21. Der Teufel im Glas.

[25] (Nach Montanus Bd. II. S. 195.)


Es gab eine Zeit, wo es im Altenberger Kloster überall spukte: vor den Thoren und innerhalb der Ringmauern, im Kreuzgange und selbst in der Kirche wurde der Teufel mehrmals, oft in Gestalt eines zottigen Bären oder schwarzen Hundes, oft aber auch in der einer schmucken Dirne gesehen, welche die frommen Mönche zur Unzucht verlocken sollte. Besonders im Mondenscheine und in der Dämmerung ließ er sich am häufigsten sehen, so daß im Kloster kaum Jemand zu finden war, dem er nicht wenigstens ein Mal begegnet wäre. Man dachte lange vergeblich auf Mittel, diesen bösen Gesellschafter aus dem Hause des Herrn zu entfernen. Da ersann endlich ein frommer Mönch folgenden Spaß.

Da die Kirche des Abends verschlossen war, so hatte der Satan keinen andern Weg zum Hereinschlüpfen, als die Schlüssellöcher der Thüren. Diese verpichte der Mönch mit geweihtem Wachse bis auf eins und vor dieses befestigte er nach Innen die Oeffnung eines ringsum gefeiten Glases, das sich auf die geringste Bewegung mittelst eines genau passenden, gleichfalls geweihten Wachsstöpsels schloß. Bevor der Mönch seine Falle stellte, hatte er aber schon die ganze Kirche besprochen, damit der Böse nicht vielleicht schon drinnen sei und so die ganze Vorkehrung vereitelt werde. Dann schaute er erwartungsvoll dem Morgen entgegen; allein um Mitternacht[25] schon erweckte ein furchtbares Getöse den ganzen Convent; der Böse war wirklich in die Falle gegangen und schrie mit kläglichem Geheul um Befreiung. Der Mönch aber hatte ihn im Glase und nur daß er nicht wieder entrinne, hing er die Flasche hoch oben an das Gewölbe des Kirchenschiffs. Jener suchte zwar von dort durch Bitten, Versprechungen und Drohungen seine Freiheit zu erlangen, allein die Mönche fühlten keinen Beruf ihn frei zu lassen und seine eigene Kraft erlahmte an den geweihten Wänden seines durchsichtigen Kerkers. Doch konnte man von außen nichts gewahren, als eine schwarze Masse, die das Glas ganz ausfüllte, und um im Gottesdienste nicht gestört zu werden, hatten ihm die Mönche beständiges Stillschweigen aufgelegt. Nur durch eine zappelnde Bewegung gewahrte man, daß es im Innern des Glases nicht geheuer sei. So war denn das Kloster lange Zeit vor den Umtrieben des Teufels gesichert und der Ruf des Wunders lockte eine Menge neugieriger Pilger herbei, welche den Teufel im Glase sehen wollten. Diese Freude aber währte nicht lange, denn als man einst eine Veränderung in der Kirche vornahm und ein hohes Gerüste dort aufbaute, zerbrach ein unglücklicher Stoß die Flasche und in Gestalt einer großen Fledermaus flog der Gottseibeiuns jubelnd davon. Doch wagte er es nicht mehr innerhalb der Kirche zu erscheinen und suchte um dieselbe und im Kreuzgange sich in Weibesgestalt für das enge Gefängniß an den Mönchen zu rächen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 25-26.
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