5. Die Nachtigallen im Kloster zu Altenberg.

[4] (Poetisch bearbeitet von Montanus Bd. I. S. 30 etc.)


Zu der Zeit als der h. Bernhard von Clairvaux von dem General-Convent des Cisterzienserordens ausgesendet ward, um die vom Sittenverfall heimgesuchten Klöster zu reformiren, kam er auch in das Eifelkloster Himmelrath, um die Mönche desselben, welche ihrer strengen Regel untreu geworden waren, zur Pflicht zurückzuführen. Aber er sah bald, daß seine strengen Worte bei den pflichtvergessenen Brüdern keinen Eingang fanden. Da verschloß er sich vor Gram in eine Zelle und warf sich, als eben der Tag zu Ende ging, bei geöffnetem Fenster zur Erde nieder um zu beten. Doch bald vermochte er seiner Gedanken nicht mehr Meister zu bleiben, denn würziger Blumenduft drang in die Zelle herein und berauschte seine Sinne und der Schlag vieler im Garten singenden Nachtigallen erfüllte sein Ohr mit Sinnlichkeit. Erst der Vespergesang, der aus der Kirche ertönte, brachte ihn wieder auf andere, heiligere Gedanken. Da erhob er sich voll Unmuth und verwünschte die Nachtigallen, so daß sie von Stunde an den Ort verließen und davon flogen. Sie zogen aber alle ins Altenberger Thal,2 wo sie bis jetzt geblieben sind. Mittlerweile kam nun aber der h. Bernhard auch nach Altenberg, allein mit freudigem Erstaunen sah er, daß hier die Mönche in Zucht, Strenge und Ehrbarkeit lebten. Da segnete er die Nachtigallen, und soll einen langen im Klosterarchiv aufbewahrten Brief geschrieben haben, in welchem er sprach: »Der Mensch, welcher Gott liebt und reinen Herzens ist, darf sich ohne Schaden für seine Seele an allem Schönen, Lieblichen und Herrlichen erfreuen.«

2

Nach einer andern Sage wären sie nach dem Kloster Stuba, auf einer Insel der Mosel, oberhalb Kochheim geflüchtet.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 4.
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