729. Der Dombaumeister zu Paderborn.846

[690] Als man in alter Zeit in Paderborn einen Dom bauen wollte, fand sich beim Graben des Grundes, daß auf einer Seite des Baues der Boden moorig und nicht wohl geeignet war, die ungeheure Last der Mauern und Thürme zu tragen, während die gegenüberliegende Seite aus starkem Felsengrunde bestand. Die Rathsherrn wurden aber bange und meinten, der große Bau werde verunglücken, ließen auch den Baumeister rufen und nahmen ernste Rücksprache mit ihm. Der aber schmunzelte und sagte, er werde schon mit seinen Gesellen für den Bau einstehen. Als nun das Werk fertig war und die geistlichen Herren und die Aeltesten der Stadt den Dom besahen, ob auch Alles nach Recht und Ordnung gebaut sei, da fanden sie rechts an einer Säule Männer in einer Stellung ausgehauen, als wenn sie keuchend eine schwere Last trügen. Gegenüber war an einem Pfeiler eine flatternde Fledermaus gemeiselt. Verwundert fragten die Rathsherren den Baumeister, was diese Bilder bedeuten sollten. Da lachte der Meister und sprach: »Rechts hier ist der Boden feucht und locker, deshalb mußten wir hier den Bau mit unserer Kunst stützen und tragen, dort hingegen ist der Grund so fest, daß leicht eine Fledermaus den Dom stützen könnte. Dies ist die Bedeutung der noch vorhandenen Bilder.«

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S. Seiler S. 82.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 690.
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