17. Das Zwergjunkerlein an der Kohlfurt.

[20] (Nach Montanus Bd. I. S. 81 u. Fr. Leibing, Sagen und Märchen des Bergischen Landes. Elberfeld 1868, in 12. S. 14 etc.)


In der Nähe der Kohlfurt liegt ein Berg, der mit seinen Klippen die Wupper überragt. Er ist in seinem Innern von unzähligen Höhlen und Gängen durchzogen, die vor langen Jahren von dem kleinen Volke der Heinzelmännchen oder Zwerge bewohnt waren. Nun begab es sich einst,[20] daß ein wackerer Schmied spät Abends zu seinem Hammer heimkehrte, der in dieser Gegend an der Wupper lag. Da vernahm er vom jenseitigen Ufer eine wunderbar feine und liebliche Musik, die aus dem Grase und hinter den Steinen hervorzudringen schien. Es geigte und fidelte, es blies und schmetterte, als wäre da ein lustiger Tanz. Neugier und Staunen wurden bei ihm rege, er sah scharf hin und bemerkte endlich im Mondenscheine viele kleine Gestalten, welche fröhlich im Reigentanz auf den Steinen herumsprangen. Auch die Musik kam von solchen kleinen Männlein, die sich auf den Felsblöcken niedergelassen hatten und fein Takt und Ordnung hielten. Abseits von den andern erblickte er ein Männlein auf einem Abhange, der über das Wasser hinausragte. Dies schien noch heiterer als die übrigen zu sein, denn es jauchzte, sprang auf einem Bein umher, drehte sich im Kreise und warf sein kleines silbernes Hütchen hoch in die Luft und fing es geschickt wieder auf. Mit einem Male aber stieß es einen lauten Schrei aus. Es hatte einen schrägen Wurf gethan, konnte das Hütchen nicht wieder fangen und dasselbe fiel in die Wupper. Bei dem Schrei verstummte sofort Jubel und Musik, Alles lief an das Ufer, aber keiner konnte das versunkene Hütchen wieder herausholen. Da trat der ehrliche Schmied hinter einem Busch hervor und rief hinüber: »Männlein, ich habe Dein Hütchen fallen sehen, wenn Du Dich bis morgen früh gedulden willst, so verspreche ich Dir, es wieder herbeizuschaffen.« Da rief das ganze Völkchen ihm Beifall zu, der kleine Mann aber sagte: »Ich will es Dir reichlich lohnen.« Der Schmied ging von dannen und erwiderte: »Ich habe mich ergötzt an Eurer Musik und Eurem Tanz, so will ich Euch denn wieder erkenntlich sein!«

Als der Morgen graute, machte der Schmied sich wieder nach derselben Stelle auf. Er watete in das Wasser und fing an zu suchen. Da rief ihm das Zwerglein hinter den Büschen einen guten Morgen zu und freute sich, daß er sein Versprechen so pünktlich halte. Bald hatte der Schmied das Hütlein gefunden und reichte es dem Besitzer hinauf, der nun vor Freuden noch höher sprang als gestern Abend. Dann aber holte er einen großen Edelstein von wundersamer Pracht hervor und wollte damit den Liebesdienst belohnen. Allein so sehr das Zwerglein auch bat, der Meister nahm den Stein nicht an, sondern ging ruhig nach Hause zu seiner Arbeit. Unter lustigem Sang theilte er an jenem Tag einen großen Stahlblock in viele kleinere Stücke, die er im nächsten Tagewerk in schlanke Stangen auszurecken gedachte. Wie groß aber war sein Erstaunen, als er am nächsten Morgen in den Hammer trat und die ganze Arbeit schon gethan fand. Da lagen die Stangen aufgeschichtet, alle probemäßig und tadellos ausgeschmiedet. »Nun«, dachte er, »wenn das ein Spaß ist, den sich mein Nachbar etwa erlaubt hat, so kann ich mir den schon gefallen lassen.« Er fragte den Tag über hin und her, aber Niemand wußte von der Sache. Abends lagen wieder die Stäbe fertig, die am nächsten Tage zu Stangen sollten ausgeschmiedet werden. Er dachte: »Es wäre schön, wenn Du morgen früh wieder die Stangen fertig vorfändest.« Und richtig! Am Morgen lagen wieder die Stangen da, aufgeschichtet, alle probemäßig und tadellos ausgeschmiedet. Nun meinte der Schmied, »diese Art zu arbeiten ist so übel nicht, aber ich möchte doch wissen, wie die Sache eigentlich zugeht«. Da legte er sich Nachts auf die Lauer, als alle Lichter im Hammer ausgelöscht[21] waren, und lauschte an einer Mauerspalte. Da sah er denn, wie gegen Mitternacht das Zwergmännlein mit dem silbernen Hütlein eintrat. Die Thüre des Hammers hatte sich aufgethan, nachdem es mit einem silbernen Hämmerlein, das es in der Hand trug, dagegen gepocht hatte. Es zündete Licht an und blies in die Kohlen, daß sie bald wieder hell aufbrannten. Dann öffnete es ein mitgebrachtes Bündelchen und nahm daraus ein ledernes Schurzfell, welches es umthat. Hierauf wälzte es die Stäbe in's Feuer und plagte sich so sehr dabei, daß ihm der Schweiß auf der Stirn stand. Als es den letzten hereingewälzt hatte, zog es den ersten wieder heraus und zwar mit einer goldenen Schlinge. Der Stab glühte noch gar nicht, als aber das Männlein mit seinem silbernen Hämmerlein darauf herumzuarbeiten begann, formte er sich so leicht, als wäre er von Wachs gewesen, und es wurde eine schöne schlanke Stange daraus. So ging es mit dem zweiten und dritten Stabe und weiter, bis keiner mehr im Feuer war. Dann wusch sich das Männlein, packte sein Schurzleder und Hämmerlein ein, setzte sein Hütlein auf und verschwand so stille, wie es gekommen. »Nun,« sagte der Schmied, »wenn Du aus Dankbarkeit Nachts mein Gesell sein willst, an Arbeit soll es Dir nicht fehlen!« Und fortan machte er mit seinen Gesellen alle Tage nur die Stäbe und Klumpen fertig, die das Männlein Nachts in Stangen ausreckte. Und diese waren so gut, daß man sie theuer bezahlte, und der Schmied wurde nach einiger Zeit ein reicher Mann. Eines Tages dachte er: »Du verdankst doch all Dein Glück, Hab und Gut blos dem kleinen Männlein und hast ihm dafür nichts geleistet, als daß Du sein Hütlein aus dem Wasser geholt. Das ist zu wenig, Du mußt ihm einmal eine große Freude machen!« Da ging er denn nach Solingen zu dem besten Schneider und sprach zu ihm: »Meister, mach mir einen Anzug, wie ihn die Junker zu Cölln tragen, vom allerfeinsten Stoff, ganz von Sammt und Seide, er darf aber nur so groß sein wie dieses Maß!« Damit gab er ihm die Länge des Männleins. Als der Anzug fertig war, hing er ihn auf ein Stühlchen neben dem Ambos und stellte einen kleinen Spiegel daneben. Dann begab er sich in seinen Versteck und wollte beobachten, was das Männlein zu dem Geschenke sagen würde. Kaum hatte es die Kleider erblickt, so warf es Schurzfell und Hammer bei Seite und betrachtete dieselben mit Freude und Erstaunen. Alsbald fing es an, sie anzulegen. Dann bewegte es sich wie ein eitles Mädchen vor dem Spiegel hin und her und sprach: »Ei, wie schön mir das weiße Höschen paßt, ei wie schmuck mir das blaue Sammtröcklein steht!« Zuletzt setzte es auch den Federhut auf und steckte den kleinen Degen an. Da wußte es sich vor Freude kaum noch zu lassen und sprang wieder auf einem Beine umher. Plötzlich aber fielen seine Blicke auf die Eisenstäbe und es stand wie angewurzelt still. »Nein«, sprach es endlich, »mit dem Schmieden ist es nun vorbei, solche gemeine Arbeit schickt sich nicht für einen schmucken Junker, wie ich jetzt bin!« Damit flog das Schurzfell und der Hammer in die Kohlen, und das Junkerlein klatschte vor Freuden in die Hände, als sie in Flammen aufgingen. Darauf nahm es sein silbernes Hütlein und ging stolz zur Thür hinaus.

Fortan hatte der Schmied nun seine Arbeit hübsch selber zu thun von A bis Z, wenn er sie gethan haben wollte. Mit der Zwergenhülfe war es[22] ein für allemal vorbei. Da legte er sein Geschäft nieder und lebte fortan in Ruhe.

Einige wollen auch wissen, daß dieselbe Geschichte nicht in einer Schmiede, sondern in einem Schleifkotten geschehen und daß das Zwergjunkerlein, des vornehmen Lebens bald überdrüssig, wieder in seine Höhle zurückgekehrt sei.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 20-23.
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