18. Der Zwerg von Hummelsheim und der störrische Bauer.

[23] (Nach Leibing S. 19 etc.)


Der Besitzer von Hummelsheim, oberhalb Schlebusch im Dhünthale, wandelte einst im benachbarten Walde. Da stand plötzlich ein Zwerg vor ihm und ging ihn mit der Bitte an, doch seinen Pferdestall zu verlegen, weil dieser gerade über ihrer Wohnung angebracht sei und die Rosse ihnen ihr unterirdisches Haus verunreinigten. Der harte Bauer wies diese Bitte unfreundlich zurück; da sagte das Männlein, daß es dann nicht für die Gesundheit, ja das Leben der Pferde einstehen könne. Der Bauer wurde darüber so aufgebracht, daß der Zwerg vor ihm in's Gebüsch flüchten mußte. Dafür fraßen aber auch schon am nächsten Morgen seine Gäule nicht mehr wie gewöhnlich, und er sah zu seinem Erstaunen, daß die Thiere, die Tags zuvor noch kerngesund geackert hatten, matt und krank dastanden. Er ging daher augenblicklich in den nahe gelegenen Waldhag, um sich einige Kräuter für deren Pflege zu brechen. Da sah er zu seinem Erstaunen aus einem Dachsbau wieder denselben Zwerg hervorgucken, der ihm zurief: »Wenn Du den Stall noch nicht verlegen willst, müssen die Gäule unfehlbar sterben!« Der Bauer, der sich die Krankheit der Pferde doch anders als durch den Einfluß der Wichtelchen erklären mochte, schleuderte einen Stein nach dem Unterhändler, der aber mit einem Drohworte rasch entschlüpfte. Wirklich fand der Bauer am nächsten Morgen eines seiner besten Pferde todt im Stalle liegen, die übrigen alle dem Verscheiden nahe. In größter Bestürzung eilte er nun in den Wald zu seinen Kräutern, wo denn der Wichtelmann abermals aus dem Dachsbau hervorschaute und ihn fragte, ob er wegen des Pferdestalles noch nicht andern Sinnes geworden sei. Jetzt gab der Bauer, in Furcht alle seine Gäule zu verlieren, nach, gelobte einen neuen Stall zu bauen und erhielt dafür das Versprechen, daß alle seine Pferde rasch wieder gesund werden sollten. Da er noch tiefer in den Wald ging, allerlei Heilkräuter zu suchen, mag er diesem Versprechen nicht so recht getraut haben; als er aber nach Stundenfrist wieder heim kam, wieherten die Pferde ihm schon fröhlich entgegen und waren mit Ausnahme des todten alle wieder so kräftig wie früher. Der Landmann ließ nun gleich den Maurer kommen, fern von dem alten einen neuen Pferdestall anlegen, übersiedelte dahin die Gäule und verwandelte den alten Stall zuletzt in eine Bäckerei.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 23.
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