674. Die Kirche zu Zellerfeld.788

[634] Vor alten Zeiten ist einmal bei einem großen Brande auch die Zellerfelder Kirche mit abgebrannt und man hat kein Geld gehabt, um sie wieder aufzubauen, da hat eine Henne mit ihren Küchlein an der Stelle, wo jetzt die Kirche steht, einen großen Schatz aufgescharrt. Von diesem Gelde ist die Kirche erbaut worden und zum Wahrzeichen hat man über den vier Kirchthüren die Henne in Stein abgebildet, wie noch jetzt zu sehen ist.

Aber es ist in der Kirche gar nicht zu bleiben gewesen. Denn wenn die Kirche angegangen ist – während der Predigt – hat der Teufel einen solchen Lärm mit Poltern und Schreien und Brüllen gemacht, daß Niemand hat ausdauern können. Da waren nun schon viele Versuche gemacht ihn zu vertreiben, aber alle vergebens, bis endlich sich ein fremder Mann eingefunden hat, der gab sich für einen Teufelsbanner aus. Und den nahm man zu Hilfe. Der forderte den Teufel vor und beschwor ihn, daß er die Kirche verlassen mußte. Unter großem Lärm ist da der Satan unten aus der Kirche nach der Seite des Marktes zu durch die Mauer hinausgebrochen. Das Loch, durch welches er hinausgefahren ist, hat man oftmals zumauern wollen, allein am andern Morgen war der Stein immer wieder herausgehoben und bis auf diesen Tag ist die Oeffnung zu sehen.[634]

Früher hat auf dem Zellerfelder Gottesacker auch eine Kirche gestanden; wenn nun ein Bergmann umkommen sollte, so war die Nacht vorher die Kirche ganz erleuchtet, und wenn Einer den Muth hatte, daß er hineintrat, so hat er den Bergmann, der umkommen sollte, vor dem Altar im Sarg gesehen. Einmal kömmt eine Frau des Nachts von Goslar mit einer Tracht grüner Waare. Die Frau sieht auch die Kirche hell und weil sie ein muthiges Frauensbild ist, tritt sie in die Kirche. Da ist's ganz hell wie von tausend Lichtern, obgleich nirgends eins zu sehen ist. Aber vor dem Altar steht ein Sarg und in dem Sarge liegt ihr eigener Mann und ist todt. Wie sie das gesehen hat, geht sie nach Hause und bittet ihren Mann, doch morgen nicht anzufahren. Aber der Bergmann hat doch umkommen müssen, obgleich er nicht angefahren ist. Denn da er sich des andern Tages zum Schlafen auf die Ofenbank legte, ist von dem Gesimse ein Glätteisen herabgefallen, ihm gerade auf den Kopf, und hat ihn auf der Stelle getödtet.

In der Zellerfelder Kirche liegt Faust's Höllenzwang an einer eisernen Kette angeschlossen. Er ist von Doctor Faust selbst geschrieben. Wenige Menschen können ihn lesen, es ist auch äußerst gefährlich dies zu thun. Wer ihn, ohne sein Leben zu verlieren, lesen will, muß ihn vorwärts und rückwärts lesen können. Wenn man ihn vorwärts liest, so kommt der Teufel, wenn man ihn aber rückwärts liest, so entfernt er sich wieder. Hat nun Einer den Höllenzwang vorwärts gelesen und kann ihn nicht wieder rückwärts lesen, so giebt ihm der Teufel den Rest.

788

Nach Harrys Bd. II. S. 18 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 634-635.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band