54. Albertus Magnus zu Cölln.

[72] (S. Ziehnert Bd. III. S. 145.)


Graf Wilhelm von Holland, zum deutschen Kaiser gewählt, belagerte als solcher die Stadt Aachen im J. 1248, zog aber zum Christfeste nach Cölln, um dasselbe hier in Ruhe zu feiern. Nun lebte aber damals hier ein Mönch, Albertus genannt, im deutschen Reiche als großer Schwarzkünstler verrufen. Das war aber ein hochgelehrter Mann, in Mathematik, Naturwissenschaft und Mechanik wohl erfahren. Diesen ließ nun der König zu einem Abendschmause einladen und begehrte von ihm, einige seiner Künste zu seiner und der Gäste Ergötzlichkeit zu zeigen. Albertus konnte und wollte das Begehr des Königs nicht ablehnen und nahm einen Krug voll Rheinwein, murmelte darüber einige Worte und augenblicklich fuhren aus dem Kruge bläuliche Flämmchen. Darauf spritzte er den Wein gegen die Decke und sämmtliche Gäste suchten ihre Köpfe unter dem Tische und auf[72] andere Weise vor den herabfallenden Feuertropfen zu schützen, diese aber verwandelten sich in kleine bunte Vögelchen, die lustig umherflatterten und lieblich sangen. Das gefiel dem König und seinen Gästen sehr wohl, daß aber aus den Bechern, wenn man daraus trinken wollte, Flammen fuhren, mochte den durstigen Rittern und Herren nicht gefallen.

Nachdem diese feenartigen Erscheinungen einige Zeit die Gäste unterhalten hatten, schritt Albertus feierlich einige Male um die Tafel, die nur mit spärlichen und trocknen Gerichten, wie solche der Winter liefert, besetzt war und – diese waren in die süßesten und reizendsten Früchte, wie sie nur der Sommer liefert, verwandelt. Köstliche, seltene Früchte erquickten Gesicht und Geruch und die ganze Tischgesellschaft eilte, auch den Geschmack daran Theil nehmen zu lassen. Aber als sie die lieblichen süßen Früchte zu erfassen glaubten, schwand der Zauber und die königlichen Herren hielten einander bei den Nasen oder steckten die Finger in den Mund oder kaueten an den Zipfeln ihrer Mäntel. Der Hofnarr saß unter der Tafel und hatte einen Kuhschwanz zwischen den Zähnen. Anfänglich ärgerten sich die Herren, theils daß sie um den gehofften Genuß betrogen, theils daß sie von dem Schwarzkünstler zum Gegenstand des Lachens gemacht worden waren; da es aber alle ohne Ausnahme betroffen, mußten sie endlich doch über die lustige Verwechslung lachen.

Nach aufgehobener Tafel fragte Albertus den König, ob er wohl seinen Blumengarten zu sehen wünsche. Der König und alle Anwesenden lachten bei dieser Frage laut auf, denn es lag draußen ein ellenhoher Schnee und es gab nur an den gefrornen Fensterscheiben Blumen, welche selbst das riesige Kaminfeuer nicht aufzuthauen vermochte; aber Alle, guter Laune, folgten unwillkürlich dem Magier durch ein enges Pförtchen hinaus ins Freie und traten in einen Garten, wo Alles grünte und blühte wie an dem schönsten Maitage. Die gewürzreichsten Düfte benebelten ihre Sinne, der seltensten und schönsten Vögel Gesang bezauberte ihr Ohr, die reichsten und süßesten Früchte jeder Art luden sie ein zum Pflücken. Das thaten denn auch schnell alle Anwesenden und wollten sich am Blumenrande eines Springbrunnens gelagert daran gütlich thun. Der Narr warf in übermüthiger Lust seine Schellenkappe auf einen Baum und kletterte hinauf um sie wieder herabzuholen. Alle waren entzückt, als Albertus wieder seine Kunst übte und verschwunden waren Frühling, Blumen und Früchte; statt letzterer hielten die Herren dürre Holzreiser, Tannenzapfen, Feldrüben, Krautstrünke und dergleichen in den Händen, und der Narr saß zwischen den eisernen Gitterstäben eines Fensters, aus denen er nicht los kommen konnte und schrie deshalb jämmerlich. Der König und seine Edelherren aber freuten sich dieser Künste und entließen Albertus reich belohnt. Derselbe soll aber drei Jahre vor seinem Tode ganz dumm und einfältig geworden, zu Cölln 1280 verstorben und daselbst begraben worden sein.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 72-73.
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