627. Die Gründung des Klosters Ilfeld.738

[583] In dem felsigen Behrthale lebte auf seiner Burg Graf Ilger von Bielstein und bewachte den Eingang in die Gebirge, den man später die Porta Ilefeldensis genannt hat. Ohne Unterschied beraubte und mordete er, was er von seinem Raubneste erspähete und Keiner, der die Straße zog, war seines Lebens sicher. Auf allen Gipfeln der Berge, die hier steil und schroff emporragen und welche das Volk nach ihrer Form den Gänseschnabel, Mönchstein und Brodstein genannt hat, lauerten Wächter des Grafen und thaten kund, wenn eine Beute nahe war. So zog auch einstmals Graf Conrad von Beichlingen, ein Sohn des Otto von Mordheim, mit einer kleinen Schaar Reisiger durch diese Waldungen nach dem Erbe seiner Väter, da brach unvermuthet aus seiner Burg der Raubritter hervor und tödtete den Edlen von Beichlingen mit seiner ganzen Mannschaft, daß auch nicht einer entkam, um die That zu verkünden. Aber es war diese Unthat kaum geschehen, so erhoben sich, überdrüssig der vielen bösen Thaten, die da über ihren Häuptern verübt wurden, die Burggeister und Kobolde aus ihren Klüften und Felshöhlen, wälzten ungeheure Felsblöcke in das Thal, trieben die Behre aus ihren Ufern, daß Ilgers und seiner Leute Besitzungen gänzlich überschwemmt wurden. Alle Wege waren gesperrt, nur eine Oeffnung hatte sich in einen gewaltigen Felsen gebildet, ähnlich einem Nadelöhr, durch das man hindurch kriechen mußte, um auf die andere Seite des Thales zu gelangen. Ilger gelobte, zur Büßung seiner Sünden und um die Berggeister zu versöhnen, an dem Orte, wo er Conrad erschlagen, eine ewige Lampe anzuzünden und alsbald beruhigten sich auch die Geister des Gebirges und der Fluß ging ruhig wieder in sein Bette zurück. Ilger hielt Wort und stiftete (1185) zur Sühne diese ewige Lampe, zu deren Unterhaltung er 24 Mark Silbers widmete. Von dieser ewigen Lampe, vor welcher Hirten, Holzfäller und Reisende ihre Andacht verrichteten, wurden bald sehr viele Wunder erzählt, wodurch Ilger's Sohn, Ilger II., bewogen ward, bei derselben ein Kloster zu stiften. Der Kaiser Heinrich IV. und der Lehnsherr, Herzog Heinrich der Löwe, bewilligten die Stiftung, verlangten aber von ihm, daß er auf Burg und Gebiet von Ilburg verzichte und Beides dem Kloster übergebe, wofür er jedoch mit dem Schlosse Hohenstein, welches eben heimgefallen war,[583] belehnt werden solle. Ilger II. war damit zufrieden, trat die Ilburg und deren Gebiet an die Prämonstratenser-Mönche von Ilfeld, so hieß nun das neue Kloster, ab und ließ die Kirche zu Ehren der heil. Jungfrau Maria und anderer Heiligen erbauen. Nach der Sitte der damaligen Zeit nannte er sich nun nach seiner neuen Besitzung Graf von Hohenstein und eines Grafen von Ilburg wird nirgends mehr gedacht. Er erlebte indeß die Vollendung des Klosters nicht, denn er starb schon im December des Jahres 1189 und erst unter seinem Nachfolger Ilger III. 1190 geschah die Einweihung des Klosters.

Die Wahl des Ortes jedoch, auf dem das Kloster Ilfeld, das jetzt eine namhafte Gelehrtenschule ist, steht, geschah der Sage nach auf folgende Weise.739

Einst hatte die Gräfin auf dem Schlosse Ilburg mitten im Walde ein großes Licht brennen sehen. Sie weckte ihren Mann deshalb, aber wie der kam, sah er nichts. Die Gräfin hatte es aber eine Stunde lang brennen sehen. Die zweite Nacht sah sie es um dieselbe Zeit, sie weckte den Grafen abermals, der aber sah wieder nichts. Die dritte Nacht, wie die Gräfin es sah, sagte sie dem Grafen nichts, sondern sattelte stillschweigend ein Maulthier und ritt damit auf das Licht zu, belud aber das Thier mit so viel Geld, als es nur tragen konnte. Wie nun dasselbe hinauskam, war das Licht ein großes Feuer, das rollte sich zusammen in ein großes feuriges Mühlrad und rollte immer weiter. Die Gräfin mit dem Maulthiere folgte dem feurigen Rade und kam so an eine Stelle, wo es erlosch. Da ließ sie denn von dem Gelde, das sie auf den Esel geladen hatte, eine Kirche bauen und wie man an der Stelle, wo das Feuer gebrannt hatte, einen Graben in die Erde grub, um die Grundmauer hineinzusetzen, wurden noch überdies an der Stelle zwei Tonnen Goldes gefunden, die zum Klosterbau mitbenutzt wurden.

738

S. Harrys Bd. II. S. 84 etc.

739

So Pröhle, Harzsagen S. 225.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 583-584.
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