45. Das Gottesgericht auf dem Domhofe zu Cölln.

[58] (S. Fr. Kreutter, Wanderung durch das mittelalterl. Cölln, Bd. I. S. 8 etc.)


Ein gewisser Gumbrecht aus dem edeln Cöllnischen Geschlechte der »von Weißen«, die man gewöhnlich blos »von der Mühlengasse« oder auch von ihrer stattlichen festungsartigen Besitzung am Mühlengassenthor »vom Thurm« nannte, hatte am Ostertage 1260 einen Bürger aus der Metzgerzunft von Cölln in der Klosterkirche »zur weißen Frauen« auf der Bachstraße daselbst erschlagen, hatte sich aber dann durch die Flucht aus der Stadt gerettet. Zwar hatte der Stadtgraf Hermann von der Kornpforte in Folge davon der Familie von Weißen ihre Häuser zur Strafe niederreißen lassen, allein gleichwohl hatte doch sonst noch ein Verwandter des Getödteten durch ein Schimpfwort, welches Gumbrecht gegen ihn ausgestoßen hatte, beleidigt diesen einen Mörder genannt und ihm den Handschuh hingeworfen mit der Betheuerung, er wolle diese seine Behauptung durch einen[58] Zweikampf beweisen. Der Handschuh ward aufgehoben und das Gericht nahm jetzt beide Männer in Verwahrung bis nach Verlauf von 14 Tagen auf dem Domhofe in Gegenwart des Stadtgrafen, des Cöllner Rathscollegiums und der Schöffen sowie bei Anwesenheit des Bischoffs und der hohen Kirchenwürdenträger und einer ungeheuren Volksmenge beide Kämpfer am 22. Mai um 9 Uhr früh zusammentrafen. Ihre Kleidung bestand aus schwarzem Schafleder, ganz aus einem Stücke vom Hals bis zu den Füßen gefertigt und knapp an ihre Körper anschließend; dieselbe war mit Fett bestrichen, damit der Sieg nicht allzuleicht werde, jedoch so daß dasselbe an dem Fleischer Hermann schmolz, an Gumbrecht von Weißen aber gerann und ganz weiß und grieslich blieb, obwohl es sehr heiß war. Die Köpfe waren ihnen geschoren, die Füße unbekleidet, die Nägel aber verschnitten. Ihre Schilde waren von Weidenholz mit Schafleder überzogen, ungefähr 3 Fuß lang, die Waffen waren Stöcke von Mispelbaumholz, 3 Fuß lang, an beiden Enden zugespitzt und mit einem Griff und Riegel zur Bedeckung der Faust versehen. Nachdem der Stadtvogt ihnen das Zeichen zum Kampfe gegeben, schlugen beide Kämpfer anfänglich auf einander tüchtig los, allein nach mehreren Gängen, bei denen nichts herauskam, warfen sie ihre hölzernen Waffen weg und fielen über einander her. Hermann der Fleischer jedoch war der stärkere, riß Gumbrecht zu Boden, blendete ihm mit Sand die Augen, riß ihm die Ohren ab und hielt ihn dann fast eine Stunde lang fest am Boden, so daß er den Bauch und das Gesicht seines Feindes nach der Erde umkehrte; zwar versuchte Gumbrecht immer wieder sich aufzuraffen, biß auch seinen Gegner heftig in den Finger, allein dieser drückte ihm dann mit dem Daumen das eine Auge aus und ob derselbe wohl um sein Leben bat, verrenkte und zerbrach Letzterer ihm die Arme und das Rückgrat, indem er mehrere Mal mit den Knieen ihm auf den Rücken stampfte. Endlich bekannte der Unglückliche sich für besiegt und gestand den Mord, dessen er beschuldigt war, ein, allein obwohl der Stadtgraf selbst jetzt um sein Leben bat, gestand ihm der Magistrat solches doch nicht zu, sondern der Fleischer tödtete ihn vollends mit einigen Schlägen seines hölzernen Prügels, schleppte ihn dann aus den Schranken, worauf er noch einmal zu sich kam, einem Priester aus der nahen bischöflichen Johanniskirche beichtete und dann auf einer Schleife fortgeschleppt und auf dem Judenbüchel vor dem Severinsthor aufgehangen ward. Der Fleischer aber begab sich zu der nahen Kirche unserer lieben Frauen zur Stiege, um die heilige Jungfrau die Mutter Gottes zu begrüßen und ihr für den Sieg zu danken.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 58-59.
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