469. Das geheimnißvolle Marienbild zu Eilenburg.553

[398] In der Stadt Eilenburg ist in der katholischen Zeit ein Marienbild gewesen, von dem man glaubte, daß es den Gebrechlichen, als Tauben, Stummen, Lahmen, Blinden, Siechen und Kranken helfe und sie gesund mache. Es kamen von weiten und fernen Orten Reisende und Wallfahrer zu dieser Lieben Frauen und brachten ihr Opfer, weil man sich einbildete, es habe eine wunderbare Kraft in sich. Später aber, als die Reformation in Eilenburg eingeführt ward, hat der neue evangelische Pfarrer Magister Kauxdorf dasselbe aus der Kirche auf den Markt bringen und untersuchen lassen, wo sich dann Folgendes herausgestellt hat (1523). Es war so gemacht, daß, weil es inwendig hohl war, man dahinter treten und durch ein geheimes Loch Alles sehen konnte, was die Leute, so vor demselben niederknieeten und es anbeteten, auch ihre Opfer und Einlagen demselben brachten, thaten oder vornahmen. Wie es nun der Pfaffe oder Mönch, der dahinter stand, für gut befand, konnte er durch die verborgenen Schnüre, Drahtzüge und andere Instrumente das Bild also regieren und reguliren, daß es bald die Augen, als wenn es lebe, gegen einen vor demselben Stehenden wendete oder wegkehrte, solche auf- und zumachte, ingleichen den Kopf bisweilen neigte, bisweilen schüttelte, wodurch es also ja oder nein zu verstehen geben wollte etc. Wenn nun einer so böse Thaten, als Mord, Ehebruch, Hurerei, Diebstahl und dergleichen Laster an sich gehabt, vor ihm niederfiel und selbiges um Fürbitte anflehte, hat sich solches Bild gestellt, als wenn es schliefe, oder doch mit Schüttelung des Hauptes abschlägige Antwort von sich gegeben. Daher Mancher, der es im Vermögen gehabt, ein Stattliches an Geld oder an andern Sachen, um[398] solches wiederum zu versöhnen und bei demselben Gnade zu erwerben, ihm aufgeopfert hat. Ingleichen wenn einem seine Bitte gewähret worden, welches das Bild durch Neigung des Kopfes oder durch ein freundliches Ansehen zu verstehen gab, indem es ihn gleichsam angelächelt, oder wenn einer etwa hernach von seiner Krankheit genesen, da hat denn Mancher fast sein halbes Vermögen aufgeopfert oder doch demselben eine große Gabe gethan.

Ein ähnliches wächsernes Marienbild ist auch zu Liebenwerda in der Kirche gewesen, welches man hoch angebetet und von dem man vorgegeben hat, es thue sonderbare Wunder mit Heilung an kranken Personen. Deswegen hat sich Dr. Martin Luther selbst dorthin begeben, die Leute eines Bessern unterrichtet, das Bild selbst aber vernichtet.

553

So nach Simon S. 212. 556.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 398-399.
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