigte es seiner Frau an und sagte, sie solle ihn holen lassen. Die Frau aber lief mit dem Gesinde alsbald hinaus, fand ihren Junker also liegen und machte ihn los.

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Nach Remigius Bd. II. S. 77, und Hildebrand S. 314.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 395-396.
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