2. Die Brüder vom Berge oder die Gründung des Klosters Altenberg.

[1] (Nach A. Reumont, Rheinlands Sagen, Gesch. und Legenden. Cöln (1849) in 8. S. 25 etc. Poetisch behandelt bei Montanus I. S. 9 und II. S. 174 etc. nach einem Volksliede des 15. Jhdts. in W.v. Waldbrühl, Bardale. Quedl. 1830.)


Um das Jahr 1100 wurden dem Grafen Adolf III. von Berg, den das Volk den Vogt vom Berge nannte, von seiner Gemahlin, der Gräfin Margaretha von Kefernberg, zwei Knaben geboren, die die Namen Adolf und Eberhard erhielten. Leider aber starb ihre Mutter kurz nach ihrer Geburt und nach Ende eines Jahres auch ihr Vater, so daß sie von ihrem Onkel Bruno, Erzbischoff von Cöln erzogen werden mußten. In allen ritterlichen Künsten erfahren, waren sie zu zwei stattlichen Rittern herangewachsen, als sie der Graf von Cleve zur Vermählung seiner ältesten Tochter Gisela mit ihrem Vetter, dem Grafen Siegehardt von Kefernberg einlud. Leider aber verliebte sich hier Eberhard in die letztere so heftig, daß er schwur für immer ledig zu bleiben, da er ihre Hand nicht mehr erringen konnte. Sein Bruder Adolf jedoch gewann die Liebe der jüngeren Schwester Adelheid, mit der er sich auch bald darauf vermählte. Um das Glück der jungen Liebenden nicht mit anzusehen, zog sich Eberhard auf das Schloß[1] Neuenburg an der Wupper zurück, während jene das alte Schloß Berg an der Dhün bewohnten, aber beide ließen keinen Tag vergehen, ohne sich zu sehen und riefen sich jeden Morgen von den Zinnen ihres höchsten Thurmes mit dem Jagdhorn einen schallenden Gruß zu.

Da begab es sich, daß Walram von Limburg die Hilfe der beiden Brüder gegen Gottfried von Brabant anrief. Vereint mit demselben schlugen sie die blutige Schlacht bei Thaldorf, allein obwohl sie den Sieg errangen, so war doch als der Abend über das Schlachtfeld herabsank, nur einer der Brüder, Adolf, frisch und munter zu Rosse, Eberhard aber ward vermißt; zwar durchsuchte man mit der ängstlichsten Sorgfalt die weite Ebene nach seinem Leichnam, allein derselbe fand sich nicht, so daß der tiefbetrübte Adolf ohne seinen Bruder nach Hause ziehen mußte.

Eberhard war aber nicht todt, von einer gewichtigen Streitaxt niedergeschmettert war er lange leblos unter Todten und Verwundeten liegen geblieben, von der Nachtluft aufgeweckt kam er wieder zu sich, als er aber um sich überall die schrecklichen Folgen des Krieges sah, da fühlte er solche Reue über sein bisheriges Beginnen, daß er beschloß, nie wieder ein Schwert zu berühren und fortan nur dem Dienste des Herrn zu leben. Er raffte sich, wiewohl mit Mühe auf, fing sich ein herrenloses Roß ein und ritt auf diesem nach Altena an der Lenne, wo er hoffte, von seinem Bruder nicht gleich wieder gefunden zu werden. Hier ließ er sich heilen und begab sich dann auf eine Pilgerfahrt, zuerst nach Rom, dann aber über die Pyrenäen nach Spanien in das Kloster S. Jago de Compostella. Endlich in sein Vaterland zurückgekehrt beschloß er zu weiterer Buße als Knecht zu dienen und trat in die Dienste eines Pächters nahe bei demselben Thaldorf, wo er damals in der Schlacht gefallen war. Hier lebte er unerkannt fünf ganzer Jahre, bis zufällig zwei Bergische Edelleute, Vasallen seines Bruders, in jene Gegend kamen und ihn erkannten. Vergebens versuchte er sich zu verstellen, es gelang ihm nicht und so geschah es, daß sein Bruder Adolf von seinem jetzigen Aufenthalt Kunde bekam. Derselbe eilte schnell herbei um ihm sein Erbe wieder zu überliefern und ihn zu bereden, wieder in seine frühern Verhältnisse zurückzukehren. Eberhard jedoch wies Beides zurück, zog vielmehr nach der Cisterzienserabtei Morimont in der Champagne, wo er sich zum Priester weihen ließ. Allein da sein Bruder Adolf diese abermalige Trennung nicht ertragen konnte, so veranlaßte er ihn dadurch, daß er ihm das Stammschloß seiner Ahnen, das Schloß Berg schenkte, hierher zurückzukehren und dort das Kloster Altenberg zu gründen, welches denn auch am 3. August 1135, als an dem Tage einer totalen Sonnenfinsterniß, vom Erzbischoff Bruno von Cölln feierlich eingeweiht ward. Hier lebte er nun als Mönch im weißen Cisterzienserkleide, nachdem er seinen Freund, den Abt von Morimont mit zwölf Mönchen veranlaßt hatte, sich ebenfalls hierher zu begeben.

Nach einigen Jahren, als er eines Tages in seiner Zelle saß und seinen frommen Gedanken nachhing, sah er von Ferne einen Zug von Reisigen und Frauen seinem Kloster zuziehen. Wie ward ihm aber, als er in der in tiefster Trauer an der Spitze des Zuges reitenden Rittersfrau seine einstige erste und einzige Liebe, Gisela von Cleve erkannte? Dieselbe bat den Abt um die Erlaubniß, ihrem Herrn Vetter, dem Grafen Eberhard,[2] wenige Worte sagen zu dürfen. Als ihr diese gewährt worden war, bat sie ihn um seinen Segen und forderte ihn auf, das Schloß Jorisburg zum Andenken an ihren verstorbenen Gatten zu einem Kloster einzurichten und demselben vorzustehen. Dies that er auch, allein als nach einigen Jahren Gisela starb, kehrte er nach Altenberg zurück. Mittlerweile war seines Bruders Gemahlin Adelheid auch gestorben und nun legte dieser zu Gunsten seiner Söhne die Regierung des Bergischen Landes nieder und zog sich ebenfalls nach Altenberg zurück, um sich nie mehr von seinem geliebten Bruder zu trennen. Am 21. Mai des Jahres 1152 starb Eberhard, seinem Bruder ein baldiges Ende verkündend, und schon am 12. October folgte ihm dieser und man bestattete ihn an der Seite Eberhards. Als aber am andern Morgen die Mönche an dem frischgemachten Grabe vorbei kamen, sahen sie, daß es eingesunken war. Bei näherer Nachforschung fand man, daß Adolfs Leichnam aus seinem Sarge verschwunden war und an der Seite seines Bruders Eberhard ruhte.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1-3.
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