60. Der heilige Maternus.

[79] (Nach Weyden S. 230 etc.)


Das Christenthum ward an den Niederrhein zuerst durch drei Jünger des h. Petrus gebracht, welche derselbe von Rom aus über die Alpen nach Deutschland sandte. Diese hießen Maternus, der Jüngling von Nain, Eucharius und Valerius. Maternus kam freilich nur bis an den Elsaß, denn auf dem Wege nach Trier starb er, und die zwei Begleiter desselben kehrten wieder nach Rom zurück, um dort Rechenschaft über ihre Sendung abzulegen. Der h. Petrus aber gab ihnen seinen Stab und hieß sie wieder in den Elsaß zurückkehren; mit demselben sollten sie den Maternus berühren und wieder zum Leben erwecken. Dies thaten sie auch und Maternus stand, nachdem er bereits 40 Tage im Grabe gelegen hatte, wieder von den Todten auf. Alle drei zogen nun weiter und setzten das Werk der Bekehrung eifrig fort, in Trier aber starben Eucharius und Valerius, Maternus aber zog den Rhein hinunter um die heidnischen Rheinländer zu taufen, weshalb er seinen Sitz in Cölln aufschlug. Von hier aus verwaltete er auch die Kirche zu Tongern und Trier und als es einmal in der Christnacht an Priestern fehlte, da beging er zu derselben Stunde in Cölln, Trier und Tongern das heilige Geheimniß der Messe.

Als aber Maternus im Jahre 130 nach Chr. Geburt nach einem Leben voller Mühseligkeiten und frommer Aufopferung für den Glauben starb, da machten sich die genannten drei Städte den Besitz seiner Leiche streitig, denn jede derselben wollte diese kostbare Reliquie besitzen. Als sie aber sich nicht vereinigen konnten, da erschien ihren Vertretern ein Engel in Gestalt eines Geistes, der sie mit ernsten Worten zum Frieden und zur Einigkeit ermahnte und ihnen den Rath gab, die Leiche in ein Schiff zu setzen und dieses ohne alle Leitung den Wellen des Stromes anzuvertrauen, der Himmel werde dann entscheiden, welche Stadt in den Besitz des heiligen Leichnams gelangen solle, denn da wohin des Stromes Fluthen denselben tragen würden, solle er aufbewahrt werden. So geschah es auch, mit der größten Feierlichkeit ward der Leichnam mit dem Priesterkleide geschmückt in einen Kahn gelegt und der losgebundene Kahn trieb ohne Beihilfe eines Ruders oder Segels stromaufwärts bis eine Stunde oberhalb der Stadt, wo er landete. Der Himmel hatte also entschieden, der Stadt Trier waren seine Gebeine bestimmt und wurden hierauf in dem Grabe seiner zwei Mitjünger, Valerius und Eucharius, beigesetzt. In Cölln aber war große Trauer über diesen Verlust, seine Eingeweide, die hier geblieben waren, begrub man an der Stelle wo der Kahn gelandet war, und baute ein Kirchlein darüber, Ruvenkirche (d.h. Trauerkirche) genannt zur Erinnerung an die Trauer über diesen Verlust. Dies ist der jetzige Wallfahrtsort Rodenkirchen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 79.
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